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Art. 18 BayVSG
Bayerisches Verfassungsschutzgesetz (BayVSG)
Landesrecht Bayern

Teil 2 – Befugnisse → Kapitel 2 – Nachrichtendienstliche Mittel

Titel: Bayerisches Verfassungsschutzgesetz (BayVSG)
Normgeber: Bayern
Amtliche Abkürzung: BayVSG
Gliederungs-Nr.: 12-1-I
Normtyp: Gesetz

Art. 18 BayVSG – Verdeckte Mitarbeiter (1)

(1) 1Das Landesamt darf eigene Mitarbeiter unter einer ihnen verliehenen und auf Dauer angelegten Legende (Verdeckte Mitarbeiter) einsetzen. 2Eine Maßnahme, die

  1. 1.

    über sechs Monate hinaus,

  2. 2.

    gezielt gegen eine bestimmte Person oder

  3. 3.

    gezielt in zu privaten Wohnzwecken genutzten Räumlichkeiten

durchgeführt werden soll, ist nur zur Aufklärung einer erheblich beobachtungsbedürftigen Bestrebung oder Tätigkeit zulässig. 3Eine Maßnahme im Sinne von Satz 2 Nr. 2, bei der unter Berücksichtigung ihrer voraussichtlichen Dauer und der Umstände ihrer Durchführung zu erwarten ist, dass der persönliche Lebensbereich in besonderem Maße betroffen wird, ist nur zur Aufklärung einer gesteigert beobachtungsbedürftigen Bestrebung oder Tätigkeit zulässig. 4Verdeckte Mitarbeiter dürfen unter Verwendung ihrer Legende eine Wohnung mit dem Einverständnis des Berechtigten betreten. 5Das Einverständnis darf nicht durch ein über die Nutzung der Legende hinausgehendes Vortäuschen eines Zutrittsrechts herbeigeführt werden. 6Verdeckte Mitarbeiter sorgen während des Einsatzes für die Einhaltung des Art. 8a Abs. 1 Satz 2, 4 und 6. 7Intime oder vergleichbar engste persönliche Beziehungen zu Zielpersonen sind unzulässig.

(2) 1Verdeckte Mitarbeiter dürfen weder zur Gründung von Bestrebungen nach Art. 3 noch zur steuernden Einflussnahme auf derartige Bestrebungen eingesetzt werden. 2Sie dürfen in Personenzusammenschlüssen oder für diese tätig werden, auch wenn dadurch ein Straftatbestand verwirklicht wird. 3Im Übrigen dürfen Verdeckte Mitarbeiter im Einsatz bei der Beteiligung an Bestrebungen solche Handlungen vornehmen, die

  1. 1.

    nicht in Individualrechte eingreifen,

  2. 2.

    von den an den Bestrebungen Beteiligten derart erwartet werden, dass sie zur Gewinnung und Sicherung der Nachrichtenzugänge unumgänglich sind, und

  3. 3.

    nicht außer Verhältnis zur Bedeutung des aufzuklärenden Sachverhalts stehen.

4Sofern zureichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass ein Verdeckter Mitarbeiter rechtswidrig einen Straftatbestand von erheblicher Bedeutung verwirklicht hat, wird sein Einsatz unverzüglich beendet und die Strafverfolgungsbehörde unterrichtet. 5Über Ausnahmen von Satz 4 entscheidet die Behördenleitung oder ihre Vertretung.

(3) Bei Einsätzen zur Erfüllung der Aufgabe nach Art. 3 Satz 2 gilt § 9a Abs. 3 BVerfSchG entsprechend.

(4) 1Über die Anordnung entscheidet in den Fällen des

  1. 1.

    Abs. 1 Satz 1 die Behördenleitung oder ihre Vertretung in entsprechender Anwendung von § 10 Abs. 2 und 3 Satz 1 G 10,

  2. 2.

    Abs. 1 Satz 2 und 3 das Gericht, das in längstens jährlichem Abstand prüft, ob die Fortsetzung der Maßnahme unter Berücksichtigung ihrer Gesamtdauer und der in dieser Zeit erlangten Informationen gerechtfertigt ist.

2Angaben zur Identität der eingesetzten Personen sind geheim zu halten und dürfen dem für die Anordnung zuständigen Gericht nur offengelegt werden, soweit das Gericht dies verlangt, weil die Angaben für die richterliche Entscheidung unerlässlich sind. 3In den Fällen des Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 ist die Maßnahme der Zielperson, in den Fällen des Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 dem Wohnungsinhaber gemäß Art. 8b mitzuteilen, sobald eine Gefährdung der weiteren Verwendbarkeit der eingesetzten Person nicht mehr zu besorgen ist.

(5) Für Mitarbeiter, die verdeckt Informationen in sozialen Netzwerken und sonstigen Kommunikationsplattformen im Internet erheben, gelten die Abs. 2 und 3 sowie § 9a Abs. 3 BVerfSchG entsprechend, auch wenn sie nicht unter einer auf Dauer angelegten Legende tätig werden.

(1) Red. Anm.:

Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts

Vom 9. Mai 2022 (BGBl. I S. 789)

Aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 26. April 2022 - 1 BvR 1619/17 - wird folgende Entscheidungsformel veröffentlicht:

  1. 1.

    Artikel 15 Absatz 3 des Bayerischen Verfassungsschutzgesetzes (BayVSG) vom 12. Juli 2016 (Bayerisches Gesetz- und Verordnungsblatt Seite 145), das zuletzt durch § 3 des Gesetzes zur Änderung des Polizeiaufgabengesetzes und weiterer Rechtsvorschriften vom 23. Juli 2021 (Bayerisches Gesetz- und Verordnungsblatt Seite 418) geändert worden ist, verstößt gegen Artikel 10 Absatz 1 des Grundgesetzes und ist nichtig.

  2. 2.

    Artikel 9 Absatz 1 Satz 1, Artikel 10 Absatz 1, Artikel 12 Absatz 1, Artikel 18 Absatz 1, Artikel 19 Absatz 1, Artikel 19a Absatz 1, Artikel 25 Absatz 1 Nummer 1 2. Alternative, Artikel 25 Absatz 1 Nummer 3, Artikel 25 Absatz 1a, Artikel 25 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und Nummer 3, Artikel 25 Absatz 3 Satz 1 Nummer 2, Artikel 8b Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und Artikel 8b Absatz 3 Bayerisches Verfassungsschutzgesetz sind mit Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 1, Artikel 10 Absatz 1, Artikel 13 Absatz 1 und 4 des Grundgesetzes nicht vereinbar.

  3. 3.

    Bis zu einer Neuregelung, längstens jedoch bis zum 31. Juli 2023, gelten die für mit dem Grundgesetz unvereinbar erklärten Vorschriften mit den folgenden Maßgaben fort:

    Maßnahmen gemäß Artikel 9 Absatz 1 Satz 1 und gemäß Artikel 10 Absatz 1 Bayerisches Verfassungsschutzgesetz dürfen nur zur Abwehr einer dringenden Gefahr für den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes, für Leib, Leben oder Freiheit einer Person oder für Sachen, deren Erhaltung im besonderen öffentlichen Interesse geboten ist, ergriffen werden und nur dann, wenn geeignete polizeiliche Hilfe für das bedrohte Rechtsgut ansonsten nicht rechtzeitig erlangt werden kann. Dabei ist Artikel 8a Absatz 1 Bayerisches Verfassungsschutzgesetz mit der Maßgabe der widerleglichen Vermutung anzuwenden, dass Erkenntnisse, die bei einer Wohnraumüberwachung gewonnen werden, den Kernbereich privater Lebensgestaltung betreffen.

    Auf der Grundlage von Artikel 12 Absatz 1 Bayerisches Verfassungsschutzgesetz dürfen technische Mittel nicht so eingesetzt werden, dass die Bewegungen des Mobilfunkendgeräts einer beobachteten Person über einen längeren Zeitraum hinweg nachverfolgt werden.

    Eine Maßnahme nach Artikel 18 Absatz 1 Bayerisches Verfassungsschutzgesetz oder nach Artikel 19 Absatz 1 Bayerisches Verfassungsschutzgesetz ist nach höchstens sechs Monaten zu beenden, wenn sie nicht zur Erforschung einer Bestrebung unerlässlich ist, die auf die Begehung besonders schwerer Straftaten gerichtet ist, welche die in § 3 Absatz 1 des Gesetzes über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes und über das Bundesamt für Verfassungsschutz (Bundesverfassungsschutzgesetz - BVerfSchG) vom 20. Dezember 1990 (Bundesgesetzblatt I Seite 2954), zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes zur Anpassung des Verfassungsschutzrechts vom 5. Juli 2021 (Bundesgesetzblatt I Seite 2274), genannten Schutzgüter gefährden. Ist der Einsatz gezielt gegen bestimmte Personen gerichtet, ist Artikel 19a Absatz 2 Bayerisches Verfassungsschutzgesetz entsprechend anzuwenden.

    Auf der Grundlage von Artikel 19a Absatz 1 Bayerisches Verfassungsschutzgesetz dürfen technische Mittel zur Anfertigung von Bildaufnahmen und Bildaufzeichnungen und zum Abhören und Aufzeichnen des nicht öffentlich gesprochenen Wortes nur dann verdeckt eingesetzt werden, wenn dies zur Erforschung einer Bestrebung unerlässlich ist, die auf die Begehung besonders schwerer Straftaten gerichtet ist, welche die in § 3 Bundesverfassungsschutzgesetz genannten Schutzgüter gefährden und die weiteren gesetzlich vorgesehenen Voraussetzungen erfüllt sind.

    Eine Übermittlung von mit nachrichtendienstlichen Mitteln erlangten personenbezogenen Daten und Informationen gemäß Artikel 25 Bayerisches Verfassungsschutzgesetz ist nur zum Schutz eines Rechtsguts von herausragendem öffentlichem Interesse zulässig; dem entspricht eine Begrenzung auf besonders schwere Straftaten. Außerdem müssen die nach Maßgabe der Urteilsgründe an den jeweiligen Übermittlungsanlass zu stellenden Anforderungen erfüllt sein.

Die vorstehende Entscheidungsformel hat gemäß § 31 Absatz 2 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes Gesetzeskraft.