Rechtswörterbuch

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Arbeitnehmerähnliche Selbstständige

 Normen 

§ 2 Nr. 9 SGB VI

§ 6 Abs. 1a SGB VI

§ 231 Abs. 5 SGB VI

 Information 

1. Begriffsbestimmung

Gemäß § 12a TVG sind arbeitnehmerähnliche Selbstständige Personen, die wirtschaftlich abhängig und vergleichbar einem Arbeitnehmer sozial schutzbedürftig sind. Eine arbeitnehmerähnliche Selbstständigkeit liegt vor bei Selbstständigen, die

  • aufgrund von Dienst- oder Werkverträgen für andere Personen tätig sind,

  • die geschuldeten Leistungen persönlich und im Wesentlichen ohne die Mitarbeit von Arbeitnehmern erbringen

    und

    • überwiegend für eine Person tätig sind

      oder

    • sie durch die Arbeit für eine Person mehr als die Hälfte ihres Einkommens erzielen.

2. Folgen

Folge dieser Zuordnung ist gemäß § 12a TVG zunächst, dass die Vorschriften des Tarifvertragsgesetzes Anwendung finden, daneben ist die in der Norm vorgenommene Wertung bzw. gesetzliche Definition nach der Entscheidung BAG 17.10.1990 - 5 AZR 639/89 allgemein verbindlich.

Selbstständige, die journalistische, schriftstellerische oder künstlerische Leistungen erbringen, sind gemäß § 12a Abs. 3 TVG bereits unter geringeren Anforderungen als arbeitnehmerähnliche Selbstständige einzustufen.

3. Besonderheiten

Obwohl arbeitnehmerähnliche Selbstständige weiterhin selbstständig tätige Personen bleiben und ohne eine ausdrückliche Regelung das Arbeitsrecht nicht anwendbar ist, bestehen folgende Besonderheiten:

  • Arbeitnehmerähnliche Selbstständige haben einen Anspruch auf Urlaub gemäß § 2 Abs. 2 BUrlG. Fehlt es an einer entsprechenden Vereinbarung, so steht ihnen der Mindestanspruch von 24 Werktagen zu.

  • Sie haben - sofern der Anspruch in dem jeweiligen Bundesland allgemein besteht - zudem einen Anspruch auf Bildungsurlaub.

  • Zuständig für Rechtsstreitigkeiten des arbeitnehmerähnlichen Selbstständigen mit dem Auftraggeber sind gemäß § 5 ArbGG die Arbeitsgerichte.

  • Die Vertragsbedingungen können gemäß § 12a TVG durch einen Tarifvertrag geregelt werden.

4. Rentenversicherungspflicht

Arbeitnehmerähnliche Selbstständigkeit sind bei Vorliegen der folgenden, in § 2 Nr. 9 SGB VI normierten Voraussetzungen rentenversicherungspflichtig:

  • Sie beschäftigen keine versicherungspflichtigen Arbeitnehmer, deren Arbeitsentgelt 520,00 EUR übersteigt

    und

  • sind auf Dauer und im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig.

Dabei ist der Begriff "Auftraggeber" eng auszulegen (BSG 02.03.2010 - B 12 R 10/09 R).

Werden neben der Selbstständigkeit eine oder mehrere abhängige Beschäftigungen ausgeübt, so bleiben die abhängigen Beschäftigungen bei der Zahl der Auftraggeber außer Betracht (BSG 04.11.2009 - B 12 R 7/08 R).

Folge des Vorliegens der Voraussetzungen ist, dass der Selbstständige im vollem Umfang seines Einkommens der Rentenversicherungspflicht unterliegt. Eine Versicherungspflicht in den anderen Zweigen der Sozialversicherung besteht nicht. Die Voraussetzungen werden in den meisten Fällen der arbeitnehmerähnlichen Selbstständigkeit vorliegen.

Auszubildende sind nach dem Gesetz ausdrücklich als Arbeitnehmer anzusehen. Zur Erfüllung des ersten Kriteriums ist daher entscheidend, ob ihr Arbeitsentgelt die 520,00 EUR Grenze übersteigt.

Aber es bestehen für die in § 6 Abs. 1a S 1 Nr. 1 SGB VI aufgeführten Personengruppen Befreiungen von der Rentenversicherungspflicht, so z.B.  sind arbeitnehmerähnliche Selbstständige, die die Voraussetzungen des § 2 Nr. 9 SGB VI erfüllen für einen Zeitraum von drei Jahren nach erstmaliger Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit von der Rentenversicherungspflicht befreit.

Dabei hat das Bundessozialgericht jetzt den Beginn des Dreijahreszeitraums geklärt:

"Der Dreijahreszeitraum, für den sogenannte arbeitnehmerähnliche Selbstständige in der Existenzgründungsphase von der Rentenversicherungspflicht befreit werden können, beginnt unabhängig vom Eintritt der Versicherungspflicht mit der Aufnahme der Tätigkeit, die alle Merkmale des § 2 S 1 Nr 9 SGB VI erfüllt" (BSG 22.03.2018 - B 5 RE 1/17 R).

5. Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses

Das Bundessozialgericht hat für einen dauerhaft eingesetzten arbeitnehmerähnlichen Selbstständigen eines Medienunternehmens das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses angenommen. Siehe insofern den Beitrag "Feste freie Mitarbeit".

 Siehe auch 

Arbeitnehmer

Feste freie Mitarbeit

Heimarbeit

Scheinselbstständigkeit

BSG 30.10.2013 - B 12 KR 17/11 R (telefonische Gesprächspartnerin für ein Telekommunikationsunternehmen)

BSG 04.11.2009 - B 12 R 3/08 R (Rentenversicherungspflicht des Franchise-Nehmers)

BAG 21.02.2007 - 5 AZB 52/06 (Hebamme keine Arbeitnehmerähnliche Selbstständige)

BSG 24.11.2005 - B 12 RA 1/04 R (Rentenversicherungspflicht des Geschäftsführers der Ein-Personen-GmbH)

BAG 15.02.2005 - 9 AZR 51/04 (Rundfunkgebührenbeauftragter als arbeitnehmerähnliche Person)

BAG 19.10.2004 - 9 AZR 411/03 (Anforderungen an ein Dauerrechtsverhältnis als arbeitnehmerähnliche Person)

LSG Schleswig-Holstein 27.10.2003 - L 8 RA 108/02 (Rentenversicherungspflicht einer Ein-Mann-GmbH)