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Altlasten

 Normen 

BBodSchG

BBodSchV

BT-Drs. 18/12213 (zu der am 01.08.2023 in Kraft getretenen Fasssung der BBodSchV)

Baden-Württemberg: LBodSchAG,BW
Bayern: BayBodSchG
Berlin: Bln BodSchG
Brandenburg: BbgAbfBodG,BB
Bremen: BremBodSchG
Hamburg: HmbBodSchG
Hessen: HAltBodSchG
Mecklenburg-Vorpommern: LBodSchG M-V
Niedersachsen: NBodSchG
Nordrhein-Westfalen: LBodSchG,NW
Rheinland-Pfalz: LBodSchG,RP
Saarland: SBodSchG
Sachsen: SächsKrWBodSchG
Sachsen-Anhalt: BodSchAG LSA
Schleswig-Holstein: LBodSchG,SH
Thüringen: ThürBodSchG

 Information 

1. Allgemein

Altlasten sind gefährliche und gesundheitsgefährdende Stoffe, die in unsachgemäßer Form verwendet und gelagert wurden und dadurch zu schädlichen Bodenveränderungen oder zu anderen Gefahren für den Einzelnen oder die Allgemeinheit führen können.

In Deutschland sind mehr als 271.000 Flächen als altlastverdächtig erfasst. Neben den Altlasten der industriellen Entwicklung gibt es die Altlasten durch militärische Nutzung und durch Rüstungsgüterproduktion.

2. Rechtsgrundlagen

Gesetzliche Rechtsgrundlagen der Beseitigungspflicht eines kontaminierten Grundstücks sind das Bundes-Bodenschutzgesetz, die Bundes-Bodenschutz- und Altlastenverordnung sowie die Bodenschutzgesetze der Länder (Ausführungsgesetze der Länder zum Bundes-Bodenschutzgesetz).

Hinweis:

Am 01.08.2023 ist eine reformierte Fassung der Bundesbodenschutz- und Altlastenverordnung in Kraft getreten.

Dabei wurden zum einen sämtliche Teile der Verordnung rechtsförmlich überarbeitet, stringenter gefasst und an den aktuellen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse und an die Erfahrungen aus dem fünfzehnjährigen Vollzug angepasst. Zum anderen wurde der Regelungsbereich der BBodSchV im Bereich des vorsorgenden Bodenschutzes um das Auf- oder Einbringen von Materialien unterhalb oder außerhalb einer durchwurzelbaren Bodenschicht, Aspekte des physikalischen Bodenschutzes und die bodenkundliche Baubegleitung erweitert. Die Gefahrenabwehr von schädlichen Bodenveränderungen aufgrund von Bodenerosion durch Wasser wurde um den Aspekt Wind erweitert. 

Im Anwendungsbereich wurde eine Abgrenzung zur Ersatzbaustoffverordnung (EBV) eingeführt. Diese geht beim Einbau von mineralischen Ersatzbaustoffen in technische Bauwerke den Vorschriften der BBodSchV über das Auf- oder Einbringen von Materialien grundsätzlich vor.

Die Bundes-Bodenschutz- und Altlastenverordnung konkretisiert die Anforderungen des Bundes-Bodenschutzgesetzes an die Untersuchung und Bewertung von Flächen mit dem Verdacht einer Bodenkontamination oder Altlast, beschreibt Sicherungs-, Dekontaminations- und Beschränkungsmaßnahmen sowie die Sanierungsplanung und regelt die Anforderungen an die Vorsorge gegen schädliche Bodenbelastungen.

Die Ausführung des Bundes-Bodenschutzgesetzes und der Bundes-Bodenschutz- und Altlastenverordnung liegt in der Zuständigkeit der Länder.

3. Definitionen

Es ist zu unterscheiden zwischen einer schädlichen Bodenveränderung und einer Altlast:

  • Schädliche Bodenveränderungen sind gemäß § 2 Abs. 3 BBodSchG Beeinträchtigungen der Bodenfunktionen, die geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für den Einzelnen oder die Allgemeinheit herbeizuführen.

  • Altlasten sind gemäß § 2 Abs. 5 BBodSchG

    • stillgelegte Abfallbeseitigungsanlagen sowie sonstige Grundstücke, auf denen Abfälle behandelt, gelagert oder abgelagert worden sind (Altablagerungen)

      und

    • Grundstücke stillgelegter Anlagen und sonstige Grundstücke, auf denen mit umweltgefährdenden Stoffen umgegangen worden ist, ausgenommen Anlagen, deren Stilllegung einer Genehmigung nach dem Atomgesetz bedarf (Altstandorte).

Daneben bestehen folgende Verdachtsfälle:

  • Verdachtsflächen sind Grundstücke, bei denen der Verdacht schädlicher Bodenveränderungen besteht (§ 2 Abs. 4 BBodSchG).

  • Altlastenverdächtige Flächen sind Altablagerungen und Altstandorte, bei denen der Verdacht schädlicher Bodenveränderungen oder sonstiger Gefahren für den Einzelnen oder die Allgemeinheit besteht (§ 2 Abs. 6 BBodSchG).

4. Grenzwerte

Gemäß § 8 BBodSchG können in der Bundes-Bodenschutzverordnung Grenzwerte zur Bestimmung von Handlungspflichten bestimmt werden, so bestehen u.a. folgende Wertformen:

  • Prüfwerte (§ 8 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 BBodSchG) sind Werte, bei deren Überschreiten unter Berücksichtigung der Bodennutzung eine einzelfallbezogene Prüfung durchzuführen und festzustellen ist, ob eine schädliche Bodenveränderung oder Altlast vorliegt (Risikovorsorge).

  • Maßnahmewerte (§ 8 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BBodSchG) sind Werte, bei deren Überschreiten unter Berücksichtigung der jeweiligen Bodennutzung in der Regel von einer schädlichen Bodenveränderung oder Altlast auszugehen ist und Maßnahmen erforderlich sind (Gefahrenabwehr); sie betreffen das "Ob" einer Sanierung.

  • Vorsorgewerte (§ 8 Abs. 2 BBodSchG) sind Werte, bei deren Überschreiten regelmäßig davon auszugehen ist, dass das Entstehen einer schädlichen Bodenveränderung zu besorgen ist.

5. Sanierungspflicht

Sind die in der Bundes-Bodenschutzverordnung festgelegten Prüf- bzw. Maßnahmenwerte überschritten und wird daraufhin das Vorliegen einer schädlichen Bodenveränderung oder Altlast festgestellt, so hat gemäß § 4 Abs. 3 BBodSchG eine Sanierung dieser kontaminierten Flächen stattzufinden. Hierzu kommen bei Belastungen durch Schadstoffe neben Dekontaminations- auch Sicherungsmaßnahmen in Betracht, die eine Ausbreitung der Schadstoffe langfristig verhindern.

Der Kreis der Sanierungspflichtigen ist in § 4 Abs. 3 u. Abs. 6 BBodSchG festgelegt. Dabei ist das Gesetz zunächst vom klassischen Störerbegriff des Polizeirechts ausgegangen (Verursacher, dessen Gesamtrechtsnachfolger sowie der Grundstückseigentümer und der Inhaber der tatsächlichen Gewalt). Dieser Kreis wird aber durch die Normierung einer Durchgriffs- und Konzernverantwortlichkeit in § 4 Abs. 4 S. 4 BBodSchG und einer Verantwortlichkeit des früheren Eigentümers in § 4 Abs. 6 BBodSchG erweitert. Sanierungspflichtig sind:

  • der Verursacher bzw. sein Gesamtrechtsnachfolger

  • der Grundstückseigentümer und Inhaber der tatsächlichen Gewalt über das Grundstück (z.B. Pächter, Mieter)

  • der frühere Grundstückseigentümer, wenn er zum Zeitpunkt der Eigentumsübertragung die schädliche Bodenveränderung oder Altlast kannte oder kennen musste

  • Gesellschafter und Mutterunternehmen im Falle der Durchgriffshaftung und "qualifizierten" Konzernverantwortung (als Zustandsverantwortliche)

  • derjenige, der das Eigentum an seinem Grundstück aufgibt (Dereliktion)

Nach der Entscheidung BVerwG 16.03.2006 - 7 C 3/05 gilt die Haftung des Gesamtrechtsnachfolgers auch für Zeiträume vor dem Inkrafttreten des Bundes-Bodenschutzgesetzes.

Auswahlermessen der Behörde:

Nach der Rechtsprechung des BGH ist bei der Entscheidung über die Auswahl des Störers allein die Effektivität der Maßnahme zur Beseitigung der schädlichen Bodenveränderung maßgeblich (BVerwG 16.02.2017 - 7 B 16/16).

Grenzen der Übernahme der Sanierungskosten:

Das Bundesverfassungsgericht hat aus Art. 14 Abs. 1 GG Grenzen der Zustandshaftung des Eigentümers für die Grundstückssanierung bei Altlasten festgesetzt (BVerfG 16.02.2000 - 1 BvR 242/91 - Rdnr. 54 ff.). Zur Bestimmung der Grenze dessen, was einem Eigentümer hierdurch an Belastungen zugemutet werden darf, kann als Anhaltspunkt das Verhältnis des finanziellen Aufwands zu dem Verkehrswert dienen. In der Entscheidung hat das BVerfG in der obigen Entscheidung einige Kriterien aufgestellt.

6. Kostentragung

6.1 Allgemein

Die Kostentragung wird in § 24 BBodSchG geregelt: Die Kosten der angeordneten Maßnahmen tragen die zur Durchführung Verpflichteten.

6.2 Ausgleich

Gemäß § 24 Abs. 2 BBodSchG haben mehrere Verpflichtete unabhängig von ihrer Heranziehung untereinander einen Ausgleichsanspruch. Soweit nichts anderes vereinbart wird, hängt die Verpflichtung zum Ausgleich sowie der Umfang des zu leistenden Ausgleichs davon ab, inwieweit die Gefahr oder der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist.

Eine andere Vereinbarung kann auch im Abschluss eines Mietvertrages liegen. Nutzt der Mieter das Mietobjekt entsprechend der mit dem Vermieter getroffenen Vereinbarungen und kommt es dadurch zu einer schädlichen Bodenveränderung, scheidet ein Ausgleichsanspruch nach § 24 Abs. 2 BBodSchG aus, weil die Verpflichteten (Vermieter und Mieter) "etwas anderes" vereinbart haben" (BGH 01.10.2008 - XII ZR 52/07).

Hinweis:

Zu beachten ist, dass Art. 14 Abs. 1 GG der Zustandshaftung des Eigentümers für die Grundstückssanierung bei Altlasten Grenzen setzt (hierzu: BVerfG 16.02.2000 - 1 BvR 242/91).

Ein Gesamtschuldnerausgleich ist ausgeschlossen (BGH 18.02.2010 - III ZR 295/09).

6.3 Verjährung

Gemäß § 24 Abs. 2 S. 3 BBodSchG beträgt die Verjährungsfrist für den Ausgleichsanspruch drei Jahre.

Der BGH hat mit der Entscheidung BGH 18.10.2012 - III ZR 312/11 die lang umstrittene Frage entschieden, ob es bei einer Sanierung in mehreren Schritten oder einer langjährigen Grundwasserreinigung für den Verjährungsbeginn des bodenschutzrechtlichen Ausgleichsanspruchs auf die Beendigung der einzelnen Maßnahme oder den Abschluss aller Maßnahmen ankommt. Nach der Ansicht der Richter beginnt die Verjährung erst mit der Beendigung der gesamten im Einzelfall erforderlichen beziehungsweise angeordneten Maßnahmen.

7. Wertausgleich

Soweit durch den Einsatz öffentlicher Mittel bei Sanierungsmaßnahmen der Verkehrswert eines Grundstücks erhöht und der Eigentümer die Kosten hierfür nicht (vollständig) getragen hat, hat gemäß § 25 Abs. 1 BBodSchG die Behörde den Wertausgleich durch Festsetzung eines bestimmten Betrages, der als öffentliche Last auf dem Grundstück ruht, wieder abzuschöpfen.

Die Höhe des Wertausgleichs ist durch einen Vergleich von Anfangs- und Endwert zu ermitteln.

8. Gewährleistung

Stellt sich nach dem Kauf eines Grundstücks heraus, dass es sich dabei um ein kontaminiertes Grundstück handelt, stehen dem ahnungslosen Käufer die kaufrechtlichen Gewährleistungsansprüche zu. Die Tatsache, dass auch der Verkäufer ahnungslos war, ist für die Geltendmachung der Ansprüche unerheblich. Erweiterte Rechtsschutzmöglichkeiten bestehen für den Käufer in dem Fall, in dem der Verkäufer die Kontaminierung oder auch nur Verdachtsmomente kannte, dies dem Käufer aber nicht offenbart hat, wozu er auch ungefragt verpflichtet ist.

Aber bereits der Verdacht reicht aus:

"Begründet die frühere Nutzung eines Grundstücks einen Altlastenverdacht, weist dieses einen Sachmangel (...) auf, ohne dass weitere Umstände hinzutreten müssen. Insbesondere bedarf es für die Annahme eines Sachmangels keiner zusätzlichen Tatsachen, die auf das Vorhandensein von Altlasten hindeuten" (BGH 21.07.2017 - V ZR 250/15).

Nach dem Urteil des OLG Oldenburg 26.09.2003 - 6 U 67/03 ist bei dem Verdacht einer Altlasten-Kontaminierung eines auf einem überplanten Gebietes liegenden Grundstücks die Gemeinde nicht verpflichtet, dies im Bebauungsplan nachträglich zu kennzeichnen.

Nach einem Urteil des BGH (04.11.2004 - III ZR 372/03) kann sich bei einem Befall von enteignungsrechtlich zu entschädigenden Baulichkeiten und Anlagen mit Altlasten eine Reduzierung der Entschädigungshöhe gemäß der Höhe der Sanierungskosten ergeben.

9. Zivilrechtliche Haftung

Für die zivilrechtliche Inanspruchnahme für Altlasten kommen vor allem die Deliktshaftung (§ 823 Absatz 1 und 2 BGB), der Beseitigungsanspruch des Nachbarn aus § 1004 BGB, Ansprüche aus dem Gewässerschutz (§ 89 f. WHG) und Ansprüche aus dem Umwelthaftungsrecht in Betracht.

10. Altlastenkataster

Das Altlastenkataster ist eine jeweils von den Umweltämtern der Länder bzw. den Kommunen geführte Datenbank, mit der Altlasten und altlastenverdächtige Flächen erfasst werden. Die Führung des Altlastenkatasters ist in den Ausführungsgesetzen der Länder zum BBodSchG geregelt.

Das Altlastenkataster enthält u.a. folgende Daten:

  • die Größe, Lage und Standortgegebenheiten der Flächen

  • Untersuchungsergebnisse über die physikalische, chemische und biologische Beschaffenheit des Bodens

  • die Art, Menge und Beschaffenheit von Abfällen und Stoffen

  • die gegenwärtige und frühere Nutzung

  • die gegenwärtigen und früheren Eigentümer, Nutzungsberechtigten etc.

Es besteht ein (gebührenpflichtiger) Anspruch auf Auskunft der in dem Kataster gespeicherten Daten.

 Siehe auch 

Bodenschutz

Naturschutz

Waldschutz

Bickel: Grenzen der Zustandshaftung des Eigentümers für die Grundstückssanierung bei Altlasten, Neue Juristische Wochenschrift - NJW 2000, 2562

Diederichsen/Di Prato: Altlasten bei Immobilientransaktionen. Gesetzliche Grundlagen und Gestaltungsmöglichkeiten; Zeitschrift für Immobilienrecht - ZfIR 2018, 336

Hellriegel/Schmitt: Aufwertung des bodenschutzrechtlichen Ausgleichsanspruchs; Neue Juristische Wochenschrift - NJW 2009, 1118

Schlabach/Heck: Bodenschutz- und Altlastenrecht - Rechtsprechungsübersicht; Verwaltungsblätter für Baden-Württemberg - VBlBW 2005, 214

Vierhaus: Strengeres Altlastenrecht durch EU-Recht? Vorschlag der Kommission für eine Bodenschutz-Rahmenrichtlinie; Nordrhein-Westfälische Verwaltungsblätter - NWVBl. 2007, 425

Willand: Altlasten und Gewässerschäden zwischen deutschem und europäischem Abfall-, Bodenschutz- und Wasserrecht; Zeitschrift für Umweltrecht - ZUR 2006, 567