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Actio pro socio

Autor:
 Normen 

§ 715b BGB

BT-Drs. 19/27635

 Information 

Mit § 715b BGB wurde für die rechtsfähige Gesellschaft des bürgerlichen Rechts die als solche bereits anerkannte Rechtsfigur der »actio pro socio« oder auch »Gesellschafterklage« im Gesetz verankert und die in ihren Voraussetzungen und Rechtsfolgen bisher getrennt eingeordneten Einzelklagerechte des Gesellschafters für die Geltendmachung von Sozial- und Drittansprüchen zu einem einheitlichen Institut zusammengefasst.

Die Kodifizierung der Rechtsfigur der Gesellschafterklage schließt es gleichwohl nicht aus, unter den von der Rechtsprechung näher zu bestimmenden Voraussetzungen analog § 46 Nr. 8 GmbHG oder § 147 Abs. 2 S. 1 AktG einen besonderen Vertreter zu bestellen.

Absatz 1 regelt, unter welchen Voraussetzungen der Gesellschafter zur Geltendmachung eines Anspruchs der Gesellschaft berechtigt ist. Die Gesellschafterklage steht jedem Gesellschafter offen, jedoch nur für die Dauer seiner Zugehörigkeit zur Gesellschaft. Denn nach Ausscheiden ist auf seiner Seite kein berechtigtes Interesse mehr daran ersichtlich, auf die Durchsetzung von Sozial- und Drittansprüchen hinzuwirken. Es reicht aus, wenn er seine Auffassung, der Gesellschaft stehe ein solcher Anspruch zu, gegenüber der Gesellschaft im Streit über die Höhe seines Abfindungsanspruchs geltend machen kann.

Hinsichtlich der weiteren Voraussetzungen unterscheidet § 715b Abs. 1 BGB zwischen der Geltendmachung von Sozialansprüchen (z.B. Anspruch der Gesellschaft gegen den Gesellschafter auf Erbringung des Beitrags oder Schadensersatzanspruch der Gesellschaft gegen den geschäftsführungsbefugten Gesellschafter wegen Verletzung seiner Geschäftsführungspflichten) und Drittansprüchen. Die Gesellschafterklage ist nur subsidiär zulässig, das heißt nur dann, wenn sie aus besonderen Gründen nicht mit der primären Geschäftsführungs- und Vertretungsordnung kollidiert. Die Formulierung ist nach der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 19/27635) bewusst offengehalten. So bleibt es der Rechtsprechung überlassen, im Einzelfall sachgerechte Kriterien zu bestimmen (z.B. Aufforderung zur Gesellschaftsklage, Ablehnung der Gesellschaftsklage, Erfordernis eines Gesellschafterbeschlusses, Gesellschaftswidrigkeit der Ablehnung).

Beruht das pflichtwidrige Unterlassen auf einem Gesellschafterbeschluss, und sei es auch nur, weil der Beschluss indirekt darauf gerichtet ist, einen Anspruch der Gesellschaft nicht geltend zu machen, geht das Recht des Gesellschafters zur Geltendmachung eines Beschlussmangels grundsätzlich vor. Dadurch wird gewährleistet, dass besondere Voraussetzungen einer Beschlussmängelklage, mögen sie sich aus dem Gesellschaftsvertrag oder – wie bei Personenhandelsgesellschaften – aus dem Gesetz ergeben, nicht unterlaufen werden und dass das Gericht vor einer unter Umständen komplexen Inzidentprüfung eines Beschlussmangels bewahrt wird.

Für die Geltendmachung von Drittansprüchen genügt es nicht, dass der geschäftsführungs- und vertretungsbefugte Gesellschafter pflichtwidrig untätig bleibt, sondern es muss zudem eine Situation vorliegen, in der der Dritte sich zu diesem Aspekt aus eigener Anschauung sachgerecht äußern kann. Insofern wird die Voraussetzung aufgestellt, dass der Dritte an dem pflichtwidrigen Unterlassen mitgewirkt oder es gekannt haben muss, wobei fahrlässige Unkenntnis nicht genügt.

Als Rechtsfolge wird dem Gesellschafter die Befugnis eingeräumt, den Anspruch »im eigenen Namen gerichtlich geltend zu machen«. Diese Prozessführungs- und zugleich Einziehungsbefugnis begründet freilich nicht das materielle Recht, über den Anspruch der Gesellschaft zum Beispiel durch Abschluss eines Prozessvergleichs zu verfügen. Aus der Einordnung der Gesellschafterklage als gesetzliche Prozessstandschaft folgt, dass es sich bei den vorgenannten Voraussetzungen um Sachurteilsvoraussetzungen handelt, die das Gericht von Amts wegen zu prüfen hat.

Absatz 2 schränkt zum Schutz des Gesellschafters die Möglichkeit ein, die Gesellschafterklage durch Vereinbarung im Gesellschaftsvertrag auszuschließen oder zu beschränken.

Absatz 3 verpflichtet als Folge der in § 715b Abs. 4 BGB angeordneten materiellen Rechtskraftwirkung den klagenden Gesellschafter, die Gesellschaft unverzüglich über die Erhebung der Gesellschafterklage sowie die Lage des Rechtsstreits zu unterrichten und das Gericht über die Unterrichtung in Kenntnis zu setzen. Das Gericht hat auf eine unverzügliche Unterrichtung hinzuwirken. Dadurch soll die Gesellschaft in die Lage versetzt werden, die geeigneten prozessualen Konsequenzen aus der Erhebung der Gesellschafterklage zu ziehen.

Zu Absatz 4

Absatz 4 regelt in Anlehnung an § 148 Abs. 5 S. 1 AktG die Wirkung der Rechtskraft eines Urteils, das auf die Gesellschafterklage ergeht.

 Siehe auch 

Abberufung – Gesellschaftsrecht

Genossenschaft

Geschäftsführer

Gesellschaft des bürgerlichen Rechts

Gesellschaft mit beschränkter Haftung

Offene Handelsgesellschaft

Partnerschaftsgesellschaft

BGH 14.05.2013 – II ZR 176/10 (Schadensersatzanspruch des Gesellschafters an sich persönlich im Wege der actio pro socio wegen der Minderung des Werts seiner Beteiligung)

BGH 29.11.2004 – II ZR 14/03 (actio pro socio auf Auskunft und Schadensersatzleistung nach Bestellung eines Nachtragsliquidators)

BGH 04.11.2002 – II ZR 210/00 (actio pro socio im Liquidationsstadium)

BGH 15.01.2001 – II ZR 48/99 (Geltendmachen eines Zinsanspruchs im Wege der actio pro socio)

BGH 08.11.1999 – II ZR 197/98 (Beweislast bei der Klage wegen unberechtigter Entnahmen)

BGH 16.03.1998 – II ZR 303/96

BGH 13.05.1985 – II ZR 170/84

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