Rechtswörterbuch

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Zeugenvernehmung

 Normen 

§§ 394 ff. ZPO

§§ 58 f. StPO

§ 98 VwGO

§ 180 VwGO

 Information 

1. Einführung

Der Zeuge hat über die Wahrnehmung von Tatsachen Auskunft zu erteilen. Alle Tatsachen, die der Zeuge sinnlich wahrgenommen hat, zählen hierzu:

  • riechen

  • sehen

  • schmecken

  • hören

Beispiele:

Welche Farbe hatte der PKW? Erinnern Sie sich an das Kennzeichen?

In welcher Kiesgrube hat der Transporter den Schutt abgeladen?

Der Zeuge darf nicht dahin gehend vernommen werden, dass er Beurteilungen, Erfahrungen, Schlussfolgerungen oder Wertungen abgibt.

Beispiele:

Glauben Sie, dass die Betroffene aus dieser Sache gelernt hat?

Was meinen Sie, was der Betroffene damit bezweckt hat?

2. Zurückweisung der Zeugenvernehmung

Der BGH hat erneut die Voraussetzungen einer Zurückweisung der Zeugenvernehmung festgelegt (BGH 12.12.2018 - XII ZR 99/17):

"Die Zurückweisung einer beantragten Zeugenvernehmung wegen Ungeeignetheit des Beweismittels kommt nur ausnahmsweise in Betracht, wenn es völlig ausgeschlossen erscheint, dass diese Vernehmung sachdienliche Erkenntnisse erbringen kann; weder die Unwahrscheinlichkeit der Tatsache noch die Unwahrscheinlichkeit der Wahrnehmung der Tatsache durch den benannten Zeugen berechtigen den Tatrichter schon dazu, von der Beweisaufnahme abzusehen."

3. Ablauf der Zeugenvernehmung

Ablauf einer mündlichen Zeugenvernehmung:

  1. a)

    Mitteilung über den Sachverhalt

  2. b)

    Belehrung über Zeugnis- und Auskunftsverweigerungsrechte

  3. c)

    Belehrung zur wahrheitsgemäßen Aussage

  4. d)

    Vernehmung zur Person (Angabe der Personalien, Alter, Wohnort, Beruf)

    § 68 StPO regelt, welche Angaben Zeugen bei der Vernehmung zur Person tätigen müssen und legt hierfür als Grundsatz in Absatz 1 Satz 1 fest, dass sie zu "Vornamen, Nachnamen, Geburtsnamen, Alter, Beruf und Wohnort" zu befragen sind.

    In der Praxis bestand Uneinigkeit dazu, was - insbesondere bei der Befragung in der Hauptverhandlung - als "Wohnort" anzugeben ist.

    Um diese sich aus der Geltung des § 68 StPO für mehrere Verfahrensstadien ergebende Unklarheit über den Umfang der Befragung zu beseitigen, wurde in § 68 Abs. 1 Satz 1 StPO klargestellt, dass bei der Vernehmung eines Zeugen im Ermittlungsverfahren grundsätzlich die vollständige Anschrift festzustellen ist, während in der Hauptverhandlung und in richterlichen Vernehmungen in Anwesenheit des Beschuldigten die vollständige Anschrift von Zeugen grundsätzlich nicht abgefragt wird, sondern nur deren Wohn- oder Aufenthaltsort.

    § 68 Abs. 1 Satz 2 StPO sieht vor, dass ausnahmsweise bei Zweifeln über die Identität des Zeugen auch bei Befragungen in richterlichen Vernehmungen in Anwesenheit des Beschuldigten und in der Hauptverhandlung die vollständige Anschrift erfragt wird. Dies ist nach der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 19/27654) z.B. dann der Fall, wenn es bei Namensgleichheiten und damit verbundener Verwechslungsgefahr für die exakte Identifizierung des Zeugen in der Vernehmung auf dessen vollständige Anschrift ankommt. Auch bei bisher unbekannten, beispielsweise erstmals in der Hauptverhandlung auftretenden präsenten Zeugen ist es zur Feststellung von deren Identität erforderlich, die vollständige Anschrift zu erfragen.

  5. e)

    Vernehmung zur Sache

  6. f)

    Ausfertigung der Niederschrift

  7. g)

    Entschädigung des Zeugen

4. Audiovisuelle Zeugenvernehmung

Besteht die dringende Gefahr eines schwerwiegenden Nachteils für das Wohl des Zeugen, wenn er in Gegenwart der in der Hauptverhandlung Anwesenden vernommen wird, so kann das Gericht gemäß § 247a StPO anordnen, dass der Zeuge sich während der Vernehmung an einem anderen Ort aufhält.

Sowohl die Anordnung als auch die Ablehnung der Anordnung einer audiovisuellen Vernehmung ist unanfechtbar. Daher muss das Gericht im Rahmen der Entscheidung über einen Antrag auf audiovisuelle Vernehmung eine weitere Sachverhaltsaufklärung über das Gewicht der für die Gesundheit des Betroffenen drohenden Nachteile und den Grad der Gefahr ihrer Verwirklichung vornehmen, wenn konkrete Anhaltspunkte für eine posttraumatische Belastungsstörung des Betroffenen bestehen (BVerfG 27.02.2014 - 2 BvR 261/14).

5. Gegenüberstellung

Gemäß § 58 Abs. 2 StPO ist eine Gegenüberstellung mit anderen Zeugen oder mit dem Beschuldigten im Vorverfahren zulässig, wenn es für das weitere Verfahren geboten erscheint.

Mit der zum 05.09.2017 erfolgten Ergänzung wird bei einer Gegenüberstellung mit dem Beschuldigten dem Verteidiger die Anwesenheit gestattet. Von dem Termin ist der Verteidiger vorher zu benachrichtigen. Auf die Verlegung eines Termins wegen Verhinderung hat er keinen Anspruch. Dies gilt nach der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 18/9534) sowohl für Vernehmungsgegenüberstellungen als auch für Identifizierungsgegenüberstellungen.

Da die Regelung nur bei Gegenüberstellungen mit dem Beschuldigten greift, sind Wahllichtbildvorlagen auch weiterhin ohne Anwesenheit des Verteidigers möglich.

6. Zeugenentschädigung

Die Art und die Höhe der dem Zeugen zu zahlenden Entschädigung ist in den §§ 5 - 7 sowie 19 - 23 JVEG geregelt.

Zeugen, denen ein Verdienstausfall entsteht, erhalten gemäß § 22 JVEG eine Entschädigung, die sich nach dem regelmäßigen Bruttoverdienst einschließlich der vom Arbeitgeber zu tragenden Sozialversicherungsbeiträge richtet und für jede Stunde höchstens 21,00 EUR beträgt.

Dabei ist zu beachten, dass der in § 5 JVEG geregelte Fahrtkostenersatz grundsätzlich nur vom Ort der Ladung zum Ort der Zeugenvernehmung gezahlt wird.

Gemäß § 5 Abs. 5 JVEG sind die Fahrtkosten von oder zu einem anderen Ort erstattungsfähig, wenn dies der der zuständigen Stelle unverzüglich angezeigt wird und der Berechtigte zu diesen Fahrten durch besondere Umstände genötigt war. Dabei muss die Mitteilung immer zumindest vor dem Gerichtstermin erfolgen (AG Brandenburg 30.04.2019 - 31 C 88/16).

 Siehe auch 

Zeugenschutz

Zeugnisverweigerungsrecht

Hohnel: Audiovisuelle Zeugenvernehmung trotz Zeugenschutzprogramms?; Neue Juristische Wochenschrift - NJW 2004, 1356

Mehle/Linz: Mitschrift einer Zeugenvernehmung durch den Zeugenbeistand; Neue Juristische Wochenschrift - NJW 2014, 1160

Miebach: Die freie Beweiswürdigung der Zeugenaussage in der neueren Rechtsprechung des BGH; NStZ-Rechtsprechungsreport - NStZ-RR 2014, 233

Scholz: Die nicht glaubhafte Zeugenaussage; Der Strafverteidiger - StV 2004, 104