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Weisungsgebundenheit des Beamten

 Normen 

§ 61 BBG

§ 35 BeamtStG

BDG

Beamtengesetze der Länder

BT-Drs. 19/26839 (zu den am 07.07.2021 in Kraft getretenen Änderungen)

 Information 

1. Allgemein

Die in § 62 BBG bzw. den entsprechenden Vorschriften der Landesbeamtengesetze festgelegte Weisungsgebundenheit gegenüber seinem Vorgesetzten vepflichtet den Beamten, dienstliche Anordnungen und (Verwaltungs-)Richtlinien etc. zu befolgen.

Das in § 35 BeamtStG geregelte Weisungsrecht gilt nur für Anordnungen, die den Dienst, die Dienstausübung und das Dienstverhältnis betreffen.

Die Weisungsgebundenheit ist eng verbunden mit der sich aus Art. 33 Abs. 5 GG ergebenden Treuepflicht des Beamten.

2. Anordnungen, die in die persönliche Rechtsstellung eingreifen

2.1 Allgemein

Anordnungen, die den Beamten in seiner persönlichen Rechtsstellung im Rahmen des Beamtenverhältnisses betreffen, erfordern eine mittelbare oder unmittelbare gesetzliche Grundlage.

Beispiel:

"Das in Art. 75 Abs. 2 Satz 2 BayBG normierte Verbot für Polizeivollzugsbeamte, sich an Kopf, Hals, Händen und Unterarmen im sichtbaren Bereich tätowieren oder vergleichbar behandeln zu lassen, verletzt weder das allgemeine Persönlichkeitsrecht dieser Beamten noch verstößt es gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Denn dieses Verbot ist geeignet und erforderlich, das vom Gesetzgeber vorgegebene Ziel eines einheitlichen und neutralen Erscheinungsbildes der Polizei zu fördern" (BVerwG 14.05.2020 - 2 C 13/19).

Aber:

Das Bundesverfassungsgericht hat dieses Urteil für unwirksam erklärt (BVerfG 18.05.2022 - 2 BvR 1667/20):

"Dass unmittelbar in Art. 75 Abs. 2 S. 2 BayBG ein Verbot für Polizeibeamtinnen und -beamte geregelt ist, sich im sogenannten sichtbaren Bereich tätowieren zu lassen, lässt sich dem Wortlaut der Norm unter keinem denkbaren begrifflichen Ansatz entnehmen."

2.2 Anordnungen zum äußeren Erscheinungsbild

In dem zum 07.07.2021 mit neuem Inhalt gefüllten § 61 Abs. 2 BBG (der vormalige Absatz 2 ist jetzt Absatz 3) ist geregelt, inwieweit der Dienstherr dem Beamten Vorgaben zum äußeren Erscheinungsbild machen darf:

Hintergrund:

Das Bundesverwaltungsgericht hatte in seinem Urteil vom 17.11.2017 - 2 C 25/17 - entschieden, dass die Regelung des zulässigen Ausmaßes von Tätowierungen bei Beamtinnen und Beamten eine hinreichend bestimmte gesetzliche Ermächtigung voraussetzt. Anders als die Vorgabe, eine bestimmte Dienstkleidung zu tragen oder während der Dienstzeit Schmuckstücke abzulegen, greife das Verbot bestimmter Tätowierungen zwangsläufig auch in die private Lebensführung und damit in subjektive Rechte der Beamtinnen und Beamten ein.

Dieser Rechtsprechung des BVerwG wurde nun durch die Neuregelung des § 61 Abs. 2 BBG Rechnung getragen.

Inhalt der Vorgaben:

Nach § 61 Abs. 2 S. 2 BBG haben Beamte bei Ausübung des Dienstes oder bei einer Tätigkeit mit unmittelbarem Dienstbezug auch hinsichtlich ihres Erscheinungsbilds Rücksicht auf das ihrem Amt entgegengebrachte Vertrauen zu nehmen. Satz 2 enthält Beispiele hierfür.

Der neue § 61 Abs. 2 S. 4 BBG enthält eine Ermächtigungsgrundlage zur Einschränkung oder Untersagung von religiös oder weltanschaulich konnotierten Formen des Erscheinungsbilds (Bekenntnisfreiheit).

Tätigkeiten mit unmittelbarem Dienstbezug:

Tätigkeiten mit unmittelbarem Dienstbezug sind nach der Begriffsbestimmung in der BT-Drs. 19/26839 alle Tätigkeiten, die nicht in Ausübung des Dienstes erfolgen, jedoch in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der Dienstausübung stehen. Ein solcher unmittelbarer Zusammenhang liegt vor, wenn für einen objektiven Beobachter nach Würdigung der Gesamtumstände nicht erkennbar ist, ob der Beamte einer Tätigkeit in Ausübung seines Dienstes nachgeht oder nicht. Das wäre insbesondere dann anzunehmen, wenn der Beamte außerhalb seines Dienstes schon oder noch seine Dienstkleidung, beispielsweise auf dem Arbeitsweg, trägt oder wenn der Beamte in der Öffentlichkeit aufgrund oder unter Berufung auf sein Amt auftritt. Für einen objektiven Beobachter wäre es beispielsweise nicht möglich zu unterscheiden, ob ein uniformierter Polizist noch seinen Dienst ausübt oder bereits auf dem Heimweg ist, wenn diese Person uniformiert in der Öffentlichkeit gesehen wird. Des Weiteren wäre es für einen objektiven Beobachter nach Würdigung der Gesamtumstände nur schwer erkennbar, ob ein Polizeibeamter, der bei einer Podiumsdiskussion zum Thema Gewalt gegen Polizeibeamte in Ausübung seines Dienstes oder während seiner Freizeit als Privatperson auftritt.

Beispiele:

Im neuen § 61 Absatz 2 Satz 2 werden beispielhaft Merkmale des Erscheinungsbilds genannt, deren Zeigen eingeschränkt oder deren Tragen vollständig untersagt werden kann, soweit die Funktionsfähigkeit der Verwaltung oder die Pflicht zum achtungs- und vertrauenswürdigen Verhalten dies erfordern. Neben Arten und Erscheinungsformen bestimmter Kleidung, Symbolen, Formen der Haar- und Barttracht und Schmuck, worunter auch Piercings fallen, kann auch das Tragen bzw. Zeigen von Tätowierungen eingeschränkt oder ganz untersagt werden. Weitere denkbare Merkmale, welche unter die insoweit nicht abschließende Vorschrift subsumiert werden könnten, sind jegliche weitere - bei Ausübung des Dienstes sichtbare - Formen des Körperschmucks wie beispielsweise sogenannte Brandings, Mehndis, Bodypaintings, Dermal Implants, Cuttings oder Scars.

Sichtbarer Körperbereich:

Zum sichtbaren Körperbereich zählt der Bereich des Körpers, der von der Kleidung nicht abgedeckt wird. Für Polizeivollzugsbeamtinnen und -beamte ist hierbei die zu tragende Uniform als Maßstab anzusetzen. Wird hierfür die Sommeruniform zugrunde gelegt, handelt es sich beim sichtbaren Körperbereich der Polizeivollzugsbeamten um den Kopf, den Hals, die Hände und die Unterarme. Nicht von der Regelung umfasst sind solche Formen des Erscheinungsbilds, die mit bloßem Auge bei einem natürlichen Mindestabstand nicht erkennbar sind. Körpermodifikationen, die so klein sind, dass sie nicht ohne Weiteres zu erkennen sind, sind nicht dazu geeignet, die Funktion des Beamten in den Hintergrund zu drängen.

Untersagung:

Grundsätzlich kommt eine Untersagung nur bei Tätigkeiten mit Außenkontakt zu den Bürgern in Betracht. Allerdings kann die Funktionsfähigkeit der Verwaltung im Einzelfall auch dann beeinträchtigt sein, wenn der Betroffene zwar aktuell eine Tätigkeit ohne Außenkontakt ausübt, eine solche aber in der jeweiligen Laufbahn zu einem späteren Zeitpunkt ansteht oder in Betracht kommt. Bei dauerhaftem Körperschmuck (zum Beispiel bei Tätowierungen, die nicht ohne Eingriff in die körperliche Unversehrtheit entfernt werden können), kann die Entscheidung in diesem Fall unabhängig von der aktuell ausgeübten Funktion unter dem Aspekt der Verwendungsbreite innerhalb der jeweiligen Laufbahn zu treffen sein. Der Dienstherr muss sich die Möglichkeit offenhalten können, den Beamten auch zukünftig ohne Einschränkungen in allen Funktionen der jeweiligen Laufbahn einzusetzen.

Unverhältnismäßigkeit:

Ein vollständiges Verbot kann unverhältnismäßig sein, wenn Tätowierungen und vergleichbare Formen des Körperschmucks in praktikabler Weise abgedeckt werden können, die Einsatzfähigkeit des Beamten hierdurch nicht beeinträchtigt wird und die neutrale Amtsführung, die Achtung und der Respekt in die Handlungen und das Verhalten des Beamten durch die Gestaltung der Abdeckung nicht beeinträchtigt werden. Der Möglichkeit des Abdeckens kann es unter anderem entgegenstehen, wenn je nach Größe und Körperstelle ein Abdecken der Tätowierung einen ähnlichen, die amtliche Funktion optisch in den Hintergrund treten lassenden Effekt wie die Tätowierung selbst hätte. Das wäre beispielsweise bei einem großflächigen Abkleben des Halses oder des Gesichtes ebenso wie bei einer auffälligen farblichen Abklebung zu befürchten. Eine Pflicht zum Verbergen von Merkmalen des Erscheinungsbilds wie Tätowierungen oder anderem Körperschmuck besteht nicht, soweit ein Kontakt mit Bürgern, wie beispielsweise beim Dienstsport, ausgeschlossen ist. Die Einzelheiten können in einer Rechtsverordnung geregelt werden.

2.3 Dienstkleidung

Eine der Folgen der Weisungsgebundenheit ist die Verpflichtung zum Tragen der vorgeschriebenen Dienstkleidung. Ziel ist es, dass die Person des Beamten hinter der von ihm ausgeübten staatlichen Funktion zurücktreten soll. Dies beinhaltet die Pflicht, das durch die Uniform bezweckte äußere einheitliche Erscheinungsbild nicht wieder durch individuelle Gestaltungen z.B. der Haar- oder Barttracht oder von Tätowierungen in Frage zu stellen (OVG Rheinland-Pfalz 10.06.2005 - 2 A 10254/05).

3. Nichtbefolgung

Das Nichtbefolgen einer dienstlichen Anweisung oder Richtlinie kann ein Dienstvergehen darstellen, das ggf. mit einer disziplinarrechtliche Maßregelung nach dem Bundesdisziplinargesetz (für Bundesbeamte) bzw. nach den Landesdisziplinarordnungen (für die Beamten der Länder) geahndet wird.

Jedoch darf der Beamte nicht jede dienstliche Anweisung befolgen. Da er für die Rechtmäßigkeit seiner dienstlichen Handlungen grds. die volle persönliche Verantwortung trägt, muss er seine Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der Anordnungen unverzüglich gegenüber seinem Vorgesetzten und - für den Fall, dass dieser die Anordnung aufrechterhält - gegenüber dem nächsthöheren Vorgesetzten äußern. Selbst wenn die Anordnung durch den nächsthöheren Beamten bestätigt wird, kann er wegen des ihm aufgetragenen Verhaltens zur Verantwortung gezogen werden, nämlich dann, wenn er zuvor erkannt hatte, dass dieses Verhalten einen Straftatbestand erfüllen, eine Ordnungswidrigkeit darstellen oder einen Verstoß gegen die Würde des Menschen zur Folge haben würde (vgl. § 62 BBG).

 Siehe auch 

Abordnung eines Beamten

Beschäftigte im öffentlichen Dienst

Dienstvergehen

Direktionsrecht

Direktionsrecht - öffentlicher Dienst

Disziplinargerichte

Gesichtsverhüllung

Innerdienstliche Weisung

Umsetzung eines Beamten

Versetzung eines Beamten

BVerwG 19.06.2000 - 1 DB 13/00 (Weisung an Ruhestandsbeamten)

Günther: Der Beamte, seine Folgepflicht und die fachliche Weisung eines gekauften Vorgesetzten; Jura 2013, 672