Rechtswörterbuch

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Vormerkung

 Normen 

§§ 883 ff. BGB

§ 18 Abs. 2 GBO

 Information 

1. Vormerkung nach § 883 BGB (Auflassungsvormerkung)

1.1 Zweck der Vormerkung

Die Vormerkung dient der Sicherung eines schuldrechtlichen Anspruchs auf dingliche Rechtsänderung.

Hintergrund ist, dass nach der Rechtsordnung die Übertragung, Belastung, inhaltliche Änderung oder Aufgabe eines dinglichen Rechts neben dem schuldrechtlichen Vertrag die dingliche Einigung der Parteien und die Eintragung des Rechts in das Grundbuch erfordert. Die dingliche Einigung wird gleichzeitig mit der schuldrechtlichen Einigung erklärt, die Eintragung des Rechts erfolgt jedoch zumeist erst Monate nach dem Vertragsschluss. In der Zwischenzeit kann z.B. der Grundstückseigentümer sein Grundstück erneut verkaufen, und es kann zur (wirksamen) Eintragung des zweiten Käufers als Eigentümer in das Grundbuch kommen. Der erste Käufer hätte gegen den Verkäufer nur einen Anspruch auf Schadensersatz.

1.2 Wirkung der Vormerkung

Dieser Rechtsverlust kann durch die vorherige Eintragung einer Vormerkung vermieden werden. Aber die Vormerkung bewirkt keine absolute Verfügungs- und Grundbuchsperre. Grundsätzlich kann auch trotz der Eintragung einer Vormerkung ein Dritter als Inhaber eines das Grundstück betreffenden dinglichen Rechts eingetragen werden.

Folge der Eintragung einer Vormerkung ist vielmehr gemäß § 883 Abs. 2 BGB, dass eine später getroffene Verfügung insoweit unwirksam ist, als dass sie den Anspruch vereiteln oder beeinträchtigen würde (sog. relative Unwirksamkeit vormerkungswidriger Verfügungen). Der aus der Vormerkung Berechtigte hat dann gemäß § 888 BGB gegen den tatsächlich Eingetragenen einen vollstreckbaren Anspruch auf Zustimmung zur Eintragung seines durch die Vormerkung gesicherten Rechts.

Ist der vormerkungswidrig Eingetragene mit der Erfüllung des Zustimmungsanspruchs in Verzug, haftet er auf Ersatz des Verzögerungsschadens (BGH 04.12.2015 - V ZR 202/14).

Auch bestimmt sich der Rang eines Rechts an dem Grundstück nach dem Zeitpunkt der Eintragung der Vormerkung.

1.3 Voraussetzungen einer Vormerkung

Voraussetzungen einer wirksamen Vormerkung sind:

  • Bestehen eines wirksamen schuldrechtlichen Anspruchs auf eine dingliche Rechtsänderung.

  • Bewilligung der Vormerkung durch den Berechtigten oder einstweilige Verfügung gemäß § 885 BGB.

  • Eintragung in das Grundbuch (II. Abteilung gemäß § 10 GBVfg).

  • Berechtigung des Vormerkungsinhabers.

1.4 Anwendungsbereich

Der Anwendungsbereich des Sicherungsrechts der Vormerkung erstreckt sich auf alle Arten von dinglichen Ansprüchen: gegenwärtige, zukünftige, aus Rechtsgeschäft oder aufgrund eines gesetzlichen Anspruchs etc. Nicht gesichert werden können tatsächliche Erwerbsaussichten, wie z.B. zukünftige Ansprüche aus einem Erbvertrag.

Im Zeitpunkt der Eintragung der Vormerkung muss der Anspruch, zu dessen Sicherung die Vormerkung dienen soll, weder fällig noch begründet sein. Wird eine Vormerkung vor der Begründung des zu sichernden Anspruchs in das Grundbuch eingetragen, entsteht sie mit der Begründung des Anspruchs. Umgekehrt erlischt die Vormerkung trotz Fortbestehens ihrer Eintragung im Grundbuch mit dem Erlöschen des gesicherten Anspruchs (BGH 07.12.2007 - V ZR 21/07).

Die unabhängig von dem gesicherten Anspruch erfolgte oder fortbestehende Eintragung erlaubt es, eine erloschene Vormerkung durch einen neu begründeten Anspruch wieder "aufzuladen", oder eine wegen Scheiterns der Begründung des zu sichernden Anspruchs zunächst unwirksame Vormerkung zur Entstehung zu bringen (BGH 07.12.2007 - V ZR 21/07).

1.5 Akzessorietät

Die Vormerkung ist streng akzessorisch, d.h. sie besteht nur, wenn auch der schuldrechtliche Anspruch auf die dingliche Rechtsänderung wirksam ist. Sie kann nicht selbstständig übertragen werden. Mit der Abtretung der schuldrechtlichen Forderung geht auch die Vormerkung auf den Zessionar über. Eine Grundbuchumschreibung ist nicht notwendig.

1.6 Gutgläubiger Erwerb

Bei der Frage des gutgläubigen Erwerbs des dinglichen Rechts muss der Erwerber bis zur Eintragung der Vormerkung gutgläubig sein, eine nach diesem Zeitpunkt eintretende Bösgläubigkeit hindert den gutgläubigen Erwerb nicht mehr.

Der gutgläubige Erwerb der Vormerkung selbst ist möglich, soweit der der Vormerkung zugrunde liegende schuldrechtliche Anspruch wirksam besteht (BayObLG 05.08.1999 - 2 Z BR 35/99).

Beispiel:

Der Anspruch aus dem Grundstückskaufvertrag wurde wirksam abgetreten, zugunsten des Zessionars wurde versehentlich eine Vormerkung beantragt und eingetragen, der Verkäufer hatte aber keine Vormerkung bewilligt. Da der schuldrechtliche Anspruch besteht, hat der Zessionar die Vormerkung gutgläubig erworben.

1.7 Unrichtig gewordene Vormerkung

Eine Vormerkung wird nicht dadurch, dass die Bewilligung der Eintragung nachfolgen kann, zu einem abstrakten Sicherungsmittel der Art, dass der gesicherte Anspruch ohne Weiteres gegen einen anderen Anspruch ausgetauscht werden könnte.

Der BGH hat Grundsätze aufgestellt, unter welchen Voraussetzungen eine durch Erlöschen des Anspruchs unrichtig gewordene Eintragung einer Vormerkung wieder "werthaltig" gemacht werden kann ("Aufladung der Vormerkung"): Danach kann die stehen gebliebene Eintragung für die Neubegründung einer Vormerkung genutzt werden, wenn die nachfolgende (materiellrechtliche) Bewilligung dieser Eintragung inhaltlich entspricht. Ob das der Fall ist, lässt sich wegen der Akzessorietät der Vormerkung nicht ohne Berücksichtigung des gesicherten Anspruchs feststellen. Eintragung und (nachträgliche) Bewilligung müssen den gleichen sicherungsfähigen, auf dingliche Rechtsänderung gerichteten Anspruch betreffen (BGH 03.05.2012 - V ZB 258/11).

1.8 Erlöschen

Die Vormerkung erlischt

  • mit dem Erlöschen der Forderung,

  • mit der Aufgabeerklärung gemäß § 875 BGB.

1.9 Zwangsversteigerung

Eine (Auflassungs-)Vormerkung ist im Zwangsversteigerungsverfahren wie ein Recht der Rangklasse 4 des § 10 Abs. 1 ZVG zu behandeln. Ansprüche der Wohnungseigentümergemeinschaft, die die Zwangsversteigerung aus der Rangklasse 2 des § 10 Abs. 1 ZVG betreibt, sind gegenüber einer Auflassungsvormerkung stets vorrangig (BGH 09.05.2014 - V ZB 123/13).

1.10 Haftung des vormerkungswidrig Eingetragenen

Ist der vormerkungswidrig Eingetragene mit der Erfüllung des Zustimmungsanspruchs nach § 888 BGB in Verzug, haftet er auf Ersatz des Verzögerungsschaden (BGH 04.12.2015 - V ZR 202/14).

2. (Amts-)Vormerkung nach § 18 Abs. 2 GBO

Im Unterschied zur Vormerkung nach § 883 BGB, die der Sicherung eines privatrechtlichen Anspruchs des Berechtigten dient und von diesem zu beantragen ist, handelt es sich bei der Vormerkung nach § 18 Abs. 2 GBO um eine von dem Grundbuchamt erlassene Vormerkung.

Gemäß § 17 GBO sind die dasselbe Recht an einem Grundstück betreffenden Eintragungen in der zeitlichen Reihenfolge ihres Eingangs zu bearbeiten. In der Praxis kommt es dadurch jedoch oftmals zu Durchführungsschwierigkeiten bzw. Verzögerungen, insbesondere wenn für den erstgestellten Antrag noch ein (nicht schwerwiegendes) Eintragungshindernis vorliegt und das Grundbuchamt zunächst eine Zwischenverfügung gemäß § 18 Abs. 1 GBO zur Behebung des Eintragungshindernisses erlassen hat. Der später eingehende Antrag kann dann bis zur Behebung des Eintragungshindernisses nicht bearbeitet werden.

Zur Lösung dieses Problems und zum Schutz des Rechtsinhabers kann das Grundbuchamt gemäß § 18 Abs. 2 GBO eine Vormerkung eintragen. Mit der Eintragung der Vormerkung wird der erste Antrag fiktiv bearbeitet. Folge ist, dass der später eingehende Antrag bearbeitet werden kann, ohne dass der Grundsatz des § 17 GBO verletzt wird.

Voraussetzungen der Amtsvormerkung sind:

  1. a)

    Für die Bearbeitung eines Antrags liegt ein Eintragungshindernis vor.

  2. b)

    Es wurde ein das gleiche Recht betreffender weiterer, zeitlich später eingehender Antrag gestellt.

  3. c)

    Für diesen zweiten Antrag liegt kein Eintragungshindernis vor.

  4. d)

    Es ist kein die Eintragung einer Amtsvormerkung ausschließender Ausnahmefall gegeben:

    • Der später eingehende Antrag beinhaltet einen Löschungsantrag.

    • Mit der Bearbeitung des ersten Antrags würde für den später eingehenden Antrag ein Eintragungshindernis entstehen.

Anstelle der Amtsvormerkung kann gemäß § 18 Abs. 2 GBO ein Widerspruch eingetragen werden. Die Amtsvormerkung kommt bei einer rechtsändernden Eintragung, der Widerspruch bei einer berichtigenden Eintragung in Betracht.

Die Eintragung der Amtsvormerkung kann mit der Grundbuchbeschwerde angegriffen werden.

 Siehe auch 

Beleihung von Grundstücken

Grundbuch - Rang der Rechte

Grundbuchbeschwerde

Grundstückskaufvertrag

BGH 22.01.2009 - IX ZR 66/07 (Löschung der Vormerkung ohne Rückzahlung des Kaufpreises in der Insolvenz)

Böttcher: Schicksal der Auflassungsvormerkung unter dem Wohngeld-Vollstreckungsprivileg; Neue Juristische Wochenschrift - NJW 2014, 3404

Heinemann: Kölner Formularbuch Grundstücksrecht; 2. Auflage 2016

Jung: Bedeutung der Vormerkung im Rahmen des § 876 S. 2 BGB i.V.m. § 21 GBO; Rechtspfleger - Rpfleger 2000, 372

Kersten/Bühling: Formularbuch und Praxis der Freiwilligen Gerichtsbarkeit; 25. Auflage 2016

Kesseler: Segen und Fluch der "Wiederverwendbarkeit" einer Vormerkung; Neue Juristische Wochenschrift - NJW 2012, 2765

Kesseler: Die Löschung der Vormerkung bei Verträgen mit Testamentsvollstreckern und Insolvenzverwaltern; Zeitschrift für die NotarPraxis - ZNotP 2008, 117

Kesseler: Das Missverständis um die Rechtsnatur der Zustimmung nach § 888 I BGB; Neue Juristische Wochenschrift - NJW 2010, 3341

Meikel: GBO Grundbuchordnung - Kommentar; 11. Auflage 2016

Stadtler: Die Vormerkungsfähigkeit bedingter und künftiger Rückübertragungsansprüche; Jura 1998, 189

Zimmer: Neue Eigentumsvormerkung ohne neue Eintragung?, Neue Juristische Wochenschrift - NJW 2000, 2978