Rechtswörterbuch

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Teilzeitarbeit - Diskriminierungsverbot

 Normen 

§ 4 TzBfG

 Information 

1. Grundsatz

Gesetzlich geregeltes Verbot der Schlechterstellung teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer (Teilzeitarbeit).

Teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer dürfen gemäß dem in § 4 Abs. 1 S. 1 TzBfG normierten allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz nicht schlechter gestellt werden als vergleichbare vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer. Eine Ausnahme besteht, wenn ein sachlicher Grund, der sich auf die unterschiedliche Länge der Arbeitszeit stützt, für die Ungleichbehandlung angeführt werden kann.

Eine Ungleichbehandlung wird insbesondere dann angenommen, wenn Anknüpfungspunkt für eine Differenzierung die Dauer der Arbeitszeit ist, also allein die Unterschreitung einer bestimmten Arbeitszeitdauer zum Ausschluss von einer begünstigenden Regelung führt. Eine Ungleichbehandlung kann auch darin liegen, dass teilbeschäftigte Arbeitnehmer in größerem Umfang verpflichtet werden als vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer (LAG München 15.05.2014 - 2 Sa 1/14).

2. Einzelfälle

Vergütung darf insgesamt nur anteilig gekürzt werden:

Der teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer hat gemäß § 4 Abs. 1 S. 2 TzBfG einen Anspruch auf eine seiner Arbeitsverringerung entsprechende anteilige Vergütung einschließlich der zusätzlichen Vergütungsbestandteile wie Sonderzahlungen (pro-rata-temporis-Grundsatz). Vergleichsmaßstab ist das niedrigste Gehalt des vergleichbaren vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers.

Aber auch hier kann ein sachlicher Grund eine Ungleichbehandlung, d.h. eine anteilsmäßige geringere Vergütung, rechtfertigen. Sachliche Gründe können z.B. unterschiedliche Qualifikationen oder Berufserfahrungen eines generell mit dem Teilzeitarbeitnehmer vergleichbaren vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers sein.

Gewährt der Arbeitnehmer eine betriebliche Altersvorsorge, so steht diese (anteilig) auch den Teilzeitbeschäftigten des Betriebes zu.

Teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer, die ständig Schicht- und Wechselschichtarbeit leisten, haben dementsprechend keinen Anspruch auf die tarifliche Schicht- und Wechselschichtzulage in voller Höhe (BAG 24.09.2008 - 10 AZR 634/07).

Anzahl der Rufbereitschaften:

Die Regelung in einer Betriebsvereinbarung, dass jeder Mitarbeiter jährlich sieben Rufbereitschaften zu leisten hat, ist wirksam. Sie führt nicht zu einer schlechteren Behandlung von teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmern als vergleichbare vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer (LAG München 15.05.2014 - 2 Sa 1/14).

Aber dies sieht das LAG Berlin-Brandenburg anders: Es besteht eine Benachteiligung eines Teilzeitarbeitnehmers, wenn er die gleiche Anzahl Wochenenddienste leisten muss wie ein Vollzeitbeschäftigter (LAG Berlin-Brandenburg 20.08.2015 - 26 Sa 2340/14).

Schlechterstellung erst im Laufe des Arbeitsverhältnisses:

Droht erst im Laufe des Vertragsverhältnisses einem teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer aufgrund unterschiedlicher Vertragsgestaltung des Arbeitgebers bei Voll- und Teilzeitbeschäftigten eine schlechtere Behandlung, ist der Arbeitgeber verpflichtet, den Teilzeitbeschäftigten so zu stellen, dass eine schlechtere Behandlung unterbleibt. Unterlässt der Arbeitgeber das zur Verhinderung (oder Beseitigung) einer verbotenen schlechteren Behandlung Erforderliche, macht er sich ggf. schadensersatzpflichtig (BAG 14.12.2011 - 5 AZR 457/10).

Überstunden / Mehrarbeitszuschlag:

Die Frage, ob eine tarifvertragliche Bestimmung, nach der ein Anspruch auf Mehrarbeitszuschläge erst besteht, wenn die für eine Vollzeittätigkeit maßgebliche Stundenzahl überschritten wird, gegen § 4 Abs. 1 TzBfG verstößt, wird derzeit von den Senaten des Bundesarbeitsgerichts unterschiedlich beurteilt:

  • 10. Senat: Der Anspruch auf den Überstundenzuschlag besteht mit dem Überschreiten der individuellen Arbeitszeit (BAG 19.12.2018 - 10 AZR 231/18).

  • Der sechste Senat des BAG hat wieder eine ganz andere Meinung:

    "Leisten Teilzeitbeschäftigte Mehrarbeit iSd. § 7 Abs. 6 TVöD-K, sind diese Arbeitsstunden nicht nach § 8 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Buchst. a TVöD-K zuschlagspflichtig. Dies stellt weder eine Verletzung des Gleichheitssatzes des Art. 3 GG noch eine Diskriminierung wegen der Teilzeit oder des Geschlechts dar" (BAG 15.10.2021 - 6 AZR 253/19).

  • Der achte Senat des Bundesarbeitsgerichts hält sich aus dem Streit raus und hat dem EuGH die Frage vorgelegt, ob eine nationale tarifvertragliche Regelung, nach der die Zahlung von Überstundenzuschlägen nur für Arbeitsstunden vorgesehen ist, die über die regelmäßige Arbeitszeit eines vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers hinaus gearbeitet werden, eine Ungleichbehandlung von Vollzeitbeschäftigten und Teilzeitbeschäftigten enthält (BAG 28.10.2021 - 8 AZR 370/20).

3. Schadensersatz

Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 AGG ist der Arbeitgeber bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot verpflichtet, den hierdurch entstandenen Vermögensschaden zu ersetzen. Nach § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG kann der oder die Beschäftigte wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen.

"Bei der Bestimmung der angemessenen Entschädigung für einen erlittenen immateriellen Schaden steht den Tatsachengerichten nach § 15 Abs. 2 AGG ein weiter Ermessensspielraum zu, innerhalb dessen sie die Besonderheiten jedes einzelnen Falls zu berücksichtigen haben." Aber:

"Die Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG muss einen tatsächlichen und wirksamen rechtlichen Schutz der aus den Antidiskriminierungsrichtlinien des Unionsrechts hergeleiteten Rechte gewährleisten. Die Härte der Sanktion muss der Schwere des Verstoßes entsprechen, indem sie insbesondere eine wirklich abschreckende Wirkung gegenüber dem Arbeitgeber gewährleistet, zugleich aber den allgemeinen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahrt" (BAG 28.10.2021 - 8 AZR 371/20).

 Siehe auch 

Gleichbehandlungsgrundsatz

Teilzeitarbeit

Teilzeitarbeit - Erhöhung der Arbeitszeit

Teilzeitarbeit - Öffentlicher Dienst

Teilzeitarbeit - Verteilung der Arbeitszeit

BAG 18.03.2003 - 9 AZR 126/02 (Vorliegen einer Diskriminierung, wenn Anspruch auf Arbeitszeitverringerung nur für Vollzeitbeschäftigte)

BAG 21.06.2000 - 5 AZR 806/98 (Lohngleichheit keine allgemeingültige Anspruchsgrundlage)

Sievers: TzBfG. Kommentar; 7. Auflage 2022