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Tarifautomatik - öffentlicher Dienst

 Normen 

§ 12 TVöD

§ 12 TV-L

 Information 

1. Grundsatz der Tarifautomatik

Als Tarifautomatik des öffentlichen Dienstes wird der Grundsatz der Zuordnung des Arbeitnehmers des öffentlichen Dienstes zu einer tariflichen Entgeltgruppe bezeichnet, d.h. nach den Grundsätzen der Eingruppierung gemäß § 12 TVöD / § 12 (Bund) TVöD / §§ 12 f. TV-L:

Danach ist der Arbeitnehmer automatisch in die Entgeltgruppe eingruppiert, deren Tätigkeitsmerkmale die gesamte, von dem Angestellten nicht nur vorübergehend auszuübende Tätigkeit entspricht.

Die Zuordnung zu einer Entgeltgruppe erfolgt aufgrund des Grundsatzes der Tarifautomatik somit zwingend aus der auszuübenden Tätigkeit. Ist dem Arbeitnehmer entgegen der tariflichen Vorgaben eine andere, d.h. unrichtige Entgeltgruppe zugeteilt, kann er grundsätzlich ohne den Ausspruch einer Änderungskündigung rückgruppiert werden (wenn zu hoch) bzw. er hat einen Anspruch auf Höhergruppierung (wenn zu niedrig).

Ausnahmen von der Tarifautomatik bestehen wie folgt:

2. Bedeutung der Nennung der Entgeltgruppe im Arbeitsvertrag

2.1 Allgemein

In jedem Arbeitsvertrag mit einem dem Tarifrecht unterliegenden Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes wird die Entgeltgruppe genannt, nach der der Arbeitnehmereingruppiert ist. Die Nennung der Entgeltgruppe im Arbeitsvertrag kann jedoch unterschiedliche Bedeutungen aufweisen:

  1. a)

    Entweder die Entgeltgruppe ist individuell zwischen den Parteien vereinbart

    oder

  2. b)

    es handelt sich um eine Inbezugnahme auf das jeweilige tarifvertragliche Vergütungssystem (Tarifliche Inbezugnahmeklausel).

Der Nachweis der vom Arbeitnehmer zu leistenden Tätigkeit i.S.v. § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 NachwG, die vom Arbeitgeber kurz zu charakterisieren oder zu beschreiben ist, muss bei Arbeitgebern des öffentlichen Dienstes nicht notwendig durch Angabe der Entgeltgruppe erfolgen, der die Tätigkeit des Arbeitnehmers entspricht. Vielmehr kann der Nachweis auch mittels einer dem Arbeitnehmer übergebenen Stellenbeschreibung erbracht werden (BAG 08.06.2005 - 4 AZR 406/04).

2.2 Nennung der Entgeltgruppe bei Inbezugnahme auf das jeweilige tarifvertragliche Vergütungssystem

Der Arbeitnehmer kann grundsätzlich aus der Bezeichnung einer konkreten Entgeltgruppe im Arbeitsvertrag keinen Anspruch herleiten:

Beispiel:

Übliche Formulierung im Arbeitsvertrag: "Der Arbeitnehmer ist in die Entgeltgruppe 8 TVöD-VKA eingruppiert."

Zuletzt mit dem Urteil BAG 27.04.2021 - 9 AZR 343/20 hat die Rechtsprechung diesen Grundsatz wir folgt begründet:

"Im öffentlichen Dienst ist die Bezeichnung der Entgeltgruppe in dem Arbeitsvertrag oder in einer Eingruppierungsmitteilung grundsätzlich nicht dahin zu verstehen, dass dem Beschäftigten ein eigenständiger, von den Tarifbestimmungen unabhängiger arbeitsvertraglicher Anspruch auf die angegebene, ggf. übertarifliche Vergütung zustehen soll. Vielmehr wird damit nur wiedergegeben, welche Vergütungsgruppe der Arbeitgeber bei Anwendung der maßgeblichen Eingruppierungsbestimmungen als zutreffend ansieht. Ohne Hinzutreten weiterer Umstände kann ein Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes der Angabe der Vergütungsgruppe eine solche Bedeutung schon deshalb nicht entnehmen, weil der Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes grundsätzlich keine übertarifliche Vergütung, sondern nur das gewähren will, was dem Arbeitnehmer tarifrechtlich zusteht (vgl. BAG 21.08.2013 - 4 AZR 656/11). Bei einem tariflichen Eingruppierungssystem, das den Grundsätzen der Tarifautomatik folgt, ist die Eingruppierung ein Akt der Erkenntnis und der Rechtsanwendung des Arbeitgebers ohne rechtsgestaltende Wirkung. Sie erschöpft sich in der (gedanklichen) Zuordnung der Tätigkeit zu einer in Betracht kommenden Entgeltgruppe und ist insoweit die Kundgabe einer Rechtsansicht (vgl. BAG 22.10.2020 - 6 AZR 74/19)."

Nach der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung handelt es sich hierbei nur um eine deklaratorische, d.h. rechtsdarstellende Wirkung. Es soll zum Ausdruck gebracht werden, dass sich die Vergütung nach den Regeln des Tarifrechts bestimmt, d.h. nach der Tarifautomatik des öffentlichen Dienstes zu bestimmen ist (BAG 01.09.1982 - 4 AZR 951/79).

Dies gilt schon allein deshalb, da ein Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes grundsätzlich keine übertarifliche Vergütung, sondern nur das gewähren will, was dem Arbeitnehmer tarifrechtlich zusteht. Nicht zuletzt sind die Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes gemäß § 7 BHO / § 7 LHO zur sparsamen Bewirtschaftung der Haushaltsmittel verpflichtet und daher kann der Anspruch des Arbeitnehmers sich nur auf das erstrecken kann, was ihm tarifrechtlich zusteht.

Auch die Falschbezeichnung der von dem Arbeitnehmer auszuübenden Tätigkeit begründet keinen Anspruch auf die dieser Bezeichnung entsprechenden tariflichen Tätigkeit (BAG 21.02.2007 - 4 AZR 187/06).

Zur Begründung eines Anspruchs auf eine konkrete Entgeltgruppe ist eine konstitutive, d.h. rechtsbegründende Wirkung, erforderlich. Mit der Nennung einer bestimmten Entgeltgruppe bringen die Parteien nur zum Ausdruck, welche Entgeltgruppe sie für richtig erachten. Dabei können sie jedoch einem Irrtum unterliegen, der ggf. den Arbeitgeber zur Rückgruppierung berechtigt.

2.3 Individuelle Vereinbarung einer Entgeltgruppe

In Einzelfällen kann sich jedoch nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ein Anspruch auf die vereinbarte Entgeltgruppe ergeben. Voraussetzungen sind, dass sich nach der Auslegung des Vertrages nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte und den Vorstellungen der Parteien bei Vertragsabschluss hinreichende Indizien für eine entsprechende Vereinbarung ergeben (BAG 21.10.1992 - 4 AZR 156/92).

Beispiel:

Die Vertragsparteien haben neben der Entgeltgruppe auch die entsprechende Fallgruppe angegeben sowie den schriftlichen Hinweis, dass die tariflichen Voraussetzungen insoweit vorliegen würden.

Nach dem Urteil BAG 16.05.2002 - 8 AZR 460/01 kann die Angabe der Entgeltgruppe im Arbeitsvertrag ausnahmsweise auch dann eine rechtsbegründende Wirkung haben, wenn kein Eingruppierungssystem mit abstrakten Tätigkeitsmerkmalen auf das Rechtsverhältnis Anwendung findet oder dieses hinsichtlich der Tätigkeit bzw. der Ausbildung des Stelleninhabers lückenhaft ist. Grundlage des Rechtsstreits war die Eingruppierung eines Lehrers nach dem BAT-Ost.

Diese Rechtsprechung wurde mit dem Urteil BAG 22.07.2004 - 8 AZR 203/03 bestätigt.

Die Vereinbarung einer Entgeltgruppe im Arbeitsvertrag hat u.a. folgende Auswirkungen auf das Arbeitsverhältnis:

  • Eine Rückgruppierung kann nur im Wege einer Änderungskündigung durchgeführt werden.

  • Der Arbeitnehmer kann sich trotz der konkreten Vereinbarung auf die Erfüllung der Voraussetzungen einer höheren Entgeltgruppe berufen (BAG 05.07.2006 - 4 AZR 555/05).

3. Zweifel bei der Auslegung

Kann die arbeitsvertragliche Verweisung nicht eindeutig ausgelegt werden, so gehen verbleibende Zweifel gemäß § 305c Abs. 2 BGB zulasten des Arbeitgebers (BAG 09.11.2005 - 5 AZR 128/05).

4. Keine Eingruppierung und keine Entgeltgruppe im Arbeitsvertrag

Sieht der zuständige Tarifvertrag keine Eingruppierung vor und ist eine Eingruppierung nicht im Arbeitsvertrag geregelt, so ist die übliche Vergütung zu zahlen. Siehe insofern den Beitrag "Eingruppierung".

 Siehe auch 

Beschäftigte im öffentlichen Dienst

Eingruppierung

Rückgruppierung

BAG 27.08.2008 - 4 AZR 485/07

BAG 08.10.1997 - 4 AZR 167/96 - Korrigierende Rückgruppierung des Arbeitgebers

BAG 22.04.1998 - 4 AZR 760/96 - Nennung der Vergütungsgruppe keine eigenständige Vergütungsvereinbarung

BAG 05.05.1999 - 4 AZR 360/98 - Keine Tätigkeitsänderung durch unzuständigen Vorgesetzten

BAG 25.10.1995 - 4 AZR 495/94 - Nennung der Vergütungsgruppe unterliegt der Auslegung

LAG Düsseldorf 06.03.2007 - 8 Sa 1245/06 - Tarifautomatik und Unkündbarkeit

Richter/Gamisch: Eingruppierung im kirchlichen Dienst; Loseblattwerk

Richter/Gamisch: Am Anfang steht der "Arbeitsvorgang" - Systematisierung und aktuelle Rechtsprechung; Recht im Amt - RiA 2008, 145