Rechtswörterbuch

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Seefrachtvertrag

 Normen 

§§ 481 ff. HGB

 Information 

1. Einführung

Zu den Seefrachtverträgen zählt der Stückgutfrachtvertrag und den Reisefrachtvertrag. Nicht zu den Seefrachtverträgen zählt die Schiffsmiete (Bareboat Charter) und die Zeitcharter. Denn bei diesen Verträgen steht nicht die Beförderung von Gütern im Vordergrund, sondern die Überlassung eines Schiffes.

Bei Seetransporten muss jedoch wegen der vielfältigen möglichen Auslandsbezüge stets besonders geprüft werden, welche Rechtsordnung nach Internationalen Privatrecht überhaupt zur Anwendung kommt. Eine weitgehend einheitliche Prägung hat das internationale Seetransportrecht durch die Haager Regeln (Abkommen von 1924 über "bestimmte Regeln betreffend Konnossemente" je nach Fassung "Haager Regeln" oder "Haag-Visbyer Regeln") erfahren.

Die folgenden Ausführungen beziehen sich auf den in den §§ 481 ff. HGB geregelten Stückgutfrachtvertrag.

2. Inhalt und Reichweite des Vertrages

§ 481 Abs. 1 HGB regelt die Leistungspflichten des Verfrachters aus dem Stückgutfrachtvertrag. Der Verfrachter wird verpflichtet, das Gut über See zum Bestimmungsort zu befördern und dort dem Empfänger abzuliefern.

Mit den Worten "über See" wird gleichzeitig auch eine Abgrenzung zur Beförderung auf Binnengewässern vorgenommen. Maßgeblich ist nach Absatz 1 allein, ob die Beförderung auf einem Seegewässer oder einem Binnengewässer stattfindet. Dagegen kommt es nicht darauf an, ob die Beförderung mit einem Seeschiff oder einem Binnenschiff durchgeführt wird. Wird die Beförderung sowohl auf einem Seegewässer als auch auf einem Binnengewässer durchgeführt, beantwortet sich die Frage, ob die allgemeinen frachtrechtlichen Regelungen zur Anwendung gelangen oder die Regelungen über den Stückgutfrachtvertrag, nach § 450 HGB.

§ 481 Abs. 3 HGB sieht vor, dass die Vorschriften über den Stückgutfrachtvertrag nur gelten, wenn die Beförderung zum Betrieb eines gewerblichen Unternehmens gehört. Unmaßgeblich ist, ob der Verfrachter Kaufmann ist.

3. Angaben zum Beförderungsgut

Es besteht eine Pflicht des Befrachters, dem Verfrachter vor Übergabe des Gutes die für die Durchführung der Beförderung erforderlichen Angaben zum Gut, insbesondere in Textform Angaben über Maß, Zahl oder Gewicht sowie über Merkzeichen und Art des Gutes zu machen.

Diese Pflicht wird zudem auf einen vom Befrachter benannten Dritten erstreckt, der dem Verfrachter das Gut zur Beförderung übergibt. Dritter ist nur eine Person, die die dem Befrachter obliegende Abladung als eigene Leistung erbringt. Dritter ist dagegen nicht, wer als Vertreter des Befrachters auftritt oder als Mitarbeiter des Befrachters das Gut übergibt. Unter die Vorschrift fällt damit etwa der fob-Verkäufer in einem überseeischen Abladegeschäft, der in Erfüllung des zwischen dem fob-Käufer und dem Verfrachter abgeschlossenen Seefrachtvertrags dem Verfrachter das Gut zur Beförderung übergibt.

4. Besonderheiten bei gefährlichen Gütern

Die Leistungspflicht des Befrachters und eines Dritten bei der Beförderung gefährlicher Güter ist in § 483 HGB geregelt: Danach haben sowohl der Befrachter als auch der Dritte (s.o.) dem Verfrachter rechtzeitig in Textform die genaue Art der Gefahr und gegebenenfalls zu ergreifende Vorsichtsmaßnahmen mitzuteilen.

§ 483 Abs. 2 HGB regelt die Rechte des Verfrachters, wenn er gefährliches Gut übernommen hat und sich dieses Gutes entledigen will.

Der Verfrachter darf, wenn er gefährliches Gut in Unkenntnis der Art der Gefahr übernommen hat, dieses gefährliche Gut ausladen, einlagern, zurückbefördern oder - soweit erforderlich - vernichten oder unschädlich machen. Die Auswahl der konkret zu ergreifenden Maßnahme hat der Verfrachter grundsätzlich nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verhältnismäßigkeit zu treffen. Schadensersatzansprüche des Befrachters, des Empfängers oder eines zum Empfang des Gutes legitimierten Inhabers des Konnossements werden hierdurch nicht ausgelöst, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind. Dies gilt jedoch nur dann, wenn auch dem Kapitän und dem Schiffsagenten des Verfrachters die Gefährlichkeit des Gutes unbekannt war.

5. Verpackung

Der Befrachter hat gegenüber dem Verfrachter zur ausreichenden Verpackung und, soweit erforderlich, zur Kennzeichnung des Gutes zu sorgen. Zudem besteht die Verpflichtung, dass in den Fällen, in denen Gut in einem Container, auf einer Palette oder in oder auf einem sonstigen Lademittel zur Beförderung übergeben wird, das Gut in oder auf dem Lademittel beförderungssicher zu verstauen und zu befestigen ist.

6. Abladen. Verladen. Umladen. Löschen

§ 486 HGB regelt, welche Partei zum Verladen und zum Löschen verpflichtet ist, innerhalb welcher Zeit das Gut abzuladen ist, ob der Verfrachter zum Umladen des Gutes berechtigt ist und unter welchen Voraussetzungen der Verfrachter Gut auf Deck verladen darf. Die Rechtsfolgen, die sich aus einer Verletzung der genannten Rechte und Pflichten ergeben, werden in den nachfolgenden Vorschriften geregelt.

Der Befrachter hat die Abladung zu bewirken:

  • Durch die Formulierung "zu bewirken" soll klargestellt werden, dass den Befrachter vorbehaltlich abweichender Vereinbarung keine Verpflichtung zur Abladung der Güter trifft, aber die Leistungserbringung durch den Verfrachter von einer Handlung des Befrachters abhängig ist.

  • Unter dem Begriff "Abladung" ist die Übergabe des Gutes an den Verfrachter zur Beförderung zu verstehen ist. Welche Folgen sich daraus ergeben, dass der Befrachter die Abladung nicht rechtzeitig bewirkt, wird in § 490 HGB geregelt: Danach kann der Verfrachter den Vertrag kündigen oder lediglich den Teil der Ladung, die bereits verladen wurde, befördern. Einen Anspruch auf Liegegeld räumt das Gesetz dagegen dem Verfrachter nicht ein.

§ 486 Abs. 2 HGB verpflichtet den Verfrachter, das Gut zu laden, zu stauen und zu befestigen - insgesamt als "verladen" definiert - sowie zu löschen. Schuldner der Lade- und Löschpflicht ist nicht der Absender/Befrachter, sondern der Verfrachter. Damit wird berücksichtigt, dass in der Seeschifffahrt, anders als bei Landtransporten, regelmäßig der Verfrachter das Gut zu verladen und zu löschen hat.

Der Verfrachter ist berechtigt, das Gut umzuladen. Voraussetzung ist aber, dass sich das Gut in einem Container befindet. Container im Sinne dieser Vorschrift ist dabei nicht nur der geschlossene Container, sondern auch der Container, bei dem einzelne Seiten offen sind oder, wie etwa beim sogenannten flat rack, gänzlich fehlen.

7. Haftung des Befrachters und Dritter

§ 488 HGB regelt die Haftung des Befrachters und der bei der Abladung eingeschalteten Dritten für bestimmte Pflichtverletzungen und unzureichende Informationen.

Die Vorschrift sieht bei Verletzung bestimmter Pflichten des Befrachters und des Dritten aus dem Stückgutfrachtvertrag eine unbeschränkte Haftung des Befrachters gegenüber dem Verfrachter für vermutetes Verschulden vor. Er knüpft dabei an die seefrachtrechtlichen Sonderregelungen an, die die Pflichten des Befrachters umschreiben. Hierbei handelt es sich um die Pflicht, die für die Durchführung der Beförderung erforderlichen Angaben zum Gut zu machen, bei gefährlichem Gut über die Art der Gefahr und gegebenenfalls zu ergreifende Vorsichtsmaßnahmen zu unterrichten, das Gut zu verpacken und zu kennzeichnen und dem Verfrachter alle Urkunden zur Verfügung zu stellen und Auskünfte zu erteilen, die für eine amtliche Behandlung erforderlich sind.

Wenn ein Konnossement ausgestellt wurde, besteht eine verschärfte Haftung: Beide sollen verschuldensunabhängig und der Höhe nach unbeschränkt für Schäden und Aufwendungen haften, die dem Verfrachter durch die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der in das Konnossement aufgenommenen Angaben über Maß, Zahl oder Gewicht sowie über Merkzeichen des Gutes oder durch das Unterlassen der Mitteilung über die Gefährlichkeit des Gutes entstanden sind.

Die Haftung des Befrachters und des Abladers nach den § 488 Abs. 1 - 3 HGB kann grundsätzlich nicht ausgeschlossen werden kann. Eine Ausnahme von dem Verbot, die Haftung auszuschließen, gilt nur, wenn eine Vereinbarung getroffen wird, die im Einzelnen ausgehandelt wird. Möglich ist es jedoch, dass die Vertragsparteien die Haftung des Befrachters oder Abladers der Höhe nach beschränken.

8. Haftung des Verfrachter

In § 498 HGB ist die Haftung des Verfrachter geregelt für den Schaden, der durch Verlust oder Beschädigung des Gutes in der Zeit von der Übernahme zur Beförderung bis zur Ablieferung entsteht. Nicht ausdrücklich gesetzlich geregelt ist die Haftung des Verfrachters für durch Überschreitung der Lieferfrist entstehende Schäden. Der Schadensersatzanspruch für diese Schäden richtet sich nach den dispositiven Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs über den Schuldnerverzug.

9. Rechte des Verfrachters bei säumiger Abladung

Wenn die Abladung innerhalb der vertraglich vereinbarten Zeit nicht oder nicht vollständig bewirkt wird, kann der Verfrachter dem Befrachter gemäß § 490 HGB eine Nachfrist setzen. Abweichend vom allgemeinen Frachtrecht hat der Befrachter das Gut nicht auch zu verladen. Hierfür ist der Verfrachter verantwortlich.

Wird das Gut bis zum Ablauf der nach Absatz 1 gesetzten Frist nicht abgeladen oder ist offensichtlich, dass die Abladung innerhalb dieser Frist nicht bewirkt werden wird, so kann der Verfrachter den Vertrag kündigen und die Ansprüche nach § 489 Abs. 2 HGB geltend machen.

Wird das Gut bis zum Ablauf der nach Absatz 1 gesetzten Frist nur teilweise abgeladen, so kann der Verfrachter den bereits verladenen Teil des Gutes befördern und die volle Fracht sowie Ersatz der Aufwendungen verlangen, die ihm durch das Fehlen eines Teils des Gutes entstehen.

10. Seefrachtbrief

Ein Seefrachtbrief (Linerway Bill, Seaway Bill) ist der Nachweis des Abschlusses des Seefrachtgeschäfts.

Das Recht des Seefrachtbriefs ist mit der im April 2013 in Kraft getretenen Reform des Seehandelsrechts erstmals in § 526 HGB mit folgendem Inhalt gesetzlich geregelt:

Der Verfrachter kann einen Seefrachtbrief ausstellen, sofern er nicht ein Konnossement ausgestellt hat. Anders als beim (normalen) Frachtbrief ist Aussteller des Seefrachtbriefs nicht der Befrachter, sondern der Verfrachter.

Der Seefrachtbrief wird insoweit dem Konnossement gleichgestellt. Anders als beim Konnossement bleibt es aber beim Seefrachtbrief dem Verfrachter überlassen zu entscheiden, ob er einen Seefrachtbrief ausstellen will. Eine Verpflichtung des Verfrachters zur Ausstellung eines Seefrachtbriefs besteht nicht. Nach § 526 Abs. 1 S. 2 HGB gilt für den Inhalt des Seefrachtbriefs die Regelung des § 515 HGB über den Inhalt des Konnossements, wobei der Befrachter die Position des Abladers einnimmt.

§ 526 Abs. 2 S. 1 HGB regelt die Funktion des Seefrachtbriefs. Es wird bestimmt, dass der Seefrachtbrief Beweisurkunde über Abschluss und Inhalt des Stückgutfrachtvertrags sowie die Übernahme des Gutes durch den Verfrachter ist. Allerdings verlangt er nicht die Unterzeichnung des Seefrachtbriefs durch beide Vertragsparteien. Vielmehr lässt er es genügen, dass der Seefrachtbrief - ebenso wie das Konnossement - nur vom Verfrachter unterzeichnet wird. § 526 Abs. 2 S. 2 HGB bestimmt, dass dem Seefrachtbrief auch im Übrigen die Beweiskraft wie dem Konnossement zukommt. Auch der Seefrachtbrief begründet also mangels abweichender Vermerke die Vermutung, dass das Gut bei der Übernahme durch den Verfrachter in äußerlich gutem Zustand war und dass das Gut so übernommen wurde, wie es hinsichtlich Art, Anzahl und Gewicht sowie angegebener Merkzeichen im Seefrachtbrief beschrieben ist.

Nicht in Bezug genommen und daher nicht anzuwenden ist § 522 HGB. Denn der Seefrachtbrief ist kein Wertpapier. Er kann daher auch nicht übertragen und von einem gutgläubigen Dritten erworben werden.

Der Seefrachtbrief ist vom Verfrachter zu unterzeichnen. Ausreichend ist, dass die eigenhändige Unterschrift durch Druck oder Stempel nachgebildet wird. Aber gemäß § 526 Abs. 4 HGB kann auch ein elektronischer Seefrachtbrief ausgestellt werden. Er entspricht weitgehend der für das Konnossement vorgesehenen Regelung.

 Siehe auch 

Frachtgeschäft

Handelsgeschäft

Kommission

Lagervertrag

Schiffsmiete

Speditionsvertrag

Transportrecht

Hartenstein/Reuschle: Handbuch des Fachanwalts Transport- und Speditionsrecht; 2. Auflage 2012

Paschke/Ramming: Reform des deutschen Seehandelsrechts; Recht der Transportwirtschaft - RdTW 2013, 1