Rechtswörterbuch

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Schadensersatz

 Normen 

§§ 249 ff. BGB

§§ 823 ff. BGB

 Information 

1. Allgemein

Kompensation des einer (natürlichen oder juristischen) Person entstandenen Schadens durch den Schädiger oder den zum Ausgleich Verpflichteten.

Zu unterscheiden sind der primäre Schadensersatz und der sekundäre Schadensersatz:

  • Primäre Schadensersatzansprüche entstehen unmittelbar und benötigen keine Sonderverbindung zwischen den Beteiligten.

    Beispiel:

    Deliktische Schadensersatzansprüche

  • Sekundäre Schadensersatzansprüche entstehen, wenn eine vertragliche oder vertragsähnliche Pflicht verletzt wurde.

    Beispiel:

Grundsätzlich hat der Geschädigte Anspruch auf eine Naturalrestitution.

2. Vorzeitige Beendigung eines Dienstvertrages

Siehe insofern den Beitrag "Dienstvertrag - Schadensersatzpflicht".

3. Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb

Siehe den Beitrag "Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbetrieb".

4. Höhe des Schadensersatzes

4.1 Abstrakte Schadensberechnung im Geschäftsverkehr

Der BGH hat in dem Urteil BGH 19.10.2005 - VIII ZR 392/03 die abstrakte Schadensberechnung eines Kaufmanns gemäß § 252 S. 2 BGB erleichtert: Danach wird vermutet, dass der Kaufmann marktgängige Ware zum Marktpreis hätte absetzen können. Durch diese Vermutung ist nachgewiesen, dass der in dem Marktpreis enthaltene Gewinn nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge hätte erzielt werden können.

4.2 Verkehrsunfallbedingter Verdienstausfall

Rechtsgrundlage ist § 844 Abs. 2 BGB:

Berechnung des verkehrsunfallbedingten Verdienstausfalls:

Bei der Berechnung verkehrsunfallbedingten Verdienstausfalls ist die Bruttolohnmethode zugrunde zu legen. Von dem angenommenen Bruttoeinkommen sind zunächst einmal Leistungen Dritter abzuziehen (hier: einer Rente der gesetzlichen Unfallversicherung). Da der Geschädigte durch den Schadensausgleich einkommensmäßig weder besser noch schlechter gestellt werden soll als ohne das Schadensereignis, ist weiter zu berücksichtigen, dass sich durch Zahlungen von Krankengeld, Arbeitslosengeld oder einer Erwerbsunfähigkeitsrente die Steuerlast des Geschädigten verringert und er Sozialversicherungsbeiträge erspart. Steht dem Geschädigten nur ein quotaler Schadensersatzanspruch wegen eigener Mithaftung (hier: in Höhe von 30 %) zu, so ist wegen der Steuerprogression die tatsächliche Belastung durch die Einkommensteuer auf den quotierten Schadensersatz niedriger als die Haftungsquote aus der fiktiven Steuer, die der Geschädigte ohne seine Mithaftung hätte zahlen müssen. Dieser Steuervorteil kommt dem Schädiger zugute (OLG Celle 01.06.2016 - 14 U 74/15).

Ersatz des Nebenverdienstes eines Rentners:

Bei der Ermittlung des Unterhaltsschadens für die Hinterbliebenen eines Rentners sind auch die während des Rentenbezugs erzielten weiter erwirtschafteten Einkommen zu berücksichtigen (OLG Koblenz 08.04.2019 - 12 U 565/18).

4.3 Erwerbsausfall / Verdienstausfallschaden

Siehe den Beitrag "Verdienstausfallschaden".

4.4 Heilbehandlungskosten

Der Schädiger ist gemäß § 249 Abs. 2 S. 1 BGB verpflichtet, alle unfallbedingten Aufwendungen zur Wiederherstellung der Gesundheit des Geschädigten zu ersetzen.

Der Schadensersatzanspruch erstreckt sich auf die erforderlichen Kosten.

Nach einem allgemeinen Grundsatz des Schadensrechts hat der Schädiger den Verletzten in den Verhältnissen zu entschädigen, in denen er ihn betroffen hat. Nach diesen Grundsätzen kann nicht unberücksichtigt bleiben, ob der Geschädigte Mitglied der gesetzlichen Krankenversicherung ist.

Bietet jedoch das Leistungssystem der gesetzlichen Krankenversicherung dem Geschädigten nur unzureichende Möglichkeiten zur Schadensbeseitigung oder ist die Inanspruchnahme dem Geschädigten aufgrund besonderer Umstände ausnahmsweise nicht zuzumuten, kann die Haftpflicht des Schädigers auch die Übernahme der Kosten einer privatärztlichen Behandlung umfassen (BGH 06.07.2004 - VI ZR 266/03).

Zu den Kosten der Heilbehandlung gehören auch die Besuchskosten durch die nahen Angehörigen, soweit diese für die medizinische Gesundung notwendig sind.

4.5 Vermehrte Bedürfnisse

Als vermehrte Bedürfnisse werden bei Dauerschäden die unfallbedingten Mehraufwendungen des Geschädigten zur Kompensation der Beeinträchtigung seiner persönlichen Lebensführung bezeichnet. Die vermehrten Bedürfnisse können dabei sowohl in der Form einer Geldrente als auch als einmalige Zahlung ausgeglichen werden.

Beispiel:

Medizinische Behandlungen jenseits der Heilbehandlung (Krankengymnastik, besondere Nahrungsmittel), orthopädische Hilfsmittel, Haushaltshilfe, Kosten eines Pflegeheims, behinderungsgerechter Umbau des Hauses, Erwerb eines behinderungsgerechten Kfz).

Die vermehrten Bedürfnisse sind abzugrenzen von den Heilbehandlungskosten, dem Erwerbsschaden sowie dem immateriellen Schaden.

Dabei hat der BGH zur Höhe der Pflegeaufwendungen folgende Grundsätze getroffen (BGH 28.08.2018 - VI ZR 518/16):

"Zutreffend ist allerdings der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, dass sich der ersatzfähige Aufwand zur Befriedigung vermehrter Bedürfnisse, insbesondere des Pflegebedarfs, nach den Dispositionen bestimmt, die ein verständiger Geschädigter in seiner besonderen Lage treffen würde (...). Maßgebend ist grundsätzlich, was ein verständiger Geschädigter an Mitteln aufwenden würde, wenn er diese selbst zu tragen hätte und tragen könnte (...). Kommen zum Ausgleich der Pflegebedürftigkeit verschiedene Möglichkeiten mit unterschiedlichem Kostenaufwand in Betracht (z.B. Einstellung einer Pflegekraft, Unterbringung in einem Pflegeheim oder Versorgung durch einen Familienangehörigen), so bestimmt sich die Höhe des Anspruchs danach, welcher Bedarf in der vom Geschädigten in zumutbarer Weise gewählten Lebensgestaltung tatsächlich anfällt (...). Die Frage, ob der Geschädigte seine Lebensgestaltung in zumutbarer Weise gewählt hat, bestimmt sich nach den konkreten Umständen des Einzelfalles."

Vergütung der Pflegeleistung durch Angehörige:

"Zu den vermehrten Bedürfnissen im Sinne des § 843 Abs. 1 Alt. 2 BGB gehören sowohl die Kosten für die Beschäftigung einer Pflegeperson als auch der Betreuungsaufwand naher Angehöriger, der über die üblicherweise im Krankheitsfall zu erwartende persönliche Zuwendung innerhalb der Familie hinausgeht. Die dem Geschädigten gegenüber unentgeltlich erbrachte Pflegetätigkeit durch nahe Angehörige ist im Rahmen des Erforderlichen gemäß § 843 Abs. 1 Alt. 2 BGB unabhängig davon angemessen abzugelten, ob diese einen Verdienstausfall erlitten haben. Die Höhe des zu ersetzenden Schadens richtet sich dabei grundsätzlich nach dem Nettolohn einer vergleichbaren entgeltlich eingesetzten Pflegekraft und regelmäßig nicht nach dem entgangenen Verdienst des Angehörigen" (BGH 09.04.2019 - VI ZR 377/17).

Verjährungsfrist zur Geltendmachung des Pflegemehraufwands:

Beim Pflegemehraufwand handelt es sich um wiederkehrende Leistungen, die gemäß §§ 197 Abs. i.V.m.  195 BGB nach der regelmäßigen Verjährungsfrist verjähren (BGH 18.10.2005 - VI ZR 312/04).

5. Schadensersatz neben der Leistung

Bei dem "Schadensersatz neben der Leistung" handelt es sich um Schadensersatzanspruch, der neben den Primäranspruch tritt. Der Anspruch auf Erfüllung bleibt bestehen.

Rechtsgrundlage sind die §§ 280 Abs. 1 und 2, 286 BGB.

Mit der Entscheidung BGH 15.05.2012 - VI ZR 117/11 hat der BGH eine Abgrenzung zum Schadensersatzanspruch statt der Leistung im Werkvertragsrecht vorgenommen:

6. Einzelfälle

Zum Anspruch des Geschädigten wegen der Beschädigung seines Eigentums / Besitzes siehe den Beitrag "Reparaturkosten".

Zu den Grundsätzen der Berechnung des Schadensersatzes bei der Beschädigung von Bäumen siehe den Beitrag "Bäume".

 Siehe auch 

Auftrag - Schadensersatzpflicht

Aufsichtspflichtverletzung

Culpa in contrahendo

Dienstvertrag - Schadensersatzpflicht

Haftungsbeschränkungen

Haushaltsführungsschaden

HWS-Schleudertrauma

Kaufvertrag - Schadensersatzpflicht

Kausalität

Mangelfolgeschaden

Miete - Schadensersatzpflicht des Vermieters

Mitverschulden

Nichterfüllungsschaden

Positive Vertragsverletzung

Rechtsanwaltshaftung

Schadensersatz - psychischer Schaden

Schadensersatz statt der Leistung

Schadensersatz - vertaner Urlaub

Schadensersatzpflicht im Schuldrecht

Schenkung - Schadensersatzpflicht

Überlange Gerichtsverfahren

Untersuchungshaft

Verdienstausfallschaden

Werkvertrag - Gewährleistung und Schadensersatz

Wiederbeschaffungswert

Asendorf: Die Aufteilung des Schadensersatzes auf mehrere Verletzte im gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht; 1. Auflage 2011

Gruber/Lösche: Die Kombination von Herausgabe- und Schadensersatzantrag im neuen Recht; Neue Juristische Wochenschrift - NJW 2007, 2815

Jaschke: Der kartellrechtliche Schadensersatzanspruch; 1. Auflage 2012

Nietsch: Schadensersatz beim Deckungskauf trotz Erfüllung; Neue Juristische Wochenschrift - NJW 2014, 2385

Picker: Die Nutzungsbeeinträchtigung ohne Substanzverletzung als systemrelevantes Deliktsrechtsproblem; Neue Juristische Wochenschrift - NJW 2015, 2304

Prütting/Wegen/Weinreich: BGB. Kommentar; 15. Auflage 2020