Rechtswörterbuch

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Rahmengebühren

 Normen 

§ 14 RVG

§ 92 GNotKG

§ 11 Abs. 8 RVG

BT-Drs. 19/23484 (zu den am 01.01.2021 in Kraft getretenen Änderungen)

 Information 

Gebührenart des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes.

1. Allgemein

Neben der Berechnung der Rechtsanwaltsvergütung nach der Höhe der Geschäftsgebühr bzw. dem Gebührenstreitwert gibt es nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz weitere Gebührensysteme:

  • Rahmengebühren

    Beispiel:

    Verteidigung in einem Bußgeldverfahren wegen einer Verkehrsordnungswidrigkeit

  • Festgebühren (z.B. bei der Beratungshilfe)

  • angemessene Gebühren (z.B. für die Ausarbeitung eines Gutachtens)

2. Formen

Es sind folgende Formen von Rahmengebühren zu unterscheiden:

  • Betragsrahmengebühren: Hier ist der Rahmen durch Höchst- bzw. Mindestbeträge vorgegeben.

  • Satzrahmengebühren: Hier ist der Rahmen durch Höchst- bzw. Mindestsätze vorgegeben.

3. Bemessungskriterien

Ist für die Festsetzung der rechtsanwaltlichen Gebühren nur ein Rahmen vorgegeben, innerhalb dessen der Rechtsanwalt die Höhe der Gebühr zu bestimmen hat, so hat der Rechtsanwalt bei der Festsetzung der rechtsanwaltlichen Gebühren die in § 14 RVG niedergelegten Kriterien zu beachten.

Die Höhe der Gebühr ist nach billigem Ermessen zu bestimmen. Dabei sind u.a. folgende Kriterien zu berücksichtigen:

  • Die Bedeutung der Angelegenheit für den Auftraggeber.

    Entscheidend ist die subjektive Bedeutung der Angelegenheiten für den Auftraggeber. Dies können z.B. berufliche Konsequenzen, der Verlust der gesellschaftlichen Stellung oder die Bedeutung des Prozesses für einen folgenden Prozess sein.

    "Bei der Bedeutung der Angelegenheit geht es um die Perspektive des Mandanten. Dabei können auch Eintragungen im Verkehrszentralregister, der Führerscheinentzug für Berufskraftfahrer, ein Fahrverbot, die Höhe des Bußgeldes, Vorbelastung des Betroffenen im Bußgeldverfahren oder die wirtschaftliche Bedeutung für den Mandanten beeinflussen. Die Bedeutung von Geldbußen wird allerdings bereits in den Nrn. 5101–5111 VV berücksichtigt, ansonsten kaum von der Höhe bestimmt" (AG Paderborn 18.01.2023 - 58a C 15/22).

    Dazu kann der Rechtsanwalt u.a. vortragen, welchen Beruf der Mandant ausübt, ob er Kundentermine wahrzunehmen hat, wie weit er von seiner Arbeitsstelle entfernt wohnt, ob er die Arbeitsstelle/Kunden mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichen kann oder ob er aus dem Homeoffice arbeiten kann.

  • Der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit.

    Hier ist in erster Linie der zeitliche Aufwand der Mandatsbearbeitung zu berücksichtigen. Erfasst wird nicht nur die reine Aktenbearbeitungszeit u.Ä., sondern z.B. auch die Besprechungszeit mit dem Mandanten, die Häufigkeit der telefonischen Kontaktaufnahme mit dem Mandanten oder lange Anfahrtswege.

    Will der Rechtsanwalt eine überdurchschnittliche Gebühr geltend machen, muss er durch Dokumentation seiner Arbeit nachweisen, welche Zeit er für das Aktenstudium, Mandantengespräch, etc. verwendet haben will, wieviele Seiten die Bußgeldakte hatte und was mit dem Auftraggeber besprochen wurde und wie lange dies gedauert hat.

  • Die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit.

    "Anders als Umfang meint Schwierigkeit die Intensität der Arbeit. Schwierig ist die Tätigkeit z.B. dann, wenn erhebliche, im Normalfall nicht auftretende Probleme auftauchen, sei es, dass sie auf juristischem Gebiet liegen (Fragen auf entlegenen Spezialgebieten, die noch wenig geklärt sind), sei es, dass sie auf nicht juristischem Gebiet liegen. Dabei ist ein objektiver Maßstab anzulegen, unerheblich ist, ob der Anwalt - etwa auf Grund geringer Berufserfahrung - besondere Schwierigkeiten bei der Bewältigung der Aufgabe hat oder der Anwalt aufgrund seiner besonderen Fachkenntnisse das Mandat leichter bewältigen kann. Auch wenn der Verteidiger bspw. auf einem bestimmten Gebiet Spezialist ist, bleibt das Gebiet als solches schwierig, und es ist nicht zulässig, die Erhöhung mit der Begründung zu verneinen, für die Mehrzahl der Anwälte sei die Sache zwar schwierig, für diesen Verteidiger als Spezialisten aber nicht. Andererseits kann die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit durch Synergieeffekte von Verfahren mit gleicher Sach- und Rechtslage beeinflusst werden. Verkehrsordnungswidrigkeiten sind nicht grundsätzlich als minder zu bewertende Ordnungswidrigkeiten anzusehen; Ausgangspunkt ist auch hier grundsätzlich die Mittelgebühr" (AG Paderborn 18.01.2023 - 58a C 15/22).

  • Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers.

    Bei minderjährigen Kindern sind die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Eltern entscheidend.

  • Das Haftungsrisiko des Rechtsanwalts

    In der neuen Regelung der Rahmengebühren des § 14 Abs. 1 RVG ist zudem vorgesehen, dass der Rechtsanwalt bei der Bemessung der Gebührenhöhe ein besonderes Haftungsrisiko berücksichtigen kann.

4. Vergütung in Bußgeldsachen

Das Amtsgericht Paderborn hat ausführlich zur Bestimmung der Rahmengebühr in Bußgeldsache Stellung genommen (AG Paderborn 18.01.2023 - 58a C 15/22):

"Das RVG sieht für die Vergütung des in Bußgeldsachen tätigen Rechtsanwalts unterschiedliche Rahmengebühren vor, deren Höhe sich nach der Höhe der verhängten Geldbuße richtet. Innerhalb des vorgegebenen Gebührenrahmens muss der Rechtsanwalt in Anwendung von § 14 RVG die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände bemessen, wobei unterdurchschnittlich zu bewertende Kriterien durch überdurchschnittlich zu bewertende Kriterien egalisiert werden können.

Besonders sind hervorgehoben der Umfang und die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, die Bedeutung der Angelegenheit sowie die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers (...).

Üblicherweise findet die Zumessung zunächst durch Bestimmung der Mittelgebühr statt, die dann innerhalb des Gebührenrahmens herauf- oder herabgesetzt wird (vgl. auch AG Viechtach 08.07.2019 – 6 II OWi 215/19). Die Mittelgebühr gilt in den "Normalfällen", dh in den Fällen, in denen sämtliche, vor allem die nach § 14 Abs. 1 S. 1 RVG zu berücksichtigenden Umstände durchschnittlicher Art sind, also

  • übliche Bedeutung der Angelegenheit,

  • durchschnittlicher Umfang und durchschnittliche Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit,

  • wirtschaftliche Verhältnisse des Auftraggebers, die dem Durchschnitt der Bevölkerung entsprechen.

Die Mittelgebühr kann dadurch errechnet werden, dass man Mindest- und Höchstgebühr addiert und das Ergebnis durch zwei dividiert (...). Maßgebend für die Höhe der Gebühr in Abschnitt 1 ist die "zuletzt festgesetzte Geldbuße". Gemeint ist damit, dass es sich nicht um die rechtskräftig festgesetzte Geldbuße, sondern um die im jeweiligen Verfahrensstadium zuletzt festgesetzte Geldbuße handelt (...).

Die vom Anwalt getroffene Bestimmung ist verbindlich, wenn sie der Billigkeit entspricht; eine unbillige Gebühr ist dagegen vom Mandanten nicht geschuldet (...). Die Darlegungslast liegt dabei grundsätzlich beim Anwalt. Legt der Anwalt jedoch den Ansatz der Mittelgebühr dar, so ist es Sache des Mandanten, darzulegen und ggf. zu beweisen, dass diese nicht der Billigkeit entspricht, dass also mindestens ein Bewertungskriterium von unterdurchschnittlichem Gewicht ist und nicht durch ein überdurchschnittliches Kriterium kompensiert wird (...). Nach weit verbreiteter Auffassung wird dem Rechtsanwalt bei der Bestimmung der angemessenen Gebühr ein Ermessensspielraum von bis zu 20 % zugestanden, in Einzelfällen sogar bis zu 25 % oder gar 30 %."

5. Anrechnung

Wird ein Rechtsanwalt nacheinander in gesonderten Angelegenheiten tätig, sieht das Gesetz in vielen Fällen eine Anrechnung vor. § 14 Abs. 1 RVG bestimmt nicht nur die Kriterien, nach der eine Rahmengebühr zu bemessen ist, sondern legt auch das Bestimmungsrecht des Rechtsanwalts fest.

Der neue § 14 Abs. 2 RVG beinhaltet nun die Anrechnungsregelung: Die Bestimmung der Höhe der zweiten Gebühr soll so erfolgen, als sei der Rechtsanwalt zuvor nicht tätig gewesen. Diese Regelung bezieht sich damit auf sämtliche Bemessungsmerkmale des § 14 Abs. 1 RVG. Nur durch eine solche Vorgehensweise ist gewährleistet, dass für Rechtsanwälte, deren Verfahrens- oder Geschäftsgebühren einer Anrechnung unterliegen, diese Gebühren vor Anrechnung in derselben Höhe anfallen wie für Rechtsanwälte, die zuvor nicht tätig waren. Nur so wird eine Gleichbehandlung mit den Fällen erreicht, in denen - wie etwa in zivilprozessualen Mandaten - keine Rahmengebühren vorgesehen sind.

6. Kostenfestsetzung

Rahmengebühren können gemäß § 11 Abs. 8 RVG durch das Gericht festgesetzt werden (Kostenfestsetzung), wenn der Rechtsanwalt nur die Mindestgebühren geltend macht oder der Auftraggeber der Höhe der Gebühren ausdrücklich zugestimmt hat.

Dies gilt auch für die Vergütung in sozialrechtlichen Verfahren (Sozialgerichtsbarkeit).

7. Gutachten der Rechtsanwaltskammer

In einem Honorarprozess zwischen dem Rechtsanwalt und dessen Auftraggeber über die Höhe der Gebühr ist gemäß § 14 RVG ein Gutachten des Vorstandes der Rechtsanwaltskammer einzuholen. Das Gutachten ist von Amts wegen einzuholen, ein Antrag ist von den Parteien nicht zu stellen.

Es handelt sich dabei nicht um ein Sachverständigengutachten.

Zuständig ist die für den Rechtsanwalt im Zeitpunkt des Prozesses zuständige Rechtsanwaltskammer.

 Siehe auch 

Beratungshilfe - Rechtsanwaltsvergütung

Gebührenstreitwert

Mahnverfahren - Rechtsanwaltsgebühren

Rechtsanwaltsvergütung

Rechtsanwaltsvergütung - außergerichtlich

Rechtsanwaltsvergütung - Beratung

Rechtsanwaltsvergütung - einfache Schreiben

Rechtsanwaltsvergütung - Einigungsgebühr

Rechtsanwaltsvergütung - Gerichtliche Tätigkeit

BGH 04.12.2008 - IX ZR 219/07 (Keine Delegation des Billigkeitsermessens zur Bestimmung einer Rahmengebühr bei Abtretung der Forderung)

OLG Köln 11.07.2007 - 2 Ws 332/07 (Kriterien für die Bestimmung der Höhe der Gebühr des Verteidigers)

Bischof/Jungbauer/Bräuer/Hellstab/Klipstein/Klüsener/Kerber: RVG. Kommentar; 10. Auflage 2024

Guhl: Die Rahmengebühren des RVG für sozialrechtliche Angelegenheiten; Neue Zeitschrift für Sozialrecht - NZS 2005, 193

Hansens: Bindung des Rechtsanwalts an die Bestimmung von Rahmengebühren; RENOpraxis 2010, 269

Rehberg/Asperger/Bestelmeyer/Dörndorfer/Frankenberg/Hellstab/Jungbauer/Schneider/Vogt: RVG. Kommentar; 8. Auflage 2022