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Offene Handelsgesellschaft

Autor:
 Normen 

§§ 705 ff BGB

Gesetzesbegründung zum neuen Personengesellschaftsrecht: BT-Drs. 19/27635

 Information 

1. Allgemeines

Die offene Handelsgesellschaft (OHG) ist in § 105 HGB gesetzlich definiert als eine Gesellschaft, deren Zweck auf den Betrieb eines Handelsgewerbes unter gemeinschaftlicher Firma gerichtet ist und bei der die Haftung der Gesellschafter nicht beschränkt ist. Die OHG besitzt Rechtsfähigkeit, ist aber keine juristische Person.

Gesellschafter können sein: natürliche Personen, rechtsfähige Personengesellschaften oder juristische Personen.

2. Gründung

Die Gründung einer OHG kann formlos erfolgen, auch der Gesellschaftsvertrag braucht nicht schriftlich abgeschlossen zu werden, er sollte es aber. Eine bestimmte Kapitaleinlage ist nicht erforderlich. Die notarielle Form ist erforderlich, wenn ein Grundstück in das Gesellschaftsvermögen eingebracht wird.

Der Gesellschaftervertrag sollte u.a. folgenden Inhalt haben:

  • Rechtsform, Firma, Sitz

  • Geschäftsgegenstand

  • Gesellschafter und Kapitaleinlagen

  • Geschäftsführung und Vertretung einschließlich der Vergütungen

  • Gesellschafterversammlung

  • Gesellschafterbeschlüsse

  • Entnahmen der Gesellschafter

  • Verfügung/Vererbung von Gesellschaftsanteilen

  • Ausschluss von Gesellschaftern

  • Kündigung von Gesellschaftern

  • Abfindung von Gesellschaftern

  • Wettbewerbsverbote

Gemäß § 106 HGB muss die Gesellschaft bei dem zuständigen Handelsregister zur Eintragung angemeldet werden. Die Anmeldung muss von einem Notar beglaubigt werden.

3. Kleingewerbliche, vermögensverwaltende oder freiberufliche Gesellschaften

Die Rechtsform der OHG steht gemäß § 107 HGB auch folgenden Personengruppen offen:

  • Gewerbetreibende, deren Unternehmen nach Art und Umfang keinen in kaufmännischer Weise eingerichteten Gewerbebetrieb erfordert (§ 1 Abs. 2 HGB)

  • Gesellschaftern, die nur eigenes Vermögen verwalten

  • Gesellschaftern, die sich zum Zweck der Ausübung Freier Berufe zusammenschließen.

    Für den Begriff des Freien Berufs kann auf die Legaldefinition in § 1 Abs. 2 PartGG zurückgegriffen werden. Die Errichtung einer offenen Handelsgesellschaft zur Ausübung Freier Berufe steht unter dem Vorbehalt der Erlaubnis durch das anwendbare Berufsrecht.

In allen Fällen entsteht die OHG erst durch Eintragung in das Handelsregister.

Wegen der Verweisung des § 161 Absatz 2 HGB gilt die neue Regelung auch für eine Kommanditgesellschaft.

4. Gestaltungsfreiheit

§ 108 HGB regelt die Gestaltungsfreiheit von Gesellschaftsverträgen. Die Vorschrift sieht vor, dass der Gesellschaftsvertrag abweichenden gesetzlichen Bestimmungen des Zweiten Titels vorgeht, soweit ihnen nicht ausdrücklich zwingender Charakter zukommt.

5. Interne Willensbildung/Beschlussfassung

Der zum 01.01.2024 neu eingefügte § 109 HGB ist neu. Die Vorschrift regelt in Abgrenzung zur Geschäftsführung die Grundlagen der gesellschaftsinternen Willensbildung und Entscheidungsfindung durch Beschlussfassung der Gesellschafter. Dabei erschöpft sich § 109 HGB nicht in einer Zulassung von Mehrheitsbeschlüssen, sondern regelt auch Teile des Beschlussverfahrens, während das Zustandekommen eines Beschlusses ungeregelt bleibt.

Absatz 1 sieht vor, dass die Gesellschafter ihre Beschlüsse in Versammlungen fassen. Die Versammlung gewährleistet nach der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 19/27635) im Regelfall durch die Möglichkeit zur Rede und direkten Widerrede im Kreis der Versammlungsteilnehmer eine optimale Willensbildung und Entscheidungsfindung bei gleichmäßiger Informationsversorgung. Eine Versammlung liegt danach vor, wenn mehrere Personen zu einem bestimmten Zweck, aber nicht notwendigerweise an einem bestimmten Ort, zusammenkommen. Das Gesetz lässt es daher zu, Beschlüsse sowohl in einer Präsenzversammlung als auch einer virtuellen Versammlung, also beispielsweise einer Telefon- oder Videokonferenz, zu fassen.

Von der Beschlussfassung zu unterscheiden ist die Beschlussfeststellung, mit der ein gefasster Beschluss durch einen Versammlungsleiter verbindlich dokumentiert wird. Obschon es sich hierbei nicht um eine Voraussetzung für die Wirksamkeit eines Beschlusses handelt, hat die Beschlussfeststellung in dem Sinne konstitutive Wirkung, dass sie die Rechtsschutzmöglichkeiten in Gestalt der Anfechtungs- oder Nichtigkeitsklage oder der Feststellungsklage vorgibt. Die Modalitäten der Beschlussfeststellung durch einen Versammlungsleiter entziehen sich freilich einer abstrakt-generellen Regelung und müssen daher wie im Beschlussmängelrecht der Gesellschaft mit beschränkter Haftung weiterhin einer Klärung durch die Rechtsprechung vorbehalten bleiben.

Den Gesellschaftern bleibt es im Übrigen unbenommen, eine vereinfachte Form der Beschlussfassung zum Beispiel im Umlaufverfahren auf schriftlichem Wege zu vereinbaren. Bestimmte Anforderungen an eine solche Vereinbarung werden nicht gestellt.

Absatz 2 regelt zum Schutz der Gesellschafter die Modalitäten der Einberufung der Versammlung. Das Recht zur Einberufung steht im Einklang mit der geltenden Rechtslage jedem Gesellschafter kraft seiner Mitgliedschaft zu. Wird abweichend davon das Einberufungsrecht durch den Gesellschaftsvertrag allein auf die geschäftsführungsbefugten Gesellschafter übertragen, ist davon auszugehen, dass den anderen Gesellschaftern jedenfalls bei Vorliegen eines wichtigen Grundes ein Selbsthilferecht entsprechend § 50 Abs. 3 GmbHG zukommt.

In Bezug auf den Inhalt und die Frist der Einberufung sieht § 109 Absatz 2 HGB vor, dass die anderen Gesellschafter unter Ankündigung des Zwecks der Gesellschafterversammlung in angemessener Frist eingeladen werden müssen. Zu den Voraussetzungen einer ordnungsgemäßen Einberufung gehören daher die Angabe einer Tagesordnung, deren Detaillierungsgrad vom Beschlussgegenstand abhängt, und die Einhaltung einer für die Vorbereitung der Versammlung ausreichenden Frist, die ebenfalls je nach Beschlussgegenstand variieren kann.

Absatz 3 legt als gesetzlichen Regelfall fest, dass die Beschlüsse der Zustimmung aller stimmberechtigten Gesellschafter bedürfen. Abweichungen von dieser Vorgabe können in dem Gesellschaftervertrag geregelt werden.

Die §§ 110 – 115 HGB enthalten das Recht der Anfechtbarkeit und Nichtigkeit von Gesellschafterbeschlüssen einschließlich der gerichtlichen Geltendmachung.

6. Geschäftsführung

Sofern in dem Gesellschaftervertrag keine anderslautende Regelung besteht, gilt § 116 HGB: Zur Geschäftsführung sind alle Gesellschafter (einzeln) berechtigt und verpflichtet. Die Befugnis erstreckt sich auf

  • alle Geschäfte, die der gewöhnliche Betrieb des jeweiligen Handelsgewerbes mit sich bringt.

  • Widerspricht ein geschäftsführungsbefugter Gesellschafter, so muss das Geschäft unterbleiben (§ 116 Abs. 3 HGB).

  • Bei über den gewöhnlichen Betrieb hinausgehende Geschäfte ist gemäß § 116 Abs. 2 HGB der Beschluss aller Gesellschafter notwendig.

Notgeschäftsführung:

Wenn die Geschäftsführung nur allen Geschäftsführern gemeinsam zusteht, kann dennoch bei Gefahr für die Gesellschaft oder das Gesellschaftsvermögen gemäß § 116 Abs. 4 HGB ein Gesellschafter allein handeln.

7. Vertretung

Die Geschäftsführung ist von der Vertretung zu unterscheiden: Gemäß § 124 HGB ist jeder Gesellschafter auch allein befugt, es sei denn der Gesellschaftsvertrag enthält eine andere Regelung. Die Vorschrift enthält des Weiteren weitere Vorgaben zur gesetzlichen oder vertraglichen Regelung der Vertretung.

8. Geschäftsbriefe

Rechtsgrundlage der Angaben auf Geschäftsbriefen ist seit dem 01.01.2024 § 225 HGB:

Absatz 1 übernimmt in der Sache den vormaligen § 125a HGB mit dem Unterschied, dass auf Geschäftsbriefen anstelle der Rechtsform die Firma, und zwar mit Rechtsformzusatz, angegeben werden muss. Denn ausweislich § 19 Abs. 2 HGB ist der Rechtsformzusatz Bestandteil der Bezeichnung der Firma. Es ist nach der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 19/27635) davon auszugehen, dass die Vorschrift auf eine ausländische Personengesellschaft mit inländischer Zweigniederlassung wegen des vergleichbaren Informationsbedürfnisses entsprechend anzuwenden ist.

Demnach sind auf Geschäftsbriefen einer OHG folgende Angaben aufzuführen:

  • die Firma mit dem Rechtsformzusatz und der Sitz der Gesellschaft

  • das Registergericht

  • die Nummer, in der die Gesellschaft im Handelsregister eingetragen ist

9. Haftung

Die OHG haftet als rechtsfähige Personengesellschaft selbst. Darüber hinaus haften die Gesellschafter einer OHG unbeschränkt auch mit ihrem Privatvermögen für Verbindlichkeiten der Gesellschaft gemäß § 126 HGB als Gesamtschuldner.

Hinweis:

Kommt die OHG ihrer Verpflichtung nicht nach, können die Gläubiger unverzüglich auch gegen die Gesellschafter selbst vorgehen, sie müssen nicht zuerst die OHG zu verklagen.

Andererseits unterliegt der Gesellschaftsanteil eines Gesellschafters grundsätzlich auch der Haftung für die Privatschulden des Gesellschafters. Der Privatgläubiger kann aber nicht in den Gesellschaftsanteil des Gesellschafters vollstrecken. Er kann aber gemäß § 133 HGB die Gesellschaft sechs Monate vor dem Ende des Geschäftsjahres kündigen, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind:

  • Der Gläubiger hat innerhalb der letzten zwölf Monate eine Zwangsvollstreckung in das bewegliche Vermögen des Schuldners erfolglos versucht.

  • Der Gläubiger besitzt einen nicht nur vorläufig vollstreckbaren Schuldtitel auf Pfändung und Überweisung des Abfindungsanspruches.

Andere Gesellschafter haften nicht für Privatschulden eines Gesellschafters.

Haftung für einen Fehlbetrag:

§ 136 HGB regelt die vermögensrechtlichen Rechtsfolgen des Ausscheidens, nämlich die Haftung des ausgeschiedenen Gesellschafters für Fehlbeträge:

Reicht danach der Wert des Gesellschaftsvermögens zur Deckung der Verbindlichkeiten der Gesellschaft nicht aus, hat der ausgeschiedene Gesellschafter der Gesellschaft für den Fehlbetrag nach dem Verhältnis seines Anteils am Gewinn und Verlust aufzukommen.

Nachhaftung:

Scheidet ein Gesellschafter aus der OHG aus, so haftet er gemäß § 137 HGB bis zum Ablauf von fünf Jahren nach seinem Ausscheiden für bis zu seinem Ausscheiden entstandene und innerhalb der Fünf-Jahres-Frist fällig gewordene Verbindlichkeiten der Gesellschaft.

Wird die Gesellschaft aufgelöst, endet die Haftung der Gesellschafter für Gesellschaftsschulden spätestens fünf Jahre nach der Auflösung der Gesellschaft.

 Siehe auch 

Actio pro socio

Gesellschaft des bürgerlichen Rechts

Kommanditgesellschaft

Offene Handelsgesellschaft – Personenwechsel

BGH 29.10.1990 – II ZR 241/89 (Wirksamkeit eines Wettbewerbsverbotes)

BGH 22.03.1988 – X ZR 64/87 (Verjährung einer Forderung bei persönlicher Haftung)

BGH 08.10.1984 – II ZR 312/83 (Haftung des ausgeschiedenen Gesellschafters)

Born/Ghassemi-Tabar/Gehle: Probleme der gesetzlichen Vertretung von Handelsgesellschaften im gesellschaftsinternen Rechtsstreit; Neue Juristische Wochenschrift – NJW 2015, 2215

Mehrbrey: Handbuch Gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten; 4. Auflage 2024

von Rechenberg/Ludwig: Kölner Handbuch Handels- und Gesellschaftsrecht; 5. Auflage 2025