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Jugendgerichtliche Sanktionsmöglichkeiten

 Normen 

JGG

JAVollzO

Jugendarrestvollzugsgesetze der Länder (mit Ausnahme von Berlin und Bremen)
Berlin und Bremen: Gesetz zum Staatsvertrag der Länder Berlin und Brandenburg über die Errichtung und den Betrieb einer gemeinsamen Jugendarrestanstalt

 Information 

1. Die jugendgerichtlichen Sanktionsmöglichkeiten

Es bestehen folgende jugendgerichtliche Sanktionsmöglichkeiten:

  • Maßregeln der Besserung und Sicherung

  • Erziehungsmaßregeln:

    • die Erteilung von Weisungen

    • die Anordnung, Hilfe zur Erziehung im Sinne des § 12 JGG in Anspruch zu nehmen

  • Zuchtmittel:

    • die Verwarnung

    • die Erteilung von Auflagen

    • der Jugendarrest

    • Jugendarrest neben Jugendstrafe

  • Jugendstrafe

2. Ausführungen zu einzelnen Sanktionsmöglichkeiten

2.1 Jugendarrest

Der Jugendarrest ist gemäß § 13 JGG neben der Verwarnung und der Erteilung von Auflagen eines der Zuchtmittel. Der Richter ahndet die Straftat mit Zuchtmitteln, wenn Jugendstrafe nicht geboten ist, dem Jugendlichen aber eindringlich zum Bewusstsein gebracht werden muss, dass er für das von ihm begangene Unrecht einzustehen hat.

Formen des Jugendarrestes sind gemäß § 16 JGG der Freizeitarrest, der Kurzarrest und der Dauerarrest. Der Jugendarrest ist eine jugendgerichtliche Maßnahme bei kleinerer oder mittlerer Kriminalität von jungen Straftätern. Die Vollstreckung erfolgt in Jugendarrestanstalten. Ziel ist es, die Jugendlichen mit pädagogischen Mitteln im Hinblick auf ihr bisheriges und künftiges Verhalten zu sensibilisieren.

2.2 Jugendarrest neben der Jugendstrafe

In § 16a JGG sind die konkreten Voraussetzungen eines Jugendarrests neben Jugendstrafe festgelegt. Absatz 1 sieht drei Fallgruppen für die Anwendung eines Jugendarrests neben der Jugendstrafe vor:

  • Nummer 1 ermöglicht die Verhängung von Jugendarrest, wenn dieser neben der Jugendstrafe und möglicherweise erteilten bzw. noch zu erteilenden Weisungen und Auflagen geboten ist, um dem oder der Jugendlichen das Unrecht und die Folgen erneuter Straftaten zu verdeutlichen.

    Nach der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 17/9389) kann dies etwa der Fall sein, wenn sonst die zur Bewährung ausgesetzte Jugendstrafe als Freispruch zweiter Klasse aufgefasst würde oder wenn angesichts Mitverurteilter mit geringeren schädlichen Neigungen oder geringerem Schuldvorwurf, die ihrerseits (nur) einen Jugendarrest zu verbüßen haben, die Strafaussetzung zur Bewährung nicht ernst genommen würde. Im einzelnen Fall kann es dabei notwendig erscheinen, über die Hauptverhandlung und Verurteilung hinaus einen spürbaren Anstoß zu geben, um dauerhafter auf eine Verhaltensänderung zum Positiven hinzuwirken. Es kann allerdings möglich sein, dies bereits durch die gebotene eingehende und dem Empfängerhorizont angemessene Belehrung über die Bedeutung der Bewährungszeit und die Folgen eventuellen Fehlverhaltens sowie über die erteilten oder zu erwartenden Weisungen und Auflagen für die Bewährungszeit zu erreichen. Dabei sollten bei mehreren Verurteilten auch das Gewicht und die Bedeutung der Rechtsfolgen zueinander vermittelt werden.

  • Nummer 2 ermöglicht die Verhängung von Jugendarrest neben Jugendstrafe, wenn sich der oder die Jugendliche in einem sozialen Umfeld mit schädlichen Einflüssen befindet, die eine erfolgreiche Bewältigung der Bewährungszeit gefährden. Hier kann es angezeigt sein, den Betroffenen oder die Betroffene zunächst für eine gewisse Zeit aus diesem Umfeld herauszunehmen und durch die stationäre Behandlung im Rahmen des Jugendarrestvollzugs gezielt die Bewährungszeit einzuleiten. Sinnvoll wird ein so begründeter Jugendarrest regelmäßig nur sein, wenn eine entsprechende Behandlung im Arrestvollzug tatsächlich zu erwarten ist und dieser sich nicht lediglich auf den Freiheitsentzug und die vorübergehende Isolierung zum Beispiel von einer delinquenzgeneigten Gleichaltrigengruppe beschränkt.

  • Nummer 3 eröffnet die Möglichkeit zur Verhängung von Jugendarrest neben Jugendstrafe, wenn aufgrund sonstiger Umstände des Einzelfalls im Vollzug des Jugendarrests selbst eine nachdrücklichere erzieherische Einwirkung auf den Jugendlichen oder die Jugendliche erreicht werden kann oder wenn dadurch die Erfolgsaussichten für eine erzieherische Einwirkung in der Bewährungszeit verbessert werden können. Maßstab für die Gebotenheit des Jugendarrests ist bei beiden Varianten seine Eignung, die Legalbewährungsaussichten nicht nur unwesentlich zu verbessern. Dies muss sich aus konkret festzustellenden Umständen ergeben, die sich auf die Person des oder der Betroffenen, seine oder ihre Lebenssituation und auf problemorientierte Behandlungsmaßnahmen im Vollzug des Jugendarrests beziehen können.

    Bei der ersten Alternative der Nummer 3 geht es um eine vor der eigentlichen Bewährungszeit gebotene stationäre Intensivbetreuung, der sich der oder die Betroffene nicht entziehen kann. Bei der zweiten Alternative tritt gegenüber einer erzieherischen Einwirkung im Arrestvollzug selbst das Anliegen einer stationären Vorbereitung und Einleitung der längerfristigen Betreuung im Rahmen der Bewährungszeit in den Vordergrund, etwa um bestimmte Verhaltens-"Richtlinien" und ihre Verbindlichkeit zu vermitteln oder um im Zusammenwirken mit der Bewährungshilfe eine tragfähige Basis für die künftige Betreuungsbeziehung zu schaffen. Entscheidend ist eine Gesamtwürdigung der besonderen Umstände des Einzelfalls. Sie müssen vom Gericht gegebenenfalls in den Urteilsgründen dargelegt werden.

2.3 Jugendstrafe

2.3.1 Allgemein

Die Jugendstrafe ist gemäß § 17 JGG Freiheitsentzug in einer für ihren Vollzug vorgesehenen Einrichtung. Der Richter verhängt Jugendstrafe, wenn wegen der schädlichen Neigungen des Jugendlichen, die in der Tat hervorgetreten sind, Erziehungsmaßregeln oder Zuchtmittel zur Erziehung nicht ausreichen oder wenn wegen der Schwere der Schuld Strafe erforderlich ist.

Das Mindestmaß der Jugendstrafe beträgt sechs Monate, das Höchstmaß fünf Jahre. Handelt es sich bei der Tat um ein Verbrechen, für das nach dem allgemeinen Strafrecht eine Höchststrafe von mehr als zehn Jahren Freiheitsstrafe angedroht ist, so ist das Höchstmaß grundsätzlich zehn Jahre.

2.3.2 Heraufsetzung des Höchstmaßes der Jugendstrafe für Heranwachsende

Mit § 105 Abs. 3 S. 2 GG wird dem Jugendgericht für Heranwachsende, auf die wegen ihres Entwicklungsstandes Jugendstrafrecht angewandt wird, bei Verurteilung wegen schwerster Mordverbrechen ein auf 15 Jahre angehobenes Höchstmaß der Jugendstrafe zur Verfügung gestellt. Die Regelung ermöglicht es, einer besonders schweren Schuld angemessener Rechnung zu tragen, wenn das allgemeine Höchstmaß der Jugendstrafe für Heranwachsende von zehn Jahren dafür im Einzelfall auch unter Berücksichtigung des leitenden Erziehungsgedankens nicht ausreicht. Der Satz 2 sieht Letzteres als Voraussetzung für eine Anwendung des erhöhten Strafrahmens ausdrücklich vor und verzichtet angesichts des auch bei Verurteilungen wegen Mordes durchaus unterschiedlichen Maßes der Schuldschwere auf eine generelle Anhebung des Höchstmaßes der Jugendstrafe für Mord.

Auf das Merkmal der besonderen Schwere der Schuld in § 105 Abs. 3 Satz 2 JGG sind die von der Rechtsprechung zu § 57a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB entwickelten Maßstäbe anzuwenden (BGH 22.06.2016 - 5 StR 524/15).

2.3.3 Aussetzung der Jugendstrafe zur Bewährung

Die Aussetzung der Jugendstrafe zur Bewährung wird gemäß § 57 JGG im Urteil oder, solange der Strafvollzug noch nicht begonnen hat, nachträglich durch Beschluss angeordnet.

Mit §§ 61 - 61b JGG werden die Voraussetzungen und weitere Verfahrensregelungen für das Institut der sogenannten Vorbewährung gesetzlich festgelegt.

In seinen ersten beiden Absätzen umschreibt § 61 JGG unter Bezeichnung konkreter Voraussetzungen die beiden Fallkonstellationen, in denen der Vorbehalt einer nachträglichen Entscheidung über die Aussetzung zulässig sein soll. § 61 Abs. 3 JGG enthält weitere Regelungen in Bezug auf den Ausspruch des Vorbehalts.

  • Absatz 1 umschreibt die erste Fallkonstellation: Die Ermittlungsmöglichkeiten sind zum Urteilszeitpunkt erschöpft, jedoch erlauben die Feststellungen nicht die für eine Aussetzung der Jugendstrafe nach § 21 JGG notwendige günstige Prognose (sonst müsste die Aussetzung mit dem Urteil angeordnet werden). Allerdings sind Ansätze in der Lebensführung des oder der Jugendlichen oder sonstige konkrete Umstände ersichtlich, die die Aussicht auf eine günstige Prognose in absehbarer Zeit begründen.

  • Nach der in Absatz 2 geregelten Variante sind die Ermittlungsmöglichkeiten noch nicht erschöpft. Denn in der Hauptverhandlung sind bestimmte Umstände hervorgetreten, die es als möglich erscheinen lassen, dass eine günstige Prognose auch bereits aufgrund der bestehenden Situation und nicht erst aufgrund künftiger Entwicklungen getroffen werden könnte.

  • Nach Absatz 3 kann neben dem Vorbehalt einer späteren Entscheidung über die Aussetzung der verhängten Jugendstrafe unter den Voraussetzungen des § 16a JGG neu auch Jugendarrest verhängt werden. Die Anordnung des Jugendarrests kann nur in dem Urteil ergehen und nicht in einem nachträglichen Beschluss.

 Siehe auch 

Heranwachsender

Jugendgerichtshilfe

Jugendgerichtsgesetz (JGG)

Jugendhilfe

Jugendliche

Sicherungsverwahrung - JGG

Fricke: Rechtsprechungsübersicht Jugendstrafrecht - Die Verhängung einer Jugendstrafe bei Vorliegen schädlicher Neigungen gem. § 17 Abs. 2 JGG; StrafRechtsReport - StRR 2011, 51

Freuding: Das Sanktionssystem des § 106 JGG bei Schwerstverbrechen heranwachsender Täter. Zugleich Anmerkung zu BGH, U. v. 13.08.2008 - 2 StR 240/08; Neue Zeitschrift für Strafrecht - NStZ 2010, 251

Streng: Jugendstrafrechtliche Strafzumessung zwischen Tat- und Täterprinzip; Goltdammers Archiv für Strafrecht - GA 2017, 80

Wedler: Die Erteilung von Weisungen nach § 10 I JGG gegen den Willen der Eltern; Neue Zeitschrift für Strafrecht - NStZ 2012, 293