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Geringfügige Beschäftigungsverhältnisse

Autor:
 Normen 

§ 40a Abs. 2 EStG

§ 249b SGB V

§ 172 Abs. 3 SGB VI

 Information 

1. Geringfügige Beschäftigung

1.1 Einführung

Geringfügige Beschäftigungsverhältnisse sind Arbeitsverhältnisse, bei denen Besonderheiten bei der Sozialversicherungs- und Steuerpflicht bestehen.

Als Geringfügig Beschäftigte werden gemäß § 8 SGB IVArbeitnehmer bezeichnet,

  • deren Arbeitsentgelt regelmäßig die Geringfügigkeitsgrenze (seit dem 01.01.2024: 538,00 EUR) nicht übersteigt (Entgeltgeringfügigkeit)

    oder

  • deren Beschäftigung innerhalb eines Kalenderjahres auf längstens drei Monate oder 70 Arbeitstage nach ihrer Eigenart oder durch vertragliche Vereinbarung begrenzt ist (Zeitgeringfügigkeit/Kurzfristige Beschäftigung).

Nach der ständigen Rechtsprechung (u.a. BSG 05.12.2017 – B 12 R 10/15 R) ist es geboten, eine strikte Zuordnung zu einer der beiden Fallgruppen vorzunehmen. Danach ist den Regelungen der Nr. 1 und Nr. 2 nach ihrem systematischen Zusammenhang im Wege der Auslegung zu entnehmen, dass es für ihre Anwendung zunächst darauf ankommt, ob eine Beschäftigung regelmäßig ausgeübt wird (dann gilt Nr. 1) oder nicht regelmäßig – also nur gelegentlich – (dann gilt Nr. 2):

»Wird nur gelegentlich gearbeitet, kommt Entgeltgeringfügigkeit nicht in Betracht. Regelmäßig ist nach der Rechtsprechung des BSG eine Beschäftigung, die bei vorausschauender Betrachtung von vornherein auf ständige Wiederholung gerichtet ist, nicht erforderlich ist, dass sie über mehrere Jahre hinweg ausgeübt werden soll«.

Zuständige Behörde ist die Minijob-Zentrale der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See (https://www.minijob-zentrale.de/DE/home/home_node.html).

Der Spitzenverband der Sozialversicherungsträger hat »Richtlinien für die versicherungsrechtliche Beurteilung von geringfügigen Beschäftigungen (Geringfügigkeits-Richtlinien)« erlassen, die in der Fassung 2022 unter der folgenden Adresse im Internet einsehbar sind: https://www.minijob-zentrale.de/SharedDocs/Downloads/DE/Rundschreiben/Geringf%C3 %BCgigkeitsrichtlinien-2022.html

1.2 Entgeltgeringfügigkeit

1.2.1 Entgelt

Hinweis:

Seit dem 01.01.2024 besteht folgende Rechtslage:

Die Geringfügigkeitsgrenze wird gemäß § 8 Abs. 1a SGB IV berechnet, indem der gesetzliche Mindestlohn mit 130 vervielfacht, durch drei geteilt und der sich daraus ergebende Betrag auf volle Euro aufgerundet wird. Aufgrund des Mindestlohns von 12,41 EUR seit dem 01.10.2024 besteht eine Geringfügigkeitsgrenze in Höhe von 538,00 EUR.

Zur Bestimmung der 538,00 EUR-Grenze ist von dem regelmäßigen monatlichen Arbeitsentgelt auszugehen. Regelmäßig ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts eine Beschäftigung, die von vornherein auf ständige Wiederholung gerichtet ist und über mehrere Jahre hinweg ausgeübt werden soll (BSG 11.05.1993 – 12 RK 23/91).

»Regelmäßig« ist nach der Rechtsprechung des BSG eine Beschäftigung, die bei vorausschauender Betrachtung von vornherein auf ständige Wiederholung gerichtet ist und über mehrere Jahre hinweg ausgeübt werden soll. Für das Vorliegen von Regelmäßigkeit kommt es dabei nicht darauf an, ob die jeweiligen Arbeitseinsätze im Rahmen eines Dauerarbeitsverhältnisses von vornherein feststehen oder von Mal zu Mal vereinbart werden. Das Merkmal der Regelmäßigkeit kann vielmehr auch erfüllt sein, wenn der Beschäftigte zu den sich wiederholenden Arbeitseinsätzen auf Abruf bereitsteht, ohne verpflichtet zu sein, jeder Aufforderung zur Arbeitsleistung Folge zu leisten (BSG 07.05.2014 – B 12 R 5/12 R).

Bei der Berechnung der Arbeitsentgeltgrenze sind steuerfreie Einnahmen oder Zuschläge nicht zu berücksichtigen. Einmalige Zahlungen, wie z.B. Weihnachtsgeld, sind anteilig auf das monatliche Arbeitsentgelt umzulegen. Auszugehen ist dabei von dem Kalenderjahr.

Überschreiten der Geringfügigkeitsgrenze:

Der neue § 8 Abs. 1b SGB IV regelt nunmehr gesetzlich die Möglichkeit und die Grenzen eines unvorhersehbaren Überschreitens der Geringfügigkeitsgrenze. Eine geringfügige Beschäftigung liegt gemäß § 8 Abs. 2 S. 2 SGB IV nicht mehr vor, sobald die Voraussetzungen des Absatzes 1 entfallen. Nach den Richtlinien für die versicherungsrechtliche Beurteilung von geringfügigen Beschäftigungen (Geringfügigkeits-Richtlinien) der Spitzenverbände der Sozialversicherung gilt dies jedoch nicht, wenn die Geringfügigkeitsgrenze nur gelegentlich und unvorhersehbar überschritten wird. Eine begrenzte, lediglich ausnahmsweise erfolgende Überschreitung soll nicht zu einer unbeabsichtigten Statusänderung und entsprechenden Beitragsnachforderungen führen.

Ein unvorhersehbares Überschreiten der Geringfügigkeitsgrenze steht danach dem Fortbestand einer geringfügig entlohnten Beschäftigung nicht entgegen, wenn die Geringfügigkeitsgrenze innerhalb des für den jeweiligen Entgeltabrechnungszeitraum zu bildenden Zeitjahres in nicht mehr als zwei Kalendermonaten um jeweils einen Betrag bis zur Höhe der Geringfügigkeitsgrenze überschritten wird. Die Regelung ermöglicht ausnahmsweise eine begrenzte Mehrarbeit aus unvorhersehbarem Anlass sowie Einmalzahlungen, die dem Grunde und der Höhe nach vom Geschäftsergebnis oder einer individuellen Arbeitsleistung des Vorjahres abhängen.

Mehrere Beschäftigungsverhältnisse:

Sämtliche geringfügige Beschäftigungsverhältnisse eines Arbeitnehmers werden zusammengerechnet. Übersteigen sie die Entgeltgrenze von 538,00 EUR beginnt die Sozialversicherungspflicht. Jedoch ist der Arbeitnehmer berechtigt, neben seiner Haupttätigkeit ein Geringfügiges Beschäftigungsverhältnis steuer- und sozialversicherungsfrei auszuüben.

1.2.2 Sozialversicherungsrecht und Steuern

Für den Arbeitnehmer besteht eine Versicherungsfreiheit in der Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung.

Geringfügig entlohnt Beschäftigte sind gemäß dem § 6 Abs. 1b SGB VI grundsätzlich in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherungspflichtig versichert. Sie haben aber die Möglichkeit, sich auf Antrag von der Versicherungspflicht befreien zu lassen. Der schriftliche Befreiungsantrag ist dem Arbeitgeber zu übergeben (Opt-Out-Klausel).

Der Arbeitnehmer selbst erwirbt durch die geringfügige Beschäftigung keinen sozialversicherungsrechtlichen Anspruch, d.h. wenn der Arbeitnehmer nicht krankenversichert ist, wird auch durch die Geringfügige Beschäftigung kein Anspruch begründet.

Der Arbeitgeber hat für das Geringfügige Beschäftigungsverhältnis eine Pauschalabgabe von 30 % des Bruttoarbeitsentgelts zu zahlen. Davon entfallen 15 % auf die Rentenversicherung (§ 172 SGB VI), 13 % auf die Krankenversicherung (§ 249b SGB V) und 2 % auf Steuern (§ 40a Abs. 2 EStG).

Hinweis:

Die Beiträge zu den Sozialversicherungen sind allein vom Arbeitgeber zu tragen. Eine auch nur anteilige oder mit Zustimmung des Arbeitnehmers versehene Abwälzung der Beiträge auf den Arbeitnehmer ist unzulässig.

Jedoch kann die Pauschalsteuer auf den Arbeitnehmer übertragen werden. Zwar hat gemäß § 40 Abs. 3 EStG (auf den § 40a Abs. 5 EStG verweist) der Arbeitgeber die pauschale Lohnsteuer zu übernehmen, aber nach der Entscheidung BAG 01.02.2006 – 5 AZR 628/04 sagt »diese Verpflichtung zur Übernahme der Steuerschuld nichts darüber aus, wer die Steuer wirtschaftlich zu tragen hat. (…) Zu unterscheiden ist zwischen dem öffentlich-rechtlichen Steuerschuldverhältnis und dem privatrechtlichen Arbeitsverhältnis. § 40 Abs. 3 EStG schließt nur die Inanspruchnahme des Arbeitnehmers durch die zuständige Einzugsstelle des Steuergläubigers aus.«

Zusätzlich haben Arbeitgeber in Kleinbetrieben mit bis zu 30 Mitarbeitern 1,3 % des Arbeitsentgelts als Umlagebeitrag für die Lohnfortzahlungsversicherung zu zahlen. Besonderheiten bestehen bei der Beschäftigung in Privathaushalten (s.u.).

Geringfügig Beschäftigte sind daneben pflichtig in der Unfallversicherung zu versichern.

1.2.3 Firmenwagen

Das FG Köln hat Betriebsausgaben für einen PKW anerkannt, der dem Ehegatten des Betriebsinhabers im Rahmen eines geringfügigen Ehegattenarbeitsverhältnisses auch zur uneingeschränkten privaten Nutzung überlassen worden war (FG Köln 27.09.2017 – 3 K 2547/16):

»Das zwischen den Klägern als Ehegatten vereinbarte geringfügige Beschäftigungsverhältnis unter Zurverfügungstellung eines Kraftfahrzeugs zur uneingeschränkten privaten Nutzung durch die Klägerin und Anrechnung dieses Nutzungsvorteils auf ihren Gehaltsanspruch stellt auch keinen Missbrauch steuerlicher Gestaltungsmöglichkeiten i.S.d. § 42 AO dar.«

1.3 Zeitgeringfügigkeit

Ein Geringfügiges Beschäftigungsverhältnis in der Form der kurzfristigen Beschäftigung liegt vor, wenn die Beschäftigung innerhalb eines Kalenderjahres auf längstens drei Monate oder 70 Arbeitstage nach ihrer Eigenart oder durch vertragliche Vereinbarung begrenzt ist. Die Höhe des Einkommens ist in diesem Fall unerheblich.

Von dem Dreimonatszeitraum ist nur dann auszugehen, wenn die Beschäftigung an mindestens fünf Tagen in der Woche ausgeübt wird. Bei Beschäftigungen von regelmäßig weniger als fünf Tagen in der Woche ist bei der Beurteilung auf den Zeitraum von 70 Arbeitstagen abzustellen. Ein Nachtdienst, der sich über zwei Kalendertage erstreckt, gilt als ein Arbeitstag. Werden an einem Kalendertag mehrere kurzfristige Beschäftigungen ausgeübt, gilt dieser Kalendertag ebenfalls als ein Arbeitstag.

Die kurzfristige Beschäftigung ist auch für den Arbeitgebersozialversicherungs- und steuerfrei!

Bezüglich der Prüfung des Vorliegens der absoluten Entgeltgrenze hat das BSG nunmehr Folgendes entschieden (BSG 05.12.2017 – B 12 R 10/15):

»Das BSG hat zur unständigen Beschäftigung durch Urteil vom 11.5.1993 (12 RK 23/91 - SozR 3-2400 § 8 Nr 3 S 15 f) entschieden, dass bei der Prüfung der absoluten Entgeltgrenze das im jeweiligen Monat insgesamt erzielte Entgelt dem jeweiligen monatlichen Grenzbetrag gegenüberzustellen ist; denn eine Umrechnung auf Tage sei mit den übrigen, für diese Art der Beschäftigung geltenden Vorschriften nicht vereinbar. Der Senat hat in dieser Entscheidung ausdrücklich offengelassen, ob das Monatsprinzip nicht nur auf unständige Beschäftigungen, sondern auf alle gelegentlichen Beschäftigungen iS des § 8 Abs 1 Nr 2 SGB IV anzuwenden ist. Der Senat knüpft hieran an und bejaht nunmehr die aufgeworfene Frage: das Monatsprinzip gilt für alle gelegentlichen Beschäftigungen iS der Nr 2 des § 8 Abs 1 SGB IV; eine Umrechnung auf Tage kommt in allen Fällen einer zeitgeringfügigen Beschäftigung nicht in Betracht.«

1.4 Arbeitsrecht

Geringfügig Beschäftigte sind arbeitsrechtlich Teilzeitarbeitnehmer, sie haben z.B. einen anteiligen Anspruch auf Jahresurlaub. Sie sind nur unter Einhaltung der Kündigungsfristen kündbar, das Kündigungsschutzgesetz ist bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen anwendbar.

Die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall wird durch die Lohnfortzahlungsversicherung für kleinere und mittlere Betriebe abgemildert.

Besonderheiten bestehen bei dem Anspruch auf Mutterschaftsgeld.

2. Steuerliche Absetzbarkeit von geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen in Privathaushalten

Die Beschäftigung eines Arbeitnehmers in einem Privathaushalt wird gemäß § 35a EStG steuerlich gefördert:

  • Geringfügige Beschäftigungsverhältnisse können in Höhe von 20 % des Entgelts, höchstens jedoch in Höhe von 538,00 EUR steuerlich geltend gemacht werden.

  • Andere (sozialversicherungspflichtige) haushaltsnahe Beschäftigungsverhältnisse (z.B. Kinderfrau) können in Höhe von 20 %, höchstens jedoch in Höhe von 4.000,00 EUR geltend gemacht werden.

3. Übergangsbereich/Midi-Jobs (vormals Gleitzone)

Zur Vermeidung eines zu starken Ausweichens der Arbeitgeber auf geringfügige Beschäftigungsverhältnisse besteht ein Übergangsbereich:

Als Gleitzone gelten seit dem 01.01.2024 gemäß § 20 SGB IV Beschäftigungsverhältnisse, bei denen das erzielte Arbeitsentgelt zwischen 538,01 und 2.000,00 EUR liegt.

Bei der Prüfung der Frage, ob das Arbeitsentgelt in den Grenzen des Übergangsbereiches liegt, ist vom regelmäßigen Arbeitsentgelt auszugehen. Sofern eine betriebliche Altersversorgung durch Entgeltumwandlung (Direktversicherung – Allgemein) besteht, kann diese bis zu einer Höhe von 4 % der Beitragsbemessungsgrenze entgeltmindernd berücksichtigt werden.

Trotz der niedrigeren Beitragszahlung erwerben die Arbeitnehmer ihrem Bruttoarbeitsentgelt entsprechende Ansprüche in der Kranken- und Arbeitslosenversicherung, jedoch nur ihrer tatsächlichen Zahlung entsprechende Ansprüche in der Rentenversicherung.

Die Ausnahmen gelten jedoch nicht für Arbeitnehmer, die neben ihrer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung eine Tätigkeit mit einem Entgelt in dem Übergangsbereich ausüben.

 Siehe auch 

Arbeit auf Abruf

Teilzeitarbeit

BSG 27.06.2012 – B 12 KR 28/10 (Keine geringfügige versicherungsfreie neben einer rentenversicherungspflichtigen Beschäftigung bei demselben Arbeitgeber)

BGH 28.01.2004 – XII ZR 218/01 (Unterhaltspflicht gegenüber Eltern bei geringfügiger Beschäftigung)

BAG 16.03.1993 – 3 AZR 389/92

Marburger: Beitragsberechnung bei Mitarbeitern in der Gleitzone; Der öffentliche Dienst – DÖD 2015, 183

Von Koppenfels-Spies/Wenner: SGB IV. Kommentar; 3. Auflage 2022