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Erkennungsdienstliche Behandlung

 Normen 

§  81b StPO

 Information 

Zwangsmittel im Strafverfahren:

Als erkennungsdienstliche Behandlung werden die Maßnahmen gemäß § 81b StPO bezeichnet.

Der Anwendungsbereich der erkennungsdienstlichen Behandlung erstreckt sich auf alle Maßnahmen mit dem Ziel der Feststellung der körperlichen Beschaffenheit des Beschuldigten, die keine körperliche Untersuchung erfordern. Der Beschuldigte hat diese Behandlungen auch gegen seinen Willen zu dulden, wenn sie für die Zwecke des Strafverfahrens bzw. des Erkennungsdienstes notwendig sind. Erkennungsdienstliche Maßnahmen sind z.B.:

  • Anfertigen von Fotografien

  • Abnahme von Fingerabdrücken

  • Durchführen von Messungen

  • Erstellen eines Videofilms

Unzulässig ist es, den Beschuldigten zu einer Sprech-, Schrift- oder Stimmprobe zu zwingen.

§  81b StPO ermöglicht die Anordnung erkennungsdienstlicher Maßnahmen zu unterschiedlichen Zwecken. Das BVerwG hat diese Zwecke wie folgt zusammengefasst (BVerwG 27.06.2018 - 6 C 39.16):

  • "In der 1. Alternative der Vorschrift dienen sie der Ermittlung und Feststellung des entscheidungserheblichen Sachverhalts in einem gegen den Betroffenen als Beschuldigten gerichteten Strafverfahren. Sie werden für die Zwecke der Durchführung dieses Strafverfahrens vorgenommen, so dass die Datenerhebung mit dem Wegfall der Beschuldigteneigenschaft des Betroffenen durch die gesetzliche Zweckbestimmung nicht mehr gedeckt ist.

  • Demgegenüber werden erkennungsdienstliche Maßnahmen in der 2. Alternative der Vorschrift nicht für die Zwecke eines aktuell gegen den Betroffenen gerichteten Strafverfahrens vorgenommen. Die Datenerhebung und Speicherung dient vielmehr - ohne unmittelbaren Bezug zu einem konkreten Strafverfahren - der Strafverfolgungsvorsorge durch Bereitstellung sächlicher Hilfsmittel für die Erforschung und Aufklärung von Straftaten als der Kriminalpolizei durch § 163 StPO zugewiesener Aufgabe (...). Dass eine erkennungsdienstliche Behandlung nach dieser Vorschrift nur gegen einen Beschuldigten angeordnet werden darf, besagt lediglich, dass die Anordnung nicht an beliebige Tatsachen anknüpfen und zu einem beliebigen Zeitpunkt ergehen kann, sondern dass sie aus einem konkret gegen den Betroffenen als Beschuldigten geführten Strafverfahren hervorgehen und sich die Notwendigkeit der erkennungsdienstlichen Behandlung jedenfalls auch aus den Ergebnissen dieses Verfahrens herleiten muss. Das Merkmal des Beschuldigten ändert jedoch nichts daran, dass die gesetzlichen Zwecke einer nach § 81b 2. Alt. StPO angeordneten erkennungsdienstlichen Behandlung außerhalb des Strafverfahrens liegen, das Anlass zur Anordnung gegeben hat (...).

    Das Bundesverwaltungsgericht hat aus der unterschiedlichen Zweckbestimmung der erkennungsdienstlichen Maßnahmen in den verschiedenen Varianten des § 81b StPO den Schluss gezogen, dass die Rechtmäßigkeit einer auf die zweite Alternative gestützten Anordnung - im Gegensatz zur Rechtmäßigkeit von Maßnahmen nach der ersten Alternative - nicht dadurch berührt wird, dass der Betroffene nach Abschluss des Verwaltungsverfahrens und vor dem Vollzug des Verwaltungsakts die Beschuldigteneigenschaft verliert (...). In Fortentwicklung dieser Rechtsprechung folgt der erkennende Senat dem Berufungsgericht, dass der Betroffene nur bei Ergehen der Anordnung und nicht auch noch bei Erlass des Widerspruchsbescheides Beschuldigter gewesen sein muss."

Voraussetzungen einer erkennungsdienstlichen Behandlung sind:

  • Die Maßnahme dient der Durchführung des Strafverfahrens oder dem Erkennungsdienst.

    Beispiel:

    Das Bundesverfassungsgericht hat die Zulässigkeit einer erkennungsdienstlichen Behndlung in der Form der Abnahme eines Zehnfinger- und Handflächenabdrucks abgelehnt, da die Identifizierung des Täters nicht über die Abnahme eines Zehnfinger- und Handflächenabdrucks hätte erfolgen können, weil Finger- oder Handflächenabdrücke ausweislich der Ermittlungsakte am Tatort nicht sichergestellt worden waren (BVerfG 29.07.2022 - 2 BvR 54/22).

  • Es besteht ein konkreter Verdacht gegen den Beschuldigten, nicht notwendig ist, dass bereits ein Ermittlungsverfahren eingeleitet wurde.

  • Die Maßnahme wurde von der Staatsanwaltschaft, von den zuständigen Polizeimitarbeitern bzw. nach Anklageerhebung von dem zuständigen Richter angeordnet.

Immer muss der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gewahrt sein:

"Bei Anordnung einer erkennungsdienstlichen Behandlung sind die konkret angeordneten Maßnahmen nicht als "Gesamtpaket", sondern im Einzelnen am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu prüfen; prinzipiell muss sich jede verfügte Einzelmaßnahme als gesonderter Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung am Übermaßverbot rechtfertigen lassen können" (OVG Sachsen-Anhalt 08.03.2019 - 3 L 238/17).

Wird das Verfahren später eingestellt oder der Beschuldigte freigesprochen, bleiben die Maßnahmen rechtmäßig.

Rechtsschutz gegen die Anordnung der erkennungsdienstlichen Behandlung bzw. die Aufbewahrung der Unterlagen besteht wie folgt:

Die Aufbewahrung der Unterlagen der erkennungsdienstlichen Behandlung ist grundsätzlich zulässig. Als Höchstdauer wird eine Frist von ca. 10 Jahren angesehen.

 Siehe auch 

Beschuldigter

Blutprobe

DNA-Analyse im Strafprozess

Ermittlungsverfahren

Buchholz\ Kersig: Aus der Praxis: Erkennungsdienstliche Behandlungen: Strafprozessrecht im Verwaltungsprozess; Juristische Schulung - JuS 2019, 351

Krach: Einheitlicher Rechtsschutz gegen die erkennungsdienstliche Behandlung des Beschuldigten; Juristische Rundschau - JR 2003, 140

Vordermayer/von Heintschel-Heinegg/Schnabl/Beckstein: Handbuch für die staatsanwaltliche Tätigkeit; 7. Auflage 2023