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Betriebsbedingte Änderungskündigung

 Normen 

§ 2 KSchG

 Information 

1. Allgemein

Die betriebsbedingte Änderungskündigung ist eine Änderungskündigung aus betriebsbedingten Gründen.

Die betriebsbedingte Änderungskündigung kann ausgesprochen werden sowohl bei Arbeitsverhältnissen, die dem Kündigungsschutz unterliegen als auch bei Arbeitsverhältnissen ohne Kündigungsschutz.

Hinweis:

Bei Arbeitsverhältnissen ohne Kündigungsschutz kann die Zulässigkeit der betriebsbedingten Änderungskündigung grundsätzlich nicht gerichtlich überprüft werden, es sei denn der Ausspruch der betriebsbedingten Änderungskündigung ist sittenwidrig oder verstößt gegen den Grundsatz von Treu und Glauben.

Im Folgenden wird nur die Rechtslage der dem Kündigungsschutz unterliegenden betriebsbedingten Änderungskündigung dargestellt.

Der Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, in jedem Fall vor dem Ausspruch einer Änderungskündigung mit dem Arbeitnehmer eine einvernehmliche Lösung zu suchen (BAG 21.04.2005 - 2 AZR 244/04).

2. Begründetheit

Die betriebsbedingte Änderungskündigung ist unwirksam, wenn sie gemäß der Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 KSchG sozial ungerechtfertigt ist. Dabei ist nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (u.a. BAG 23.06.2005 - 2 AZR 642/04) wie folgt zu prüfen:

  1. a)

    Bestehen dringende betriebliche Gründe, die der Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers zu den bisherigen Bedingungen entgegenstehen?

    Eine betriebsbedingte Änderungskündigung ist sozial gerechtfertigt, wenn sie aufgrund eines anerkennungswerten Anlasses erfolgt und der Arbeitgeber sich auf Änderungen beschränkt, die der Arbeitnehmer billigenderweise hinnehmen muss.

    Ein anerkennungswerter Anlass liegt vor, wenn das Bedürfnis zur Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers zu den bisherigen Bedingungen entfallen ist. Dies kann eine nur der unternehmerischen Entscheidung unterliegende betriebliche Umstrukturierung sein.

    Zu beachten ist, dass der Arbeitgeber das Organisationsermessen hat.

    Zu den Besonderheiten bei der Änderung der Vergütung bzw. von sonstigen Entgeltregelungen siehe unten.

  2. b)

    Sind die neuen Arbeitsbedingungen erforderlich und für den Arbeitnehmer zumutbar (Verhältnismäßigkeitsprüfung)?

    Ob die vorgeschlagenen Änderungen von dem Arbeitnehmer billigenderweise hinzunehmen sind, richtet sich nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, dessen Anforderungen der allgemeinen Änderungskündigung entsprechen.

3. Sozialauswahl

Bei der auch bei der betriebsbedingten Änderungskündigung vorzunehmenden Sozialauswahl ist darauf abzustellen, ob die Änderungen auch einem sozial weniger schutzbedürftigeren Arbeitnehmer hätten angeboten werden können (BAG 18.01.2007 - 2 AZR 796/05).

4. Reduzierung der Vergütung und sonstiger entgeltlicher Vergünstigungen

4.1 Kündigung der Vergütung

Grundsätzlich kann die Änderungskündigung auch zur Änderung der wesentlichen Arbeitsbedingungen, insbesondere der Reduzierung der Vergütung, ausgesprochen werden. Aber es bestehen enge Vorgaben durch die Rechtsprechung:

Der Eingriff in das arbeitsvertraglich vereinbarte Verhältnis von Leistung und Gegenleistung ist allenfalls gerechtfertigt, wenn bei dessen Beibehaltung betrieblich nicht mehr auffangbare Verluste entstünden, die absehbar zu einer Reduzierung der Belegschaft oder sogar zu einer Schließung des Betriebs führen müssten. Regelmäßig bedarf es zur Rechtfertigung eines solchen Eingriffs eines umfassenden Sanierungsplans, der alle im Vergleich mit der beabsichtigten Änderungskündigung milderen Mittel ebenfalls ausschöpft. Vom Arbeitgeber ist in diesem Zusammenhang zu verlangen, dass er die Finanzlage des Betriebs, den Anteil der Personalkosten und die Auswirkung der erstrebten Kostensenkungen für den Betrieb und für die Arbeitnehmer darstellt und darlegt, warum andere Maßnahmen nicht ausreichen oder nicht in Betracht kommen (BAG 20.06.2013 - 2 AZR 396/12, BAG 26.06.2008 - 2 AZR 139/07).

Wenn durch das Änderungsangebot neben der Tätigkeit (Arbeitsleistungspflicht) auch die Gegenleistung (Vergütung) geändert werden soll, sind jedoch beide Elemente des Änderungsangebots am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu messen. Eine gesonderte Rechtfertigung der Vergütungsänderung ist nur dann entbehrlich, wenn sich die geänderte Vergütung aus einem im Betrieb angewandten Vergütungssystem ergibt (Tarifautomatik).

Der Arbeitgeber ist grundsätzlich frei, die Gehälter auszuhandeln. Er kann deshalb auch in Fällen der Tätigkeitsänderung dem Arbeitnehmer eine von ihm selbst und unabhängig von Vergütungssystemen festgesetzte Gegenleistung (Entgelt) anbieten.

Bei der Festsetzung muss er allerdings den Änderungsschutz berücksichtigen und im Prozess die Gründe darlegen, die ihn unter Berücksichtigung des Änderungsschutzes zu den angebotenen Vertragsbedingungen bewogen haben. So kann eine Entgeltreduzierung bei geändertem Arbeitsinhalt beispielsweise durch einen evident geringeren Marktwert der neu angebotenen gegenüber der bisherigen Tätigkeit gerechtfertigt sein (BAG 03.04.2008 - 2 AZR 500/06).

Eine übertarifliche Vergütung kann nicht durch die Berufung auf den Gleichbehandlungsgrundsatz mittels einer betriebsbedingten Änderungskündigung gekürzt werden. Der Gleichbehandlungsgrundsatz ist eine Anspruchsgrundlage zur Begründung von Rechten, nicht zur Reduzierung von Rechten.

Sofern die konkrete Gefahr einer Insolvenz besteht, ist der Arbeitgeber auch berechtigt, eine außerordentliche Änderungskündigung zur Entgeltsicherung auszusprechen (BAG 01.03.2007 - 2 AZR 580/05).

4.2 Kündigung sonstiger entgeltlicher Vergünstigungen

Ein dringendes betriebliches Änderungserfordernis kommt in Betracht, wenn die Parteien Nebenleistungen vereinbart haben, deren Gewährung an Umstände anknüpft, die nicht notwendig während der gesamten Dauer des Arbeitsverhältnisses vorliegen. So kann ein Mietzuschuss, der ursprünglich die Preisdifferenz zwischen einer billigen Werkwohnung und einer Wohnung auf dem freien Markt ausgleichen sollte oder die Zusage einer kostenlosen Beförderung zum Betriebshof wegen veränderter Umstände sachlich ungerechtfertigt werden. Ein Arbeitgeber, der sich in solchen Fällen auf eine wesentliche Änderung der maßgebenden äußeren Verhältnisse beruft, stützt sich auf Umstände, die außerhalb von §§ 1, 2 KSchG als möglicher Wegfall oder als mögliche Störung der Geschäftsgrundlage geprüft werden. Derartige Umstände können das Beharren auf der vereinbarten Leistung als unbillig und unberechtigt erscheinen lassen und geeignet sein, eine Änderung sozial zu rechtfertigen (BAG 20.06.2013 - 2 AZR 396/12).

5. Änderung des Anforderungsprofils der Stelle

Grundsätzlich kann auch die Änderung des Anforderungsprofils einer Stelle eine betriebsbedingte Änderungkündigung rechtfertigen. Aber es bestehen Vorgaben:

"Die Gestaltung des Anforderungsprofils für einen Arbeitsplatz unterliegt grundsätzlich der freien "unternehmerischen" Disposition. (...). Die Vorgabe kann von den Arbeitsgerichten nur auf Willkür und offenbare Unrichtigkeit hin gerichtlich überprüft werden (...). Sind allerdings die betreffende Organisationsentscheidung und der Kündigungsentschluss des Arbeitgebers praktisch deckungsgleich, weil der Arbeitnehmer dem neuen Anforderungsprofil nicht genügt, kann die generelle Vermutung, dass eine unternehmerische Entscheidung auf sachlichen Gründen beruht, nicht unbesehen greifen. Der Arbeitgeber kann sich nicht lediglich auf seine Entscheidungsfreiheit berufen. Er muss vielmehr konkret darlegen, wie seine Entscheidung sich auf die tatsächlichen Möglichkeiten, die Arbeitnehmer einzusetzen, auswirkt und in welchem Umfang durch sie ein konkreter Änderungsbedarf entstanden ist (...). Beruft sich der Arbeitgeber zur Rechtfertigung einer betriebsbedingten Kündigung auf eine Neubestimmung des Anforderungsprofils, muss er den zugrunde liegenden betrieblichen Anlass im Einzelnen darlegen. Die Entscheidung zur (neuen) Stellenprofilierung muss im Zusammenhang mit einer organisatorischen Maßnahme - ggf. im Zusammenhang mit einer Neuausrichtung der Geschäftstätigkeit - stehen, nach deren Durchführung sich die bisherigen Anforderungen an den Stelleninhaber ändern" (BAG 02.03.2017 - 2 AZR 546/16).

6. Außerordentliche Änderungskündigung

Allgemein:

Das BAG hat auch "eine außerordentliche betriebsbedingte Änderungskündigung mit Auslauffrist aus wichtigem Grund in extremen Ausnahmefällen zugelassen. An deren Wirksamkeit sind freilich erhebliche Anforderungen zu stellen (...). Ein solcher wichtiger Grund im Extremfall ist auch bei einer Verlegung des Sitzes des Arbeitgebers und bei einer daran anknüpfenden Änderungskündigung zum Zwecke der Änderung des Arbeitsortes grundsätzlich denkbar" (BAG 28.05.2009 - 2 AZR 844/07).

Bei Vorliegen einer Unkündbarkeit:

Sofern der Arbeitnehmer aufgrund einer arbeitsvertraglichen oder tarifvertraglichen Regelung ordentlich unkündbar ist, gilt der Ausschluss der ordentlichen Kündigung auch für Änderungskündigungen (BAG 28.10.2010 - 2 AZR 688/09).

"Eine auf betriebliche Gründe gestützte außerordentliche Änderungskündigung kommt nur in Betracht, wenn die Änderung der Arbeitsbedingungen für den Arbeitgeber unabweisbar notwendig ist, wenn beispielsweise die Änderung der Arbeitsbedingungen zum Ziel hat, der konkreten Gefahr einer Insolvenz des Arbeitgebers zu begegnen. In einer existenzbedrohenden Lage kann der Arbeitgeber grundsätzlich auch von seinen ordentlich unkündbaren Arbeitnehmern einen Sanierungsbeitrag verlangen und im Wege der außerordentlichen Änderungskündigung durchsetzen (...) Nach Sinn und Zweck des Ausschlusses der ordentlichen Kündbarkeit, der dem Arbeitnehmer eine beamtenähnlichen Bestandsschutz gewähren soll, kann aber nicht jede Umorganisation oder Schließung einer Teileinrichtung, die mit dem Wegfall von Arbeitsplätzen einhergeht, zu einer außerordentlichen Kündigung führen (...). Der Arbeitgeber hat dem Arbeitnehmer eine Beschäftigungsgarantie gegeben. Er ist deshalb in einem besonderen Maß verpflichtet zu versuchen, die Kündigung durch geeignete andere Maßnahmen zu vermeiden" (LAG Mecklenburg-Vorpommern 16.06.2020 - 5 Sa 53/20).

 Siehe auch 

Abwicklungsvertrag - Arbeitsrecht

Änderungskündigung

Betriebsbedingte Kündigung

BAG 24.05.2012 - 2 AZR 163/11 (Betriebsbedingte Änderungskündigung - Stationierungsstreitkräfte)

BAG 12.08.2010 - 2 AZR 558/09 (Verlegung des Arbeitsorts im öffentlichen Dienst als Erfordernis für eine Änderungskündigung)

BAG 13.12.2007 - 2 AZR 663/06 (Anwendbarkeit des § 1a KSchG auf eine betriebsbedingte Änderungskündigung)

BAG 16.05.2002 - 2 AZR 292/01 (Änderungskündigung zum Abbau einer Zulage)

Berkowsky: Die betriebsbedingte Änderungskündigung und ihr Streitgegenstand; Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht - NZA 2000, 1129

Debong: Entwicklungsklausel und betriebsbedingte Änderungskündigung des Chefarztdienstvertrages; ArztRecht - ArztR 2014, 257

Fischer: Die Änderungskündigung in der Insolvenz; Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht - NZA 2002, 536

Hahn: Versetzung, Abordnung und Umsetzung: Zwischen Direktionsrecht und Änderungskündigung; Zeitschrift für das öffentliche Arbeits- und Tarifrecht - öAT 2021, 139

Herbert/Oberrath: Die soziale Rechtfertigung der betriebsbedingten Änderungskündigung; Neue Juristische Wochenschrift - NJW 2008, 3177

Kerbein: Betriebsbedingte Kündigungen in der Kommunikationsbranche; Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht - NZA 2002, 889

Moderegger: Änderungskündigung zur Entgeltsenkung; Der Arbeits-Rechts-Berater - ArbRB 2009, 42

Rücker: Die betriebsbedingte Kündigung zur Entgeltreduzierung; Dissertation, 2003

Schmalkalden/Oberrath: Die soziale Rechtfertigung der betriebsbedingten Änderungskündigung; Neue Juristische Wochenschrift - NJW 2008, 3177

Zundel: Die neue Flexibilität im Arbeitsrecht durch das BAG; Neue Juristische Wochenschrift - NJW 2006, 2304