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Behindertengleichstellung

 Normen 

BGG

Verordnung zur Schaffung barrierefreier Informationstechnik nach dem Behindertengleichstellungsgesetz (BITV)

AGG

Behindertengleichstellungsgesetze der Länder

BGleiSV

 Information 

1. Allgemein

Im Vordergrund der Behindertenhilfe steht die Ermöglichung eines selbstbestimmten Lebens durch Integration. Die Verwirklichung dieses Ziels soll mit dem Behindertengleichstellungsgesetz erreicht werden. Daneben haben auch die Länder Behindertengleichstellungsgesetze erlassen.

Ziel des Behindertengleichstellungsgesetzes ist es, die Benachteiligung von Menschen mit Behinderungen zu beseitigen und zu verhindern sowie ihre gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu gewährleisten und ihnen eine selbstbestimmte Lebensführung zu ermöglichen. Die Definition der vom Schutzzweck des Behindertengleichstellungsgesetzes erfassten Behinderungen entspricht dem § 2 Sozialgesetzbuch IX.

Der Geltungsbereich des BGG erfasst auch Beliehene und andere Bundesorgane, soweit sie eine öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit ausüben. Beliehene unterliegen als Teil der mittelbaren Staatsverwaltung denselben Pflichten wie die Träger öffentlicher Gewalt. Zu anderen Bundesorganen im oben genannten Sinne zählen unter anderem die Verwaltung des Bundestages und die Bundesgerichte, soweit sie öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit ausüben.

Kernstück des BGG und eine grundlegende Voraussetzung für die selbstbestimmte gesellschaftliche Teilhabe von Menschen mit Behinderungen ist die Barrierefreiheit.

Die deutsche Gebärdensprache ist gemäß § 6 BGG als eigenständige Sprache anerkannt.

Ein zusätzlicher Schutz für Menschen mit Behinderungen vor Benachteiligungen im allgemeinen Zivilrechtsverkehr sowie im Berufsleben besteht nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz. Die Inhalte sind in dem Beitrag "Allgemeine Gleichbehandlung" aufgeführt.

2. Frauen mit einer Behinderung

Stärkung von Frauen mit Behinderungen und Aufnahme einer Regelung zur Benachteiligung wegen mehrerer Gründe: Die Vorschrift des § 2 BGG (Frauen mit Behinderungen) wurde im Hinblick auf die Benachteiligungen wegen mehrerer Gründe, das heißt wegen des Geschlechts und wegen der Behinderung, ergänzt. Dies dient der Sensibilisierung. Schon in der Gesetzesbegründung aus dem Jahr 2001 wurde darauf hingewiesen, dass gerade Frauen mit Behinderungen oft in doppelter Hinsicht Benachteiligungen erleiden.

3. Leichte Sprache

Leichte Sprache zur stärkeren Berücksichtigung der Belange von Menschen mit geistigen Behinderungen: Für Menschen mit geistigen Behinderungen stellen komplizierte Inhalte Barrieren dar, die überwunden werden können. Träger öffentlicher Gewalt sollen mit Menschen mit geistigen Behinderungen und Menschen mit seelischen Behinderungen helfen, diese Barrieren zu überwinden. Dabei ist gemäß § 11 BGG folgendes Stufensystem vorgesehen:

  • Zunächst müssen die Träger öffentlicher Gewalt auf Verlangen den Menschen mit Behinderung Bescheide, Allgemeinverfügungen, öffentlich-rechtliche Verträge und Vordrucke in einfacher und verständlicher Weise erläutern.

  • Ist die Erläuterung nicht ausreichend, sollen Träger öffentlicher Gewalt auf Verlangen Menschen mit geistigen Behinderungen und Menschen mit seelischen Behinderungen Bescheide, Allgemeinverfügungen, öffentlich-rechtliche Verträge und Vordrucke in Leichter Sprache erläutern.

    Dass eine Schwerbehinderung festgestellt worden ist, ist nicht Voraussetzung für die Anwendung dieser Regelung. Auch weitere Personengruppen, die im Laufe des Lebens eine Beeinträchtigung der Sprache erleiden, zum Beispiel nach einem Schlaganfall oder bei Demenz, können von Informationen in Leichter Sprache profitieren.

    Erläuterungen in Leichter Sprache können unter Berücksichtigung der Anforderungen der BITV (vergleiche § 3 Abs. 2 BITV in Verbindung mit Anlage 2, Teil 2) oder der Regeln des Netzwerks Leichte Sprache (vergleiche https://www.leichte-sprache.org/die-regeln/) erstellt werden.

    Für typische Fallgestaltungen, die häufig auftreten, empfiehlt sich die Entwicklung von Textbausteinen in Leichter Sprache.

    Die Regelung umfasst keine Erteilung von rechtsverbindlichen Bescheiden in Leichter Sprache. Auch eine umfassende Verpflichtung zur Verwendung von Leichter Sprache wird damit nicht verankert. Die Feststellung, ob und in welchem Umfang eine Erläuterung erfolgt, liegt nach der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 18/7824) im pflichtgemäßen Ermessen des Trägers öffentlicher Gewalt. Dass eventuell anfallende Kosten für Erläuterungen in einfacher Sprache oder Leichter Sprache im notwendigen Umfang vom zuständigen Träger öffentlicher Gewalt zu tragen sind, regelt Absatz 3 Satz 1 und 2. Beauftragt der Träger öffentlicher Gewalt zur Erläuterung in Textform Dritte, beispielsweise ein Übersetzungsbüro, trägt der Träger öffentlicher Gewalt die anfallenden Kosten.

Diese Regelungen zur Verständlichkeit und Leichten Sprache gelten entsprechend in den SGB I und SGB X.

4. Kommunikation von Menschen mit Hör- und Sprachbehinderung

Kommunikation von Menschen mit Hör- und Sprachbehinderungen: Mit Änderungen in den §§ 6 und 9 BGG wird die Vielfältigkeit der Kommunikation von Menschen mit Hör- und Sprachbehinderungen unterstrichen: Die Deutsche Gebärdensprache und lautsprachbegleitende Gebärden waren bereits zuvor explizit als Kommunikationsform anerkannt: Die Kommunikation von Menschen mit Hör- und Sprachbehinderungen ist jedoch weitaus vielfältiger. Menschen mit Hör- und Sprachbehinderungen haben entsprechend auch unterschiedliche Anforderungen an die Kommunikation mit Trägern öffentlicher Gewalt. Die neuen Regelungen unterstreichen diese Vielfältigkeit der Kommunikation durch eine gleichrangige Benennung der verschiedenen Kommunikationsformen und Kommunikationshilfen. Es wird nicht mehr zwischen den verschiedenen Kommunikationshilfen unterschieden, sondern der Oberbegriff "geeignete Kommunikationshilfe" verwendet.

5. Assistenzhunde

Menschen mit Behinderungen können durch Assistenzhunde unterstützt werden.

6. Behindertenverbände

Die Anerkennung von Behindertenverbänden erfolgt gemäß § 15 Abs. 3 BGG durch das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung nach einem Vorschlag des Beirats für die Teilhabe behinderter Menschen.

Den anerkannten Verbänden ist nach § 15 Abs. 1 BGG die Möglichkeit gegeben, unabhängig von einem bestimmten Einzelfall vor dem Verwaltungs- oder Sozialgericht Klage zu erheben, wenn ein Verstoß gegen die in § 15 Abs. 1 Nr. 1 - 3 BGG enumerativ aufgezählten Vorschriften vorliegt und der Verband durch die Maßnahme in seinen satzungsmäßigen Aufgabenbereich berührt wird. Dabei setzt diese Klagemöglichkeit nicht voraus, dass der klagende Verband in seinen subjektiven Rechten verletzt ist. Vielmehr wird ihm allgemein die Möglichkeit eingeräumt, die tatsächliche Anwendung von Vorschriften durchzusetzen, die dem Schutz behinderter Menschen dienen. Soweit ein behinderter Mensch selbst seine Rechte durch eine Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können, muss der Klagegegenstand von allgemeiner Bedeutung sein.

Vor der Erhebung einer Klage gegen einen Träger öffentlicher Gewalt nach § 1 Abs. 2 S. 1 BGG hat der anerkannte Verband ein Schlichtungsverfahren nach § 16 BGG durchzuführen. Diese Klage ist nur zulässig, wenn keine gütliche Einigung im Schlichtungsverfahren erzielt werden konnte und dies bescheinigt worden ist. Das Schlichtungsverfahren ersetzt in diesen Fällen ein vor der Klageerhebung durchzuführendes Vorverfahren. Ist potenzieller Klagegegner eine Landesbehörde bleibt es bei dem Erfordernis der Durchführung eines Widerspruchsverfahrens.

Anerkannte Behindertenverbände sollen daneben gemäß § 5 BGG mit Unternehmen oder Unternehmensverbänden der verschiedenen Wirtschaftsbranchen Zielvereinbarungen zur Herstellung der Barrierefreiheit abschließen. Diese Zielvereinbarungen werden in ein Zielvereinbarungsregister eingetragen, das von dem Bundesministerium für Gesundheit und soziale Sicherheit geführt wird (https://www.bmas.de/DE/Soziales/Teilhabe-und-Inklusion/Barrierefreie-Gestaltung-der-Arbeit/Zielvereinbarungsregister/zielvereinbarungsregister.html).

7. Bundesbeauftragter

Die Bundesregierung bestellt gemäß § 17 BGG einen Beauftragten/eine Bundesbeauftragte für die Belange von Menschen mit Behinderungen (http://www.behindertenbeauftragter.de). Das Amt endet mit dem Zusammentreten eines neuen Bundestages.

Aufgaben des Behindertenbeauftragten sind:

  • Einflussnahme auf die politischen Entscheidungen der Bundesregierung zur Erreichung gleichwertiger Lebensbedingungen für Menschen mit und ohne Behinderung.

  • Ansprechpartner der Bundesregierung in Angelegenheiten behinderter Menschen.

  • Öffentlichkeitsarbeit zur Information der Bevölkerung über die Situation behinderter Menschen.

8. Schlichtungsstelle

Es wurde gemäß § 16 BGG eine Schlichtungsstelle bei dem Bundesbeauftragten für die Belange von Menschen mit Behinderungen eingerichtet und die Möglichkeit von Schlichtungsverfahren eingeführt, die auf rasche Einigung abzielen und für die Beteiligten kostenfrei sind. Das Schlichtungsverfahren ist Verbandsklagen vorgeschaltet (s.u.) und steht Einzelpersonen zur Verfügung.

Mit der "Verordnung über die Schlichtungsstelle nach § 16 des Behindertengleichstellungsgesetzes und ihr Verfahren (Behindertengleichstellungsschlichtungsverordnung - BGleiSV" wurden Regelungen zur Geschäftsstelle, zur Besetzung, zum Verfahren, zu den Kosten des Verfahrens und zum Tätigkeitsbericht der Schlichtungsstelle geschaffen.

 Siehe auch 

Barrierefreiheit

Gleichheitsgebot

Integrationsamt

Integrationsfachdienst

Schwerbehinderte Arbeitnehmer

Träger öffentlicher Gewalt