Rechtswörterbuch

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Bahnreise

 Normen 

VO 2021/782

AEG

EVO

ERegG

HaftPflG

 Information 

1. Rechtsgrundlagen

Rechtsgrundlagen des Bahnreisevertrages ergeben sich für die Personenbeförderung aus

Die Europäische Union hat mit der VO 2021/782 über die Rechte und Pflichten der Fahrgäste im Eisenbahnverkehr  einheitliche Regelungen für den Schutz von Fahrgästen im Eisenbahnverkehr in Europa festgelegt. Die Verordnung gilt unmittelbar in jedem EU-Mitgliedstaat.

Bei den Rechtsgrundlagen der Fahrgastrechte besteht folgende Hierarchie:

  1. a)

    Primäre Rechtsgrundlage der Fahrgastrechte ist die VO 2021/782 über die Rechte und Pflichten der Fahrgäste im Eisenbahnverkehr.

  2. b)

    Daneben gilt das Allgemeine Eisenbahngesetz (AEG), dessen Vorschriften aber gemäß § 1 AEG nicht anwendbar sind, soweit in der VO 2021/782 inhaltsgleiche oder entgegenstehende Regelungen vorgesehen sind.

  3. c)

    Auch die für die Beförderung von Personen und Reisegepäck geltenden Vorschriften der Eisenbahn-Verkehrsordnung (EVO) sind gemäß § 1 EVO nur anwendbar, wenn nicht

    1. aa)

      das Übereinkommen für den internationalen Eisenbahnverkehr (COTIF) eine anderslautende Bestimmung enthält

      oder

    2. bb)

      die VO 2021/782 eine inhaltsgleiche oder entgegenstehende Regelung enthält.

2. Die Fahrgastrechte nach der VO 2021/782

Die Ansprüche der Fahrgäste aufgrund von Verspätungen, verpassten Anschlussverbindungen und Zugausfällen sind in den Art. 17 - 20 der VO 2021/782 sowie dem Anhang I Titel IV Kapitel II (Art. 32 des Anhangs I) der VO 2021/782 geregelt.

Ausnahmme von der Entschädigungspflicht:

Eisenbahnunternehmen sind gemäß Art. 19 Abs. 10 VO 2021/782 nicht zur Zahlung einer Entschädigung verpflichtet, wenn sie nachweisen können, dass Verspätungen, verpasste Anschlüsse oder Zugausfälle als direkte Folge von oder in untrennbarem Zusammenhang mit den in der Vorschrift aufgeführten Umständen aufgetreten sind, so extreme Witterungsbedingungen, große Naturkatastrophen oder das Verhalten eines Dritten wie Betreten der Gleise, Kabeldiebstahl, Notfälle im Zug, Strafverfolgungsmaßnahmen, Sabotage oder Terrorismus.

Entsprechendstabelle / Synopse:

In dem Anhang IV der VO 2021/782 ist eine Entsprechendstabelle eingearbeitet, anhand der man den neuen Regelungsort der bisherigen Normen ermitteln kann.

3. Fahrgastrecht nach dem AEG / der EVO

3.1 Beförderungsbedingungen

Gemäß § 3 EVO kann von den Regelungen der EVO nicht zuungunsten der Reisenden abgewichen werden.

3.2 Ausschluss von der Beförderung

In § 5 EVO sind Tatbestände aufgeführt, bei deren Vorliegen die Beförderung ausgeschlossen werden kann. Kinder können ausgeschlossen werden, wenn sie noch nicht schulpflichtig sind, noch keine 6 Jahre alt und nicht während der gesamten Fahrtstrecke von einer Aufsichtsperson begleitet werden.

Erwachsene können ausgeschlossn werden, wenn sie eine Gefahr für die Sicherheit und Ordnung des Betriebes oder Mitreisende sind oder sie Anordnungen des Eisenbahnpersonals nicht folgen. Ein Anspruch auf Erstattung des Beförderungsentgelts oder der Gepäckfracht besteht in diesen Fällen nicht.

3.3 Informationspflichten

§ 10 EVO formuliert konkrete Informationspflichten für den Beförderungsvertrag im Schienenpersonennahverkehr: Danach muss der Reisende bei der Buchung durch einen Aushang oder digital über seine nach der VO 2021/782 und der EVO bestehenden Rechte informiert werden.

3.4 Verspätungen im Schienenpersonennahverkehr

Durch § 11 EVO wird die Haftung der Eisenbahnverkehrsunternehmen bei Verspätungen im Schienenpersonennahverkehr gegenüber der VO 2021/782 erweitert.

Neben den in der VO 2021/782 geregelten Fahrpreisentschädigungen bei Verspätung sowie Hilfeleistungen  und der Möglichkeit zur Weiterreise mit geänderter Streckenführung werden dem Reisenden weiter gehende Rechte gewährt.

3.5 Digitale Beantragung der Erstattung und Entschädigung

Die Eisenbahnverkehrsunternehmen sind seit dem 03.08.2023 gemäß § 12b AEG verpflichtet, den Fahrgästen für die Einreichung von Erstattungs- und Entschädigungsanträgen zumindest einen elektronischen Kommunikationsweg zur Verfügung zu stellen. Welche Form der elektronischen Kommunikation gewählt wird, bleibt den Unternehmen überlassen. Möglich ist nach der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 20/5628) beispielsweise das Anbieten der Einreichung per E-Mail oder über Formulare auf Webseiten, aber auch die Integration in Buchungs-Apps.

3.6 Schlichtungsstelle

Die Möglichkeit zur Inanspruchnahme einer Verbraucherschlichtungsstelle zur Vermittlung bei Streitigkeiten zwischen Reisenden und Verkehrsbetrieben ist in § 15 EVO geregelt.

Die Verbraucherschlichtungsstelle bedarf der Anerkennung und unterliegt bei ihrer Tätigkeit den Vorschriften des Verbraucherstreitbeilegungsgesetzes. Abweichend von der allgemeinen Regelung ist zuständige Behörde für die Anerkennung der Schlichtungsstellen das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur, das im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz handelt. Die Verbraucherschlichtungsstelle kann auch eine verkehrsträgerübergreifende Stelle sein.

Es bestehen folgende Schlichtungsstellen:

3.7 Zuständige Beschwerdestelle

Mit § 5a Abs. 8 AEG wird den Eisenbahnaufsichtsbehörden zugleich auch die Funktion der Beschwerdestelle im Sinne der VO 1371/2007 zugewiesen.

Allerdings obliegt den Eisenbahnaufsichtsbehörden nach der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 16/11607) nicht die Beilegung von Streitigkeiten, sondern die Überwachung der Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften.

In Deutschland wird die Eisenbahnaufsicht gemäß § 5 AEG von den Eisenbahnaufsichtsbehörden in Bund und Ländern wahrgenommen. Das Eisenbahn-Bundesamt ist in einer Vielzahl der Fälle als Aufsichtsbehörde zuständig, zum Beispiel für die Eisenbahnen des Bundes und durch Organleihe derzeit auch für die nicht bundeseigenen Eisenbahnen in 13 Ländern. Insoweit wird das Eisenbahn-Bundesamt als Landesbehörde tätig.

4. Fahrgäste mit Behinderung / eingeschränkter Mobilität 

4.1 Zentrale Anlaufstelle

Für Menschen mit Behinderungen oder eingeschränkter Mobilität wurde mit dem zum 03.08.2023 neu eingefügten § 10a AEG gesetzlich verankert, dass eine zentrale Anlaufstelle eingerichtet werden muss, bei der sie ihren Bedarf an Hilfe beim Ein-, Aus- oder Umsteigen anmelden können, unabhängig davon, mit welchen Zügen sie fahren.

An dieser Stelle müssen sich alle Eisenbahnunternehmen und Bahnhofsbetreiber beteiligen. Die Deutsche Bahn AG betreibt zwar mit der Mobilitätsservice-Zentrale bereits eine solche Einrichtung. Diese beruht jedoch auf freiwilligen Vereinbarungen zwischen den Eisenbahnunternehmen und Bahnhofsbetreibern. Durch die gesetzliche Grundlage ist die dauerhafte Existenz einer zentralen Anlaufstelle mit Abdeckung aller Eisenbahnen sichergestellt.

4.2 Erwerb des Fahrausweises im Zug

Bei Vorliegen der in Art. 11 Abs. 4 der VO 2021/782 genanten Voraussetzungen sind Fahrgäste mit einer Behinderung berechtigt, die Fahrausweise im Zug zu erwerben.

In Bezug auf dieses Recht macht der neue § 12c AEG von der Regelungsoption in der Verordnung Gebrauch. Die Eisenbahnunternehmen können nur einen "amtlichen Nachweis" der Behinderung verlangen. Anerkannt werden müssen nicht nur der Schwerbehindertenausweis nach dem SGB IX, sondern auch vergleichbare Dokumente aus anderen Staaten.

Sofern sich die Eisenbahnverkehrsunternehmen für eine entsprechende Regelung in ihren Beförderungsbedingungen entscheiden, müssen sie auch vorsehen, dass die betroffenen Fahrgäste, die ihren amtlichen Nachweis der Behinderung bei der konkreten Beförderung vergessen haben, diesen nachzeigen können.

4.3 Barrierefreies Beantragen von Erstattungen und Entschädigungen

Die Eisenbahnverkehrsunternehmen werden mit § 12b AEG verpflichtet, den Fahrgästen für die Einreichung von Erstattungs- und Entschädigungsanträgen zumindest einen elektronischen Kommunikationsweg zur Verfügung zu stellen. Welche Form der elektronischen Kommunikation gewählt wird, bleibt den Unternehmen überlassen.

Anforderungen an die erforderliche Barrierefreiheit richten sich nach den entsprechenden Vorschriften, insbesondere nach dem Behindertengleichstellungsgesetz und dem Barrierefreiheitsstärkungsgesetz.

 Siehe auch 

Eisenbahn

Flugreise

Reisevertrag - Rechte des Reisenden

Reisevertrag

Verbraucherschlichtungsstellen

BGH 10.03.1987 - VI ZR 123/86

BGH 20.01.1981 - VI ZR 205/79

OLG Köln 07.11.2002 - 7 U 50/02 (Zuordnung eines Unfalls zum Betrieb der Eisenbahn)

http://www.pro-bahn.de (Verbraucherverband Bahn)

Filthaut: Die neuere Rechtsprechung zur Bahnhaftung; Neue Zeitschrift für Verkehrsrecht - NZV 2013, 319

Hilpert: Neue zusätzliche Fahrgastrechte im Eisenbahnverkehr in Deutschland; Monatsschrift für Deutsches Recht - MDR 2009, 967

Staudinger/Schmidt-Bendun: Haftung der Bahn für Verspätungsschäden; Neue Juristische Wochenschrift - NJW 2004, 646