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Auflösung des Arbeitsverhältnisses

 Normen 

§§ 9, §§ 10 KSchG

 Information 

1. Einführung

Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch das Arbeitsgericht.

Ist die Kündigung des Arbeitgebers nach § 1 KSchG sozial ungerechtfertigt, kann bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen das Arbeitsverhältnis nach einem Antrag des Arbeitnehmers oder des Arbeitgebers durch das Arbeitsgericht (trotzdem) aufgelöst werden.

Gleichzeitig ist der Arbeitgeber zur Zahlung einer Abfindung zu verurteilen.

Zeitlich kann der Auflösungsantrag von beiden Seiten bis zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz gestellt werden.

2. Auflösungsantrag des Arbeitnehmers

Voraussetzungen des Auflösungsantrags des Arbeitnehmers sind gemäß § 9 Abs. 1 S. 1 KSchG, dass die Kündigung sozial ungerechtfertigt i.S.d. § 1 KSchG ist und dem Arbeitnehmer die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

Dabei hat das BAG für das Vorliegen einer Unzumutbarkeit folgende Beispiele angeführt (BAG 11.07.2013 - 2 AZR 241/12):

  • Das Kündigungsschutzverfahren über eine offensichtlich sozialwidrige Kündigung wurde seitens des Arbeitgebers mit einer solchen Schärfe geführt, dass der Arbeitnehmer mit einem schikanösen Verhalten des Arbeitgebers und anderer Mitarbeiter rechnen muss, wenn er in den Betrieb zurückkehrt.

  • Es steht fest, dass sich der Arbeitgeber ungeachtet der im Kündigungsschutzprozess vertretenen Rechtsauffassung des Gerichts auf jeden Fall von ihm trennen will und offensichtlich beabsichtigt, mit derselben oder einer beliebigen anderen Begründung solange Kündigungen auszusprechen, bis er sein Ziel erreicht hat.

Hinweis:

In dem Urteil hat das BAG das Vorliegen einer Unzumutbarkeit bei von dem Arbeitgeber mittlerweile drei erteilten Kündigungen abgelehnt. Es läge kein Trennungswille "um jeden Preis" vor. Die Kündigungen beruhten nicht auf demselben Lebenssachverhalt und ständen auch sonst in keinem erkennbaren Zusammenhang.

Verfahrensrechtlich handelt es sich um einen Hilfsantrag. Das Arbeitsgericht entscheidet nur über den Antrag, wenn die Sozialwidrigkeit der Kündigung festgestellt wurde. Die Beweislast für das Vorliegen von Tatsachen, die die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar machen, obliegt dem Arbeitnehmer.

Die Frage, ob nach dem Stellen des Auflösungsantrags der Arbeitnehmer weiterhin zur Arbeit verpflichtet ist, hat das BAG wie folgt beantwortet: "Allein der Umstand, dass der Arbeitnehmer die gerichtliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses erstrebt, lässt seine Pflicht zur Arbeitsleistung nicht entfallen, solange dem Auflösungsantrag nicht - rechtskräftig - stattgegeben ist" (BAG 14.12.2017 - 2 AZR 86/17).

3. Auflösungsantrag des Arbeitgebers

3.1 Allgemein

Voraussetzungen des Auflösungsantrages des Arbeitgebers sind gemäß § 9 Abs. 1 S. 2 KSchG, dass

  1. a)

    die Kündigung gemäß § 1 KSchG sozial ungerechtfertigt ist

    Hinweis:

    Entscheidend ist, dass die Kündigung allein wegen Sozialwidrigkeit nach § 1 KSchG unwirksam ist. Der Arbeitgeber kann keinen Auflösungsantrag stellen, wenn die Kündigung auch auf anderen Gründen i.S.d. § 13 Abs. 3 KSchG beruht (BAG 28.08.2008 - 2 AZR 63/07).

    und

  2. b)

    Gründe vorliegen, die eine den Betriebszwecken dienende weitere Zusammenarbeit nicht erwarten lassen.

    Als Auflösungsgründe für den Arbeitgeber kommen solche Umstände in Betracht, die das persönliche Verhältnis zum Arbeitnehmer, die Wertung seiner Persönlichkeit, seiner Leistung oder seiner Eignung für die ihm gestellte Aufgabe und sein Verhältnis zu den übrigen Mitarbeitern betreffen (BAG 24.05.2005 - 8 AZR 246/04).

    Grundsätzlich muss es sich dabei nicht um das schuldhafte Verhalten des Arbeitnehmers handeln.

    Nach dem Urteil BAG 09.09.2010 - 2 AZR 482/09 können "auch erst während des Kündigungsschutzprozesses auftretenden Spannungen die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses sinnlos erscheinen lassen. (...) Auch das Verhalten eines Prozessbevollmächtigten des Arbeitnehmers im Kündigungsschutzprozess kann die Auflösung des Arbeitsverhältnisses bedingen. Dies gilt für vom Arbeitnehmer nicht veranlasste Erklärungen des Prozessbevollmächtigten jedenfalls dann, wenn er sich diese zu eigen macht und sich auch nachträglich nicht von ihnen distanziert. (...) Zu berücksichtigen ist allerdings, dass gerade Erklärungen im laufenden Kündigungsschutzverfahren durch ein berechtigtes Interesse des Arbeitnehmers gedeckt sein können."

Zu beachten ist, dass eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses nach der Konzeption des Gesetzes nur ausnahmsweise in Betracht kommen soll.

Die Beweislast für das Vorliegen der Gründe obliegt dem Arbeitgeber.

3.2 Rechtslage bei einer außerordentlichen Kündigung

Bei einer unwirksamen außerordentlichen Kündigung hat gemäß § 13 Abs. 1 KSchG allein der Arbeitnehmer das Recht, einen Auflösungsantrag zu stellen.

3.3 Rechtslage bei einem tariflichen Ausschluss der ordentlichen Kündigung

Der Auflösungsantrag des Arbeitgebers ist ebenfalls ausgeschlossen, wenn das Recht des Arbeitgebers, das Arbeitsverhältnis ordentlich zu kündigen, tariflich ausgeschlossen ist (BAG 30.9.2010, 2 AZR 160/09).

4. Höhe der Abfindung

In § 10 KSchG sind die Höchstgrenzen der Abfindungszahlung gesetzlich festgelegt. Die Abfindung ist danach bei

  • Arbeitnehmern, die das 50. Lebensjahr vollendet haben und deren Arbeitsverhältnis mindestens 15 Jahre bestanden hat, auf 15 Monatsgehälter beschränkt;

  • bei Arbeitnehmern, die das 55. Lebensjahr vollendet haben und deren Arbeitsverhältnis mindestens 20 Jahre bestanden hat, auf 18 Monatsgehälter beschränkt;

  • anderen Arbeitnehmern auf 12 Monatsgehälter beschränkt.

Die Rechtsprechung verpflichtet im Allgemeinen den Arbeitgeber, für jedes Jahr der Betriebszugehörigkeit ein halbes Monatsgehalt des Arbeitnehmers zu zahlen.

5. Zeitpunkt der Auflösung

Für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses ist der Zeitpunkt festzusetzen, an dem dieses bei sozial gerechtfertigter Kündigung geendet hätte, d.h. die objektiv zutreffende Kündigungsfrist abgelaufen wäre. Unerheblich ist, ob der Arbeitgeber die Kündigungsfrist eingehalten hat (BAG 21.06.2012 - 2 AZR 694/11).

 Siehe auch 

Arbeitsgerichtlicher Rechtsstreit

Abfindung eines Arbeitnehmers

Aufhebungsvertrag

Kündigung - Arbeitsrecht

Kündigungsschutz

BAG 19.04.2012 - 2 AZR 186/11 (Auflösungsantrag bei leitenden Angestellten)

BAG 23.02.2010 - 2 AZR 554/08 (Arbeitsverhältnis endete schon vor dem Erlass des Auflösungsurteils)

BAG 07.03.2002 - 2 AZR 158/01 (Zur Auflösung berechtigende Gründe können durch Zeitablauf unwirksam werden)

BAG 21.09.2000 - 2 AZN 576/00 (Arbeitgeber kann Kündigungssachverhalt selbst bestimmen)

LAG Köln 17.01.1996 - 8 (11) Sa 768/95 (Weigerung von Kollegen zur weiteren Zusammenarbeit rechtfertigt noch keine Auflösung)

LAG Köln 15.09.1994 - 10 Sa 595/94 (Auflösung und Abfindung eines Ehegattenarbeitsverhältnisses)

Fuhlrott/Balupuri-Beckmann: Wirkungsvolles prozessuales Gestaltungsmittel. Arbeitgeberseitiger Auflösungsantrag; Arbeit und Arbeitsrecht - AuA 2013, 640

Haas: Der Auflösungsantrag im Kündigungsschutzprozess; Fachanwalt Arbeitsrecht - FA 2009, 261

Kleinebrink: Prozessuale Wahlmöglichkeiten des Arbeitnehmers beim Auflösungsantrag; Fachanwalt Arbeitsrecht - FA 2016, 130

Lelley: Der Auflösungsantrag nach außerordentlicher Kündigung des Betriebsratsmitglieds; Fachanwalt Arbeitsrecht - FA 2007, 74

Lingemann/Steinhauser: Der Kündigungsschutzprozess in der Praxis - Gerichtliche Auflösung von Arbeitsverhältnissen; Neue Juristische Wochenschrift - NJW 2013, 3354 und 3624

Müller: Die Rechtsprechung zum Auflösungsantrag des Arbeitgebers in den Jahren 2003-2008; Rechtsprechungsreport Arbeitsrecht - NZA-RR 2009, 289