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Arbeitsförderung Langzeitarbeitslose

 Normen 

§ 16e SGB II

§ 16i SGB II

BT-Drs. 19/4725

 Information 

1. Einführung

Trotz der guten konjunkturellen Entwicklung in Deutschland und der rückläufigen Arbeitslosenzahl in den vergangenen Jahren gibt es nach wie vor eine zahlenmäßig bedeutsame Gruppe von arbeitsmarktfernen Langzeitarbeitslosen, die seit langem Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II beziehen und ohne besondere Unterstützung absehbar keine realistische Chance auf Aufnahme einer Beschäftigung haben.

Ziel ist es, auch dieser Personengruppe wieder eine Perspektive zur Teilhabe am Arbeitsmarkt zu eröffnen. Dazu ist es zum einen erforderlich, die Beschäftigungsfähigkeit dieser Personen durch intensive Betreuung, individuelle Beratung und wirksame Förderung zu verbessern. Zum anderen sollen ihnen vermehrt Beschäftigungsoptionen auf dem allgemeinen oder sozialen Arbeitsmarkt angeboten werden.

2. Leistungen zur Eingliederung

Zielgruppe der neuen Förderung in § 16e SGB II sind erwerbsfähige Leistungsberechtigte, die trotz vermittlerischer Unterstützung nach § 16 Abs. 1 S. 1 SGB II unter Einbeziehung der übrigen Eingliederungsleistungen nach dem SGB II seit mindestens zwei Jahren arbeitslos sind. Bestimmte Unterbrechungen der Arbeitslosigkeit (zum Beispiel Maßnahmeteilnahme, Kinderbetreuungszeiten) bleiben dabei unberücksichtigt (§ 18 Abs. 2 SGB III).

Eine Förderung kommt in der Regel in Betracht, wenn bereits anderweitige Vermittlungsbemühungen über mindestens sechs Monate erfolgt sind und diese Leistungen zur Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt nicht erfolgreich waren. Der (neue) Verzicht auf weitere Fördervoraussetzungen, wie besondere Vermittlungshemmnisse oder erwartete Minderleistung, macht den Lohnkostenzuschuss für die Verwaltung einfach handhabbar. Zudem führt dies dazu, dass auch eine Eingliederung in sehr niedrigschwellige Tätigkeiten, bei denen die Feststellung einer Minderleistung kaum möglich ist, eröffnet wird.

Mit einer mindestens zweijährigen Arbeitslosigkeit gehen in aller Regel zunehmende Vermittlungshemmnisse einher.

Absatz 2 regelt Höhe und Dauer der Förderung. Die Vorschrift stellt weder Förderhöhe noch -dauer in das Ermessen des Jobcenters, da der Lohnkostenzuschuss - anders als der Eingliederungszuschuss nach § 88 SGB III - keinen Ausgleich für eine individuelle Minderleistung der geförderten Person darstellen soll. Vielmehr bietet der Lohnkostenzuschuss den Arbeitgebern einen Anreiz zur Beschäftigung Langzeitarbeitsloser. Der bewusste Verzicht auf einzelfallabhängige Kriterien zur Bemessung der Förderhöhe wie etwa eine individuelle Minderleistung dient zudem der Verwaltungsvereinfachung durch die Schaffung einer möglichst unbürokratischen Regelung.

Nach Satz 3 ist für die Bemessung der Förderung entsprechend § 91 Abs. 1 SGB III das vom Arbeitgeber regelmäßig gezahlte Arbeitsentgelt maßgeblich, das den allgemeinen Mindestlohn nach dem Mindestlohngesetz nicht unterschreiten darf. Die Bestimmung des zu berücksichtigenden Arbeitsentgelts erfolgt in Anlehnung an die einschlägigen Regelungen des SGB IV einschließlich der Sozialversicherungsentgeltverordnung. Der pauschalierte Anteil des Arbeitgebers am Gesamtsozialversicherungsbeitrag dient der Verwaltungsvereinfachung. Er vermeidet, dass für jeden Einzelfall der konkrete Beitragssatz zur Krankenversicherung ermittelt werden muss. Die Bundesagentur für Arbeit (BA) veröffentlicht den geltenden pauschalierten Beitragssatz jährlich in den Amtlichen Nachrichten der BA (ANBA).

Um Mitnahmeeffekte zu vermeiden, regelt Absatz 3 die Rechtsfolgen, wenn das geförderte Arbeitsverhältnis während des Förderzeitraums gestört wird und/oder die erforderliche Nachbeschäftigung nicht erfolgt. Absatz 3 Nummer 1 stellt sicher, dass die Höhe der Rückzahlung im angemessenen Verhältnis zu einer erfolgten Beschäftigung steht. Absatz 3 Nummer 2 sieht eine Pflicht zur Nachbeschäftigung von sechs Monaten vor.

Die in Absatz 4 geregelte ganzheitliche beschäftigungsbegleitende Betreuung ("Coaching") ist erforderlich, um die Anbahnung des Arbeitsverhältnisses zu erleichtern und dessen Fortbestand zu sichern (Stabilisierung). Eine fortdauernde intensive Betreuung durch das Jobcenter hat sich zum Abbau von Langzeitarbeitslosigkeit als zielführend erwiesen.

Inhalte des Coachings können nach der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 19/4725) insbesondere sein:

  • Beratung der Bedarfsgemeinschaft

  • Entwicklung und Förderung von Schlüsselkompetenzen für den beruflichen Alltag, zum Beispiel im Bereich der Selbstorganisation und Problemlösung in der Arbeitswelt

  • Aufbau von Tagesstrukturen über einen längeren Zeitraum

  • Hilfen bei Behördengängen/Antragstellungen

  • Hilfe bei der Inanspruchnahme kommunaler Eingliederungsleistungen nach § 16a SGB II

  • Unterstützung von Bedarfsgemeinschaften mit Kindern bei der Inanspruchnahme von Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe (SGB VIII)

  • Alltagshilfen (zum Beispiel Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel, Umgang mit Geld, Einkauf, Erscheinungsbild)

  • Soziale Aktivierung, Vermittlung des betrieblichen Umfelds und der Anforderungen im Arbeitsalltag (pünktlicher Arbeitsbeginn, Erwartungen des Arbeitgebers und ähnliches)

  • Verhaltenstraining, zum Beispiel Umgang mit dem Arbeitgeber/den Kollegen am Arbeitsplatz

  • Krisenintervention, Konfliktbewältigung am Arbeitsplatz

  • Übergangsmanagement zum Ende der Nachbeschäftigung beziehungsweise zum Ende des geförderten Beschäftigungsverhältnisses.

Die Jobcenter haben in der Ermessensausübung Spielräume, um die bedarfsgerechte Förderleistung im Einzelfall festzulegen.

Das Gesetz regelt keine bestimmte formale Qualifikation für Personen, die die ganzheitliche beschäftigungsbegleitende Betreuung durchführen. Die Erfahrungen aus dem ESF-Bundesprogramm zum Abbau von Langzeitarbeitslosigkeit zeigen, dass die Betreuungspersonen über einen Fachhochschul- oder Bachelorabschluss oder einen anderen mindestens dem Niveau 6 des deutschen Qualifikationsrahmens zugeordneten formalen Abschluss verfügen und mindestens zwei Jahre beruflich tätig gewesen sein sollten. Vorteilhaft sind einschlägige berufliche Erfahrungen in der Arbeit mit arbeitslosen Menschen. Entscheidend ist die Eignungsbeurteilung des Jobcenters aufgrund der vorliegenden beruflichen Erfahrungen der Betreuungsperson.

Hinweis:

Zu weiteren Inhalten siehe die Gesetzesbegründung BT-Drs. 19/4725.

3. Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsmarkt

Mit der Einführung des neuen Instruments "Teilhabe am Arbeitsmarkt" in § 16i SGB II wird die Möglichkeit geschaffen, für sehr arbeitsmarktferne Langzeitarbeitslose, die das 25. Lebensjahr vollendet haben, eine längerfristige sozialversicherungspflichtige Beschäftigung zu fördern.

Durch diese Förderung, ein bewerberorientiertes Vorgehen der Jobcenter, insbesondere die gezielte Stellenakquise in der direkten Arbeitgeberansprache sowie eine ganzheitliche beschäftigungsbegleitende Betreuung wird diesem Personenkreis, der in absehbarer Zeit keine realistische Chance auf eine ungeförderte Beschäftigung hätte, eine längerfristige Perspektive zur Teilhabe am Arbeitsmarkt eröffnet.

Um für sehr arbeitsmarktferne Langzeitarbeitslose Teilhabechancen am Arbeitsmarkt zu eröffnen, regelt § 16i Abs. 1 SGB II die Möglichkeit, dass Arbeitgeber, die ein sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis mit einer erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person begründen, die die Voraussetzungen nach Absatz 3 erfüllt, mit einem Lohnkostenzuschuss gefördert werden können. Die Fördermöglichkeit richtet sich an alle Arbeitgeber unabhängig von Art, Branche, Rechtsform und Region und gleich ob es sich um erwerbswirtschaftlich tätige, gemeinnützige oder öffentliche Arbeitgeber handelt.

Die Arbeitsverhältnisse sind sozialversicherungspflichtig mit Ausnahme der Versicherungspflicht nach dem SGB III (siehe Artikel 2) und unterliegen dem allgemeinen und besonderen Arbeitsrecht. Es können sowohl Arbeitsverhältnisse in Vollzeit wie auch in Teilzeit begründet werden.

Absatz 2 regelt Höhe und Dauer der Förderung. Die Förderung ist langfristig angelegt und durch feste Fördersätze transparent ausgestaltet. Der Lohnkostenzuschuss soll nach der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 19/4725) keinen Ausgleich für eine individuelle Minderleistung der geförderten Person darstellen, sondern zusätzliche Arbeitsplätze schaffen.

Der Lohnkostenzuschuss ist der Höhe nach pauschal festgelegt und degressiv ausgestaltet. Berechnungsbasis für die Höhe des Lohnkostenzuschusses ist die jeweils aktuelle Höhe des allgemeinen Mindestlohns nach § 1 Abs. 2 S. 1 MiLoG i.V.m. der auf der Grundlage des § 11 MiLoG jeweils erlassenen Verordnung. Wird der Mindestlohn angepasst, ist auch die Höhe des Lohnkostenzuschusses entsprechend anzupassen. Besteht für den Arbeitgeber eine Verpflichtung zur Zahlung eines höheren Gehalts, z.B. aufgrund eines Tarifvertrags, so ist dieses bindend.

Absatz 3 definiert die Zielgruppe des neuen Instruments. Eine öffentlich geförderte Beschäftigung beschränkt sich auf sehr arbeitsmarktferne Personen. Unter sehr arbeitsmarktfernen Personen sind diejenigen Leistungsbezieher zu verstehen, bei denen durch eine Häufung von Vermittlungshemmnissen (höheres Lebensalter, fehlende oder entwertete Qualifikation, gesundheitliche Beeinträchtigung o.a.) keine oder nur sehr geringe Chancen auf Teilhabe am Arbeitsmarkt bestehen.

Absatz 4 regelt eine ganzheitliche beschäftigungsbegleitende Betreuung ("Coaching"). Diese kann durch das Jobcenter selbst oder durch vom Jobcenter beauftragte Dritte durchgeführt werden. Siehe insofern die Ausführungen oben. Im Falle der Durchführung durch Dritte werden die Kosten einer erforderlichen ganzheitlichen beschäftigungsbegleitenden Betreuung während der gesamten Förderdauer getragen.

Hinweis:

Zu weiteren Inhalten siehe die Gesetzesbegründung BT-Drs. 19/4725.

4. Wegfall der Hilfebedürftigkeit

Die Regelung in § 16g Abs. 3 SGB II eröffnet den Jobcentern die Möglichkeit, flankierend zu einem Lohnkostenzuschuss nach den §§ 16e oder 16i SGB II Leistungen zur ganzheitlichen beschäftigungsbegleitenden Betreuung für den gesamten Bewilligungszeitraum zu erbringen, selbst wenn die Hilfebedürftigkeit entfällt. Hierdurch soll die Eingliederung in den Arbeitsmarkt nachhaltig gesichert und zugleich die Betreuungskontinuität durch die Jobcenter gewährleistet werden.

 Siehe auch 

Ältere Arbeitnehmer

Arbeitslosenförderung

Arbeitsförderung junge Arbeitslose

Arbeitsgelegenheit

Arbeitslosengeld

Bürgergeld

Eingliederungszuschuss

Leistungen zur Eingliederung in Arbeit

Zumutbarkeit einer Arbeitsaufnahme

Estelmann: SGB II. Kommentar; 1. Auflage 2023