Rechtswörterbuch

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Arbeitnehmerüberlassung - Rahmenarbeitsverhältnis

 Normen 

AÜG

§ 28e Abs. 2 SGB IV

§ 42d Abs. 6 EStG

 Information 

1. Arbeitsverhältnis zwischen Arbeitnehmer und Verleiher

Grundsätzlich unterliegt das zwischen dem Verleiher und dem Leiharbeitnehmer bestehende Arbeitsverhältnis keinen Besonderheiten: Der Verleiher ist als Arbeitgeber des Leiharbeitnehmers zur Abgabe der Sozialversicherungs- und Lohnsteuerbeiträge verpflichtet. Er zahlt die Vergütung und trägt als Arbeitgeber das Risiko der Vermittelbarkeit des Arbeitnehmers.

Schließen Verleiher und Leiharbeitnehmer keinen schriftlichen Arbeitsvertrag, so hat der Verleiher, ähnlich den Vorschriften des Nachweisgesetzes, dem Leiharbeitnehmer eine Urkunde auszuhändigen, in der der wesentliche Inhalt des Arbeitsverhältnisses aufgeführt ist. Wesentlicher Inhalt sind die in § 11 AÜG aufgeführten Angaben.

Abweichungen zu einem üblichen Arbeitsverhältnis ergeben sich u.a. in folgenden Punkten:

Der Verleiher ist verpflichtet, dem Leiharbeitnehmer bei Vertragsschluss ein Merkblatt der Bundesagentur für Arbeit über das Leiharbeitsverhältnis auszuhändigen. Nichtdeutschen Arbeitnehmern ist das Merkblatt in ihrer Muttersprache auszuhändigen.

Einzelvertraglich kann nicht eine kürzere als die im Gesetz genannte Kündigungsfrist vereinbart werden.

Der Arbeitnehmer ist nicht verpflichtet, seine Tätigkeit bei dem Entleiher auch im Falle eines bei diesem bestehenden Arbeitskampfes auszuüben. Der Verleiher hat den Leiharbeitnehmer auf dieses Recht hinzuweisen.

2. Gleichstellung / Equal Pay

2.1 Allgemein

In § 8 AÜG wurde der Grundsatz der Gleichstellung zusammenhängend geregelt. Inhalt ist, dass für Leiharbeitnehmer nach neun Monaten auch bei Anwendung von vom Gleichstellungsgrundsatz abweichenden Tarifverträgen hinsichtlich des Arbeitsentgelts ein zwingender Anspruch auf Equal Pay besteht. Darüber hinausgehende Abweichungen sind nur möglich, wenn für das Arbeitsverhältnis ein (Branchen-)Zuschlagstarifvertrag gilt, der sozialen Leitplanken genügen muss.

In dem Urteil BGH 23.10.2013 - 5 AZR 556/12 hat der BGH die Grundsätze der Geltendmachung des Anspruchs auf gleiches Arbeitsentgelt dargelegt. Die Darlegungslast zur Geltendmachung des Anspruchs auf das gleiche Arbeitsentgelt ist ausführlich in dem Urteil BAG 16.12.2020 - 5 AZR 22/19 festgelegt.

Vergleichbarer Arbeitnehmer:

"Vergleichbarer Arbeitnehmer des Entleihers i.S.d. § 8 Abs. 1 Satz 1 AÜG kann grundsätzlich auch der - vormalige - Leiharbeitnehmer sein, der vom Entleiher mit unveränderter Tätigkeit als Stammarbeitnehmer übernommen wird" (BAG 16.12.2020 - 5 AZR 131/19).

Erlaubte Abweichungen vom Equal Pay:

Von diesem Gleichstellungsgrundsatz kann gemäß § 8 Abs. 2 AÜG abgewichen werden, wenn es einen für das Arbeitsverhältnis zwischen Leiharbeitnehmer und Verleiher anwendbaren Tarifvertrag gibt. Dies gilt auch dann, wenn der Tarifvertrag eine niedrigere Vergütung vorsieht als dies bei der Anwendung des Gleichstellungsgrundsatzes der Fall wäre - sofern das Mindeststundenentgelt gemäß § 3a Abs. 2 AÜG eingehalten wird.

Diese Regelung wurde auch durch das BAG anerkannt:

"Von dem Grundsatz, dass Leiharbeitnehmer für die Dauer einer Überlassung Anspruch auf gleiches Arbeitsentgelt wie vergleichbare Stammarbeitnehmer des Entleihers haben ("equal pay"), kann nach § 8 Abs. 2 AÜG ein Tarifvertrag "nach unten" abweichen mit der Folge, dass der Verleiher dem Leiharbeitnehmer nur die niedrigere tarifliche Vergütung zahlen muss. (...)

Auch hat der Gesetzgeber dafür gesorgt, dass die tarifliche Vergütung von Leiharbeitnehmern staatlich festgesetzte Lohnuntergrenzen und den gesetzlichen Mindestlohn nicht unterschreiten darf. Zudem ist seit dem 1. April 2017 die Abweichung vom Grundsatz des gleichen Arbeitsentgelts nach § 8 Abs. 4 Satz 1 AÜG zeitlich grundsätzlich auf die ersten neun Monate des Leiharbeitsverhältnisses begrenzt" (BAG 31.05.2023 - 5 AZR 143/19).

2.2 Wesentliche Arbeitsbedingungen

Nach den in Art. 3 RL 2008/104 geregelten Begriffsbestimmungen sind "wesentliche Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen" im Sinne der Richtlinie die Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen, die durch Gesetz, Verordnung, Verwaltungsvorschrift, Tarifvertrag und/oder sonstige verbindliche Bestimmungen allgemeiner Art, die im entleihenden Unternehmen gelten, festgelegt sind und sich auf folgende Punkte beziehen:

2.3 Beachtung von Ausschlussfristen

Das Bundesarbeitsgericht hat ausdrücklich offengelassen, ob Regelungen zu Ausschlussfristen in Tarifverträgen der Arbeitnehmerüberlassungsbranche auch den Anspruch auf gleiches Entgelt erfassen (BAG 13.03.2013 - 5 AZR 424/12).

2.4 Verjährung

Der Anspruch des Leiharbeitnehmers auf gleiches Arbeitsentgelt entsteht mit der Überlassung und wird fällig mit dem arbeitsvertraglich für die Vergütung bestimmten Zeitpunkt. Er unterliegt der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren. Der Leiharbeitnehmer hat als Voraussetzung des Fristbeginns von dem Anspruch auf gleiches Arbeitsentgelt ausreichende Kenntnis, wenn er Kenntnis von der Tatsache hat, dass vergleichbare Stammarbeitnehmer des Entleihers mehr verdienen als er. Unerheblich ist seine rechtliche Würdigung (BAG 13.03.2013 - 5 AZR 424/12).

3. Vergütung

Allgemein:

Gemäß § 3a AÜG können Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern dem Bundesministerium für Arbeit Mindeststundenentgelte als Lohnuntergrenze in einer Rechtsverordnung vorschlagen, die verbindlich festgesetzt werden.

Am 1. Januar 2023 ist insofern die "Fünfte Verordnung über eine Lohnuntergrenze in der Arbeitnehmerüberlassung" in Kraft getreten.

Danach sind Verleiher verpflichtet, mindestens ein Mindeststundenentgelt in der folgenden Höhe zu zahlen:

  • vom 1. Januar 2023 bis zum 31. März 2023 12,43 Euro,

  • vom 1. April 2023 bis zum 31. Dezember 2023 13,00 Euro,

  • vom 1. Januar 2024 bis zum 31. März 2024 13,50 Euro.

Bei einem Einsatz im pädagogischen Bereich einer Aus- und Weiterbildung nach dem SGB II oder dem SGB III:

Diese Mindestlöhne sind in der "Verordnung zur Festsetzung eines vergabespezifischen Mindestentgelts für Aus- und Weiterbildungsdienstleistungen nach dem Zweiten oder Dritten Buch Sozialgesetzbuch für die Kalenderjahre 2023 bis 2026" geregelt.

4. Abgeltung nicht genommener Urlaubstage

Der Anspruch von Leiharbeitnehmern bei der Beendigung des Arbeiitsverhältnisses mit dem entleihenden Unternehmen auf Abgeltung für nicht genommenen bezahlten Jahresurlaub besteht in derselben Höhe wie für einen Arbeitnehmer dieses Unternehmens auf dem gleichem Arbeitsplatz und bei gleicher Beschäftigungsdauer (EuGH 12.05.2022 - C 426/20).

 Siehe auch 

Arbeitnehmerüberlassung

Arbeitnehmerüberlassung - Erlaubnis

Arbeitnehmerüberlassung - illegale

Arbeitnehmerüberlassung - Leiharbeitsverhältnis

Arbeitsvermittlung

Mindestarbeitsbedingungen

Böhm/Hennig/Popp: Praxishandbuch Arbeitnehmerüberlassung; 5. Auflage 2022

Boemke: Zum Nichtgewähren tariflicher Arbeitsbedingungen als Ordnungswidrigkeit im Recht der Arbeitnehmerüberlassung; Betriebs-Berater - BB 2016, 2741

Dahl/Färber: Auswahlverschulden in der Arbeitnehmerüberlassung. Haftung des Verleihers für vom Leiharbeiter während des Kundeneinsatzes verursachte Schäden; Der Betrieb - DB 2009, 1650

Krieger/Ampatziadis: Die Reform der Arbeitnehmerüberlassung - Auf was müssen Unternehmer achten?; Neue Juristische Wochenschrift - NJW 2017, 593

Sandmann/Marschall/Schneider: Arbeitnehmerüberlassungsgesetz; Loseblattwerk

Urban-Crell/Germakowski/Bissels/Hurst: AÜG. Kommentar; 4. Auflage 2023