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§ 36 PAG
Thüringer Gesetz über die Aufgaben und Befugnisse der Polizei (Polizeiaufgabengesetz - PAG)
Landesrecht Thüringen

Zweiter Abschnitt – Befugnisse der Polizei → Zweiter Unterabschnitt – Datenerhebung und -verarbeitung

Titel: Thüringer Gesetz über die Aufgaben und Befugnisse der Polizei (Polizeiaufgabengesetz - PAG)
Normgeber: Thüringen
Amtliche Abkürzung: PAG
Gliederungs-Nr.: 2012-2
Normtyp: Gesetz

§ 36 PAG – Gemeinsame Verfahrensbestimmungen für Maßnahmen der verdeckten Datenerhebung

(1) Die durch eine Maßnahme nach den §§ 34 bis 34c sowie den §§ 34e und 35 erlangten Daten sind besonders zu kennzeichnen. Für den Fall der Übermittlung ist die Kennzeichnung durch den Empfänger aufrechtzuerhalten. Die Daten dürfen grundsätzlich nur zur Abwehr der Gefahr, die zur Anordnung der Überwachungsmaßnahme geführt hat, verwendet werden. Eine Verwendung in einem anderen Verfahren ist nur zulässig, wenn die Datenerhebung auch in diesem Verfahren hätte angeordnet werden dürfen; die Zweckänderung ist zu dokumentieren.

(2) Daten, bei denen sich nach der Auswertung herausstellt, dass sie Inhalte betreffen,

  1. 1.

    die dem Kernbereich privater Lebensgestaltung zuzuordnen sind,

  2. 2.

    über die das Zeugnis als Geistlicher oder als Berufshelfer eines Geistlichen verweigert werden könnte oder

  3. 3.

    über die das Zeugnis nach den §§ 53 oder 53a StPO verweigert werden könnte und bei denen kein unmittelbarer Bezug zu den Gefahren besteht, die zur Anordnung der Maßnahme geführt haben,

dürfen nicht verwendet werden und sind unverzüglich zu löschen. Eine Verwendung ist ausnahmsweise zulässig, wenn dies zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für Leben oder Freiheit einer Person zwingend erforderlich ist. Vor einer Verwendung der Daten ist über deren Zulässigkeit eine richterliche Entscheidung herbeizuführen. Bei Gefahr im Verzug kann die Entscheidung auch der Leiter der Landespolizeidirektion, der Leiter des Landeskriminalamtes oder ein von diesen besonders beauftragter Beamter des höheren Polizeivollzugsdienstes treffen; in diesem Fall ist eine richterliche Entscheidung unverzüglich nachzuholen. Die Tatsache der Erlangung und die Löschung der Daten sind zu protokollieren. Satz 1 findet keine Anwendung, wenn ein Berufsgeheimnisträger betroffen ist, der selbst für die Gefahr verantwortlich ist.

(3) Von Maßnahmen nach den §§ 34 bis 34 c sowie den §§ 34 e und 35 sind zu benachrichtigen im Fall

  1. 1.

    des § 34 Abs. 2 Nr. 1 und 2 (längerfristige Observation, technische Observationsmittel, Bildaufzeichnungen, Aufzeichnung des nicht öffentlich gesprochenen Wortes) die Zielperson sowie die erheblich mitbetroffenen Personen,

  2. 2.

    des § 34 Abs. 2 Nr. 3 bis 5 (verdeckt handelnde Personen):

    1. a)

      die Zielperson,

    2. b)

      die erheblich mitbetroffenen Personen,

    3. c)

      die Personen, deren nicht allgemein zugängliche Wohnung die verdeckt handelnde Person betreten hat,

  3. 3.

    des § 34a (Telekommunikationsüberwachung) die Beteiligten der überwachten Telekommunikation,

  4. 4.

    des § 34b Abs. 1 (Erhebung von Verkehrsdaten) die Beteiligten der betroffenen Telekommunikation,

  5. 5.

    des § 34b Abs. 2 (Erhebung von Nutzungsdaten) der Nutzer,

  6. 6.

    des § 34c (IMSI-Catcher) die Zielperson,

  7. 7.

    des § 34e Abs. 1 Satz 2 (Erhebung von Zugangssicherungscodes) der Nutzer,

  8. 8.

    des § 34e Abs. 2 (Auskunft über den Nutzer einer Internetprotokoll-Adresse) der Nutzer,

  9. 9.

    des § 35 (Wohnraumüberwachung):

    1. a)

      die Person, gegen die sich die Maßnahme richtete,

    2. b)

      sonstige überwachte Personen,

    3. c)

      Personen, die die überwachte Wohnung zur Zeit der Durchführung der Maßnahme innehatten oder bewohnten.

Die Benachrichtigung unterbleibt, wenn ihr überwiegende schutzwürdige Belange einer betroffenen Person entgegenstehen. Zudem kann die Benachrichtigung einer in Satz 1 Nr. 3 und 4 bezeichneten Person, gegen die sich die Maßnahme nicht gerichtet hat, unterbleiben, wenn diese von der Maßnahme nur unerheblich betroffen gewesen ist und anzunehmen ist, dass sie kein Interesse an einer Benachrichtigung hat. Nachforschungen zur Feststellung der Identität einer in Satz 1 bezeichneten Person sind nur vorzunehmen, wenn dies unter Berücksichtigung der Eingriffsintensität der Maßnahme gegenüber dieser Person, des Aufwands für die Feststellung ihrer Identität sowie der daraus für diese oder andere Personen folgenden Beeinträchtigungen geboten ist.

(4) Die Benachrichtigung erfolgt, sobald dies ohne Gefährdung des Zwecks der Maßnahme, des Bestands des Staates oder von Gesundheit, Leben oder Freiheit einer Person möglich ist. Im Fall des Absatzes 3 Satz 1 Nr. 2 kann die Benachrichtigung zudem auch zurückgestellt werden, wenn die Möglichkeit der weiteren Verwendung der verdeckt handelnden Personen durch die Benachrichtigung gefährdet wäre und unter Berücksichtigung der Eingriffsintensität der Maßnahme gegenüber den Betroffenen das öffentliche Interesse an der Weiterverwendung überwiegt. Ist wegen desselben Sachverhalts ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren gegen den Betroffenen eingeleitet worden, ist die Benachrichtigung in Abstimmung mit der Staatsanwaltschaft vorzunehmen, sobald dies der Stand des Ermittlungsverfahrens zulässt. Wird die Benachrichtigung aus einem der vorgenannten Gründe zurückgestellt, ist dies zu dokumentieren.

(5) Erfolgt die Benachrichtigung nicht binnen sechs Monaten nach Beendigung der Maßnahme, bedarf die weitere Zurückstellung der richterlichen Zustimmung. Die richterliche Entscheidung ist vorbehaltlich einer anderen richterlichen Fristsetzung jeweils nach einem Jahr erneut einzuholen. Eine Benachrichtigung kann mit richterlicher Zustimmung auf Dauer unterbleiben, wenn die Gründe nach Absatz 4 mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch in Zukunft fortbestehen werden. Die Entscheidung nach Satz 3 darf frühestens fünf Jahre nach Beendigung der Maßnahme getroffen werden. Sind mehrere Maßnahmen im selben Sachzusammenhang durchgeführt worden, ist die Beendigung der letzten Maßnahme für die Berechnung der Fristen maßgeblich.

(6) Zuständig für richterliche Entscheidungen nach den Absätzen 2 und 5 sowie nach den §§ 34 bis 34c sowie den §§ 34e und 35 ist das Amtsgericht, in dessen Bezirk die beantragende Polizeibehörde ihren Sitz hat. Für das Verfahren gelten die Bestimmungen des Buches 1 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit entsprechend. Diese Entscheidungen des Gerichts ergehen ohne vorherige Anhörung der Betroffenen; sie bedürfen zu ihrer Wirksamkeit nicht der Bekanntmachung an die Betroffenen. Gegen die Ablehnung des Antrags der Polizeibehörde auf Zustimmung zur Zurückstellung oder zum dauerhaften Unterbleiben einer Benachrichtigung findet die Beschwerde statt. Die Beschwerde ist binnen einer Frist von zwei Wochen einzulegen. Für dieses Beschwerdeverfahren gilt Satz 3 entsprechend. Die Benachrichtigung darf bis zur Rechtskraft der richterlichen Entscheidung vorläufig unterbleiben.

(7) Die Landesregierung unterrichtet den Landtag jährlich über die durchgeführten Maßnahmen nach den §§ 34a bis 34c und 35.