Zahlungen an das Versorgungswerk können anfechtbare Rechtshandlungen sein

Zahlungen an das Versorgungswerk können anfechtbare Rechtshandlungen sein
30.10.2013712 Mal gelesen
Zahlt ein Freiberufler in der Krise an ein Versorgungswerk, weil er bei Nichtzahlung berufsrechtliche Sanktionen fürchtet, liegt, so das Landgericht Düsseldorf, eine freiwillige Rechtshandlung vor, die eine insolvenzrechtliche Anfechtung wegen vorsätzlicher Gläubigerbenachteiligung rechtfertigt.

Für Gruppen von Freiberuflern gibt es berufsständische Versorgungswerke, die an die Stelle der allgemeinen Rentenversicherung getreten sind. Oftmals ist die Beitragszahlung in diese Versorgungswerke verpflichtend, als die Nichtzahlung der Beiträge zu berufsrechtlichen Sanktionen, bis hin zum Berufsverbot führen kann. Ein Freiberufler, der kurz vor der Insolvenz steht, wird daher zusehen, dass er das Versorgungswerk zuerst befriedigt und damit die übrigen Gläubiger benachteiligt.

 

Ein Insolvenzschuldner war Mitglied beim Versorgungswerk und geriet ab dem Jahr 2006 mit seinen Beitragszahlungen in Rückstand und zahlte ab Mai 2007 mehr als ein Jahr überhaupt keine Beiträge. Zwangsvollstreckungsmaßnahmen des Versorgungswerkes blieben fruchtlos, die beantragte eidesstattliche Versicherung gab er nicht ab, weshalb das Versorgungswerk einen Haftbefehl erwirkte und am 11. April 2008 einen Gerichtsvollzieher mit dessen Durchsetzung beauftragte. Zur deren Vermeidung sicherte der Insolvenzschuldner die Zahlung der laufenden Beiträge sowie die Zahlung von monatlichen Raten zu je 1.000,00 € zu; zu diesem Zeitpunkt war der Beitragsrückstand auf 39.850,49 € angewachsen. Von Mai 2008 bis Oktober 2009 zahlte der Insolvenzschuldner 18.602,75 € an das Versorgungswerk. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens verlangt der Insolvenzverwalter diese Beiträge unter dem Gesichtspunkt der Anfechtung wegen vorsätzlichen Gläubigerbenachteiligung zurück.

Das Versorgungswerk weist das Begehren des Insolvenzverwalters zurück: es fehle schon an einer willensgesteuerten Handlung des Insolvenzschuldners, weil für diesen bei weiterer Nichtzahlung die Gefahr bestanden hätte, mit einem Berufsverbot belegt zu werden. Außerdem habe der Insolvenzschuldner nicht mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz gehandelt.

 

Das Landgericht gab der Klage des Insolvenzverwalters statt.

Die Zahlungen des Schuldners seien anfechtbare Rechtshandlungen im Sinne der Insolvenzordnung, auch wenn sie deshalb erfolgt seien, um Vollstreckungsmaßnahmen des Versorgungswerks abzuwehren, die seine Existenz bedroht hätten.

Die Insolvenzordnung missbillige die Bevorzugung bestimmter Gläubiger durch den Insolvenzschuldner. Dieser Unredlichkeitsvorwurf könne dem Schuldner allerdings nur dann gemacht werden, wenn die Bevorzugung die Folge einer eigenen Handlung ist; deshalb unterliegen Zwangsvollstreckungsmaßnahmen von Gläubigerin regelmäßig keiner Anfechtung wegen vorsätzlicher Gläubigerbenachteiligung, weil es in diesem Fall an einer selbstbestimmten Handlung des Schuldners fehle. Dies betreffe allerdings nicht die Fälle, in denen ein Schuldner zur Vermeidung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen Zahlungen an bestimmte Gläubiger leiste. In einem solchen Fall mag dieser sich in einer faktischen Zwangslage befinden, rechtlich sind seine Handlungen aber selbstbestimmt, weil er die Zahlungen auch weiterhin verweigern könnte.

Deshalb könne es keine Zweifel geben, dass die Zahlungen des Insolvenzschuldners an das Versorgungswerk Rechtshandlungen im Sinne einer vorsätzlichen Gläubigerbenachteiligung sind.

Die Zahlungen an das Versorgungswerk haben so durch eine Verkürzung der zur Verfügung stehenden Masse objektiv zu einer Benachteiligung dieser Gläubiger geführt.

Der Insolvenzschuldner handelte bei seinen Zahlungen an das Versorgungswerk auch mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz, weil er in Kauf genommen habe, dass durch die Zahlungen an das Versorgungswerk die Befriedigungsmöglichkeit der übrigen Gläubiger beeinträchtigt wurden.

Nach dem Gesetz sei die Kenntnis des Versorgungswerks vom Benachteiligungsvorsatz des Insolvenzschuldners zu vermuten. Diese Vermutungswirkung greife immer dann, wenn dem Anfechtungsgegner bekannt ist, dass über einen längeren Zeitraum Verbindlichkeiten in beträchtlicher Höhe vom Insolvenzschuldner nicht beglichen wurden und dem Anfechtungsgegner bewusst ist, dass noch andere Gläubiger mit ungedeckten Ansprüchen existieren.

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Fazit: In diesem Fall ist der Insolvenzverwalter mit seiner Anfechtung durchgekommen. In vielen Fällen sind jedoch Anfechtungen des Insolvenzverwalters unbegründet. Ob dies im Einzelfall der Fall ist, kann zumeist nur ein Anwalt klären.

(Quelle: Landgericht Düsseldorf, Urteil vom 13.08.2013; 13 O 157/12)

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