Wohnungsverweisung und Rückkehrverbot

Familie und Ehescheidung
23.07.2015636 Mal gelesen
Voraussetzungen der Wohnungsverweisung mit Rückkehrverbot nach § 34a PolG NW und oberverwaltungsgerichtliche Rechtsprechung.

Es gibt wenige Sachen, die mich aus der Ruhe bringen. Eine Sache aber würde mich wirklich sehr aufregen: Die Anweisung eines Polizisten, nicht mehr meine Wohnung betreten zu dürfen!

 

Deshalb bin ich immer wieder verwundert, mit welcher Gleichmut - oder ist es die Fügung ins Schicksal? -mich Mandanten aufsuchen und mitteilen, dass sie auf Grund einer (tatsächlichen) oder einer nur behaupteten Auseinandersetzung aus ihrer Wohnung entfernt worden sind.

Über Nacht obdachlos!

 

Eine polizeiliche Wohnungsverweisung ist meines Erachtens ein Fall für den anwaltlichen Notdienst. Eine Verweisung mit Rückkehrverbot steht meines Erachtens einer Durchsuchung oder Festnahme in ihrer Intensität gleich. Deshalb sollten sich Betroffene nicht scheuen umgehend anwaltlichen Rat in Anspruch zu nehmen, und das auch nach Geschäftsschluss.

Wichtig ist auf jeden Fall, dass Betroffene schnell reagieren, damit sofort gerichtliche Hilfe in Anspruch genommen werden kann.

 

Die "Erste-Hilfe-Maßnahme" werden Sachverhaltsklärung und dann ggf. ein Eilantrag an das zuständige Verwaltungsgericht sein.

Hierfür ist es erforderlich, die jeweils aktuelle Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte zu kennen.

 

Bei der Wohnungsverweisung mit Rückkehrverbot dreht sich alles um die Frage, ob eine gegenwärtige Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit vorgelegen hat. Die Polizei hat vor Ort und unter Berücksichtigung dessen, was die angetroffenen Personen berichten, zu entscheiden, ob durch Handlungen eine Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit unmittelbar bevorsteht, andauert und fortdauert (Definition von "gegenwärtig").

 

Eine gegenwärtige Gefahr kann aber nicht angenommen werden, wenn die angetroffenen Personen zum Tatgeschehen widersprüchliche Angaben machen und weitere Beweisanzeichen nicht vorliegen.

 

Beispiel: Er sagt, dass er sie nicht angefasst habe; es habe lediglich Streit gegeben. Sie sagt, dass er sie versucht habe zu schlagen und auch mit dem Messer bedroht hat. Verletzungen, Prellungen oder umherliegende Möbel, eingetretene Türen etc. sind nicht zu erkennen.

 

In einem solchen Fall fehlt die grundlegende Voraussetzung, um eine Wohnungsverweisung auszusprechen. Trotzdem glaubt die Polizei immer wieder solche Verweisungen aussprechen zu können, um "Frieden zu stiften". Dazu hat das Oberverwaltungsgericht für Nordrhein-Westfalen ausgeführt (Beschluss v. 23.12.2014, 5 E 1202/14 - Beschwerde gegen Versagung eines Prozesskostenhilfeantrags durch das Verwaltungsgericht Köln):

 

"(.) Die damalige Lebenspartnerin hatte am Abend des 13.3.2014 zwar angegeben, der Kläger habe sie nach einem verbalen Streit gegen eine Wand im Badezimmer gestoßen, wobei ihre Brille beschädigt worden sei; anschließend habe er sie mit dem Kopf auf den Boden der Badewanne gedrückt. Während der Kläger verbale Streitigkeiten eingeräumt hatte, hatte er ausweislich der Sachverhaltsschilderung in der Strafanzeige von Anfang an bestritten, seine Partnerin im Badezimmer in die Wanne gedrückt und ihr Schmerzen zugefügt zu haben. Außerdem hatte er angegeben, seiner Ansicht nach sei sie aggressiv, nicht er. Die Einsatzkräfte der Polizei konnten weder sichtbare Verletzungen feststellen noch drohte während ihrer Anwesenheit in der Wohnung ein Angriff des Klägers, der die Wohnung schon vor ihrem Erscheinen freiwillig verlassen hatte; die Lage war ruhig.

 

Es bestehen bereits Zweifel daran, dass der Kläger vor der bereits am 13.3.2014 mündlich ausgesprochenen Wohnungsverweisung ergebnisoffen und unvoreingenommen angehört worden war. Nach seinem Vorbringen, das wegen widersprüchlicher polizeilicher Dokumentierung des Geschehens zumindest nachvollziehbar erscheint, fühlte er sich von den Einsatzkräften unfair behandelt und zeigte seine Verärgerung. Bei dieser Sachlage ist verständlich, dass der Kläger zunächst die ihn belastenden Angaben nur grob bestritt und alsbald die Wohnung verließ.

 

Bereits die - für die Zeit vor der mündlich schon am 13.3.2014 ausgesprochenen Wohnungsverweisung - dokumentierte Gefahreneinschätzung der handelnden Beamten trägt die Wohnungsverweisung wegen widersprüchlicher Angaben nicht. (.) Nach der Vorstellung des Gesetzgebers setzt eine Wohnungsverweisung grundsätzlich entweder eine Gewaltbeziehung mit konkreten Anzeichen für wiederholte Misshandlungen voraus oder eine erstmalige Gewalttat, wenn auf Grund der Intensität des Angriffs und der Schwere der Verletzungen mit einer jederzeitigen Wiederholung der Gewaltanwendung zu rechnen ist.

 

Vgl. Gesetzentwurf, LT-Drs. 13/1525, S. 12.

 

Unabhängig davon, ob in der unmittelbaren Einsatzsituation die durch § 34 a PolG NRW geschützten Rechtsgüter als gefährdet erschienen, bot jedenfalls die am 13.3.2014 gegen 23.00 Uhr durchgeführte Gefährderansprache Anlass, die Aufrechterhaltung der zuvor bereits ausgesprochenen Wohnungsverweisung umgehend zu überprüfen. Dessen bedurfte es schon deshalb, weil der Beklagte die angegriffene Wohnungsverweisung am 14.3.2014 erneut schriftlich verfügt hat. Abgesehen davon war der Beklagte ohnehin verpflichtet, seine Ermessenserwägungen hinsichtlich der Wohnungsverweisung als Dauerverwaltungsakt auch nach (hier mündlichem) Erlass der polizeilichen Maßnahme bis zum Ablauf ihrer Geltungsdauer zu aktualisieren, sofern sich der maßgebliche Erkenntnislage nachträglich änderte.

 

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 14.5.2012 - 5 B 599/12 -, juris, Rn. 5.

 

Bei der sorgfältig protokollierten Gefährderansprache gab der Kläger an, er habe seine Lebensgefährtin nie geschlagen und werde dies auch in Zukunft nicht tun. Er habe einen großen Fehler gemacht, als er sie im Badezimmer auf den Boden gedrückt habe. Das sehe er ein und er werde nicht wieder so handeln. Schon bevor die Polizei gekommen sei, habe er seinen Freund gebeten, bei diesem eine Zeitlang zu bleiben, um seine persönliche Situation in Ruhe zu klären. (.)"

 

Das Oberverwaltungsgericht gibt damit den Verwaltungsgerichten in Wohnungsverweisungsverfahren nach § 34a Polizeigesetz NRW (PolG NW) die Marschrichtung vor.

 
  1. Die eintreffende Polizei muss zunächst den Sachverhalt auf Grund der Angaben der Wohnungsinhaber und Zeugen sowie ggf. weiterer Beweisanzeichen klären.
 
  1. Die Feststellungen müssen die Annahme einer "gegenwärtigen (konkreten) Gefahr für Leib, Leben und Freiheit" tragen.
 
  1. Die Ankündigungen eines von einer Wohnungsverweisung Betroffenen, er werde die Wohnung freiwillig einige Tage verlassen, können die Notwendigkeit für eine Wohnungsverweisung durch die Polizei wieder entfallen lassen.
 

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