Wohnungseigentum: Verweigerte oder verschleppte Instandsetzung des Gemeinschaftseigentums

Miete und Wohnungseigentum
17.03.2015729 Mal gelesen
BGH, Urteil vom 13.07.2012 – V ZR 94/11 BGH, Urteil vom 17.12.2014 – V ZR 9/14

Spiel auf Zeit - der typische Ablauf

Instandsetzungen sind meistens kostspielig. Wohnungseigentümer, die durch Baumängel nicht direkt betroffen sind oder die diese - zu Recht oder zu Unrecht - als nicht besonders gravierend einstufen, möchten keine oder möglichst geringe finanzielle Mittel einsetzen. Oftmals unterbleibt eine Beschlussfassung erst einmal oder die Mangelentwicklung wird zunächst beobachtet oder man beginnt mit einer Teilsanierung. Es schließen sich weitere Teilsanierungen an, irgendwann können sich die Eigentümer der Erkenntnis nicht mehr verschließen, dass eine Gesamtsanierung erforderlich ist. Bis dahin wurde viel Zeit und Geld vergeudet und oftmals ist der Sanierungsaufwand zwischenzeitlich noch viel größer geworden. Zu dieser Problematik gibt es nun zwei aktuelle, wegweisende Urteile des Bundesgerichtshofes (BGH):

Grundsatz: Gestaltungsspielraum der Wohnungseigentümer

Nach der Rechtsprechung haben die Wohnungseigentümer bei der Instandsetzung und Sanierung von Gemeinschaftseigentum einen Gestaltungsspielraum. Sie müssen das Gebot der Wirtschaftlichkeit beachten und auf die Leistungsfähigkeit der Wohnungseigentümer Rücksicht nehmen. Sie sind berechtigt, Kosten und Nutzen einer Maßnahme gegeneinander abzuwägen und nicht zwingend erforderliche Maßnahmen ggf. zurückzustellen. Sie dürfen die Instandsetzung auch in mehreren Schritten durchführen.

Beispiel - Hausschwammbefall (BGH, Urteil vom 13.07.2012 - V ZR 94/11):

Nach einem Wassereinbruch durch die Decke in seine Wohnung holt der betroffene Wohnungseigentümer ein Privatgutachten ein, das einen Befall des Deckengebälks und des Mauerwerks mit Hausschwamm feststellt. Die übrigen Wohnungseigentümer beschließen die Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens. Der Gerichtssachverständige bestätigt den Hausschwammbefall und beziffert die Mängelbeseitigungskosten auf 31.000 €. Die Wohnungseigentümer beschließen in einer weiteren Versammlung zunächst eine weitere Beobachtung des Schwammbefalls durch den Gerichtssachverständigen, was dieser allerdings ablehnt. Die Wohnungseigentümer beschließen sodann eine Teilsanierung, die der beauftragte Handwerker ablehnt mit dem Hinweis, dass eine vollständige Sanierung nötig sei. Schließlich wird diese dann beschlossen. Der betroffene Wohnungseigentümer verlangt wegen der Verzögerung Schadensersatz (Kosten für die Anmietung einer Ersatzwohnung, Umzugskosten).

BGH: Die Wohnungseigentümer müssen nicht dem von einem einzelnen Wohnungseigentümer eingeholten Privatgutachten folgen. Sie handeln nicht pflichtwidrig, wenn sie ein gerichtliches Sachverständigengutachten im Rahmen eines selbständigen Beweisverfahrens einholen.

Ausnahme: Zwingend erforderliche Instandsetzungen

Ist die sofortige (Gesamt-) Sanierung zwingend erforderlich (wie im Beispielsfall nach Vorliegen des Gerichtsgutachtens), so entspricht nur ihre Vornahme billigem Ermessen und jeder Wohnungseigentümer hat einen - erforderlichenfalls gerichtlich durchsetzbaren - Anspruch auf Durchführung.

Beispiel - feuchte Kellergeschosswohnung (BGH, Urteil vom 17.12.2014 - V ZR 9/14):

Eine Kellergeschosswohnung ist aufgrund von Feuchtigkeitsschäden unbewohnbar und es droht ein Übergreifen des Feuchtigkeitsschadens auf den übrigen Kellerbereich.

BGH: Bei sofortigem Instandsetzungsbedarf ist für die Berücksichtigung finanzieller Schwierigkeiten oder des Alters einzelner Wohnungseigentümer kein Raum mehr.    

Wichtig: Anfechtungsnotwendigkeit bei Weiterbeobachtungs- und Teilsanierungsbeschlüssen

Wird trotz sofortigen (Gesamt-) Sanierungsbedarfs ein Eigentümerbeschluss gefasst, die weitere Mangelentwicklung zunächst nochmals zu beobachten oder nur eine Teilsanierung durchzuführen, so wird dies regelmäßig pflichtwidrig sein. Allerdings muss ein solcher Beschluss durch den betroffenen Wohnungseigentümer angefochten werden. Unterbleibt dies, so kann er sich nicht auf die in der Untätigkeit liegende Pflichtverletzung berufen. Denn - so der BGH - die Bestandskraft eines Beschlusses schließt den Einwand aus, er habe nicht ordnungsmäßiger Verwaltung entsprochen. Er ist dann für alle Beteiligten verbindlich, seine Beachtung bzw. Durchführung stellt keine Pflichtwidrigkeit dar. Schadensersatzansprüche scheiden dann aus (BGH, Urteil vom 13.07.2012 - V ZR 94/11).

Schadensersatzpflicht der übrigen Wohnungseigentümer?

Unterbleibt die Beschlussfassung für erforderliche Instandsetzungen oder wird sie verzögert, so können die übrigen Wohnungseigentümer schadensersatzpflichtig sein, wenn sie schuldhaft entweder untätig geblieben sind oder gegen die erforderlichen Maßnahmen gestimmt oder sich enthalten haben. Dies gilt jedenfalls dann, wenn nur die sofortige Instandsetzung ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht und diese von einem Wohnungseigentümer verlangt wird, der andernfalls Schäden an seinem Sondereigentum erleidet (BGH, Urteil vom 17.10.2014 - V ZR 9/14).

Um die Ansprüche erfolgversprechend geltend machen zu können, ist dem betroffenen Wohnungseigentümer zu empfehlen, darauf zu drängen, dass in der Versammlung namentlich abgestimmt und dies protokolliert wird.

Den übrigen Wohnungseigentümern ist zu empfehlen, sich an einer positiven Beschlussfassung zu beteiligen, soweit es um die notwendige Instandsetzung des Gemeinschaftseigentums geht.