Wenn eine Filesharing-Abmahnung "unbrauchbar" ist und der Abgemahnte nicht zahlen muss, OLG Düsseldorf

Abmahnung Filesharing
14.01.2012439 Mal gelesen
Klare Worte fand das OLG Düsseldorf in einer Filesharing-Abmahnsache - und wies die Klage gegen den Abgemahnten ab: Die Abmahnung bezeichnet es in dem streitgegenständlichen Fall als "völlig unbrauchbare anwaltliche Dienstleistung". Was bedeutet das?

Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat dazu in seinem Beschluss vom 14.11.2011 , I- 20 W 132/11, erläutert, dass die Abmahnung zu pauschal war.  Verschickt worden war die Abmahnung durch die Rechtsanwaltskanzlei Rasch aus Hamburg. Die Abmahnung genügte nach Ansicht des Gerichts nicht den an eine Abmahnung zu stellenden Mindestanforderungen.

Mindestanforderungen der Abmahnung

Nach den Ausführungen des Gerichts müssen Abmahnkosten nur erstattet werden, wenn die Abmahnung Mindestanforderungen genügt. Es muss aus der Abmahnung hervorgehen, welches Verhalten beanstandet word, und wer sich zur Rechtsverfolgung für berechtigt hält. Die beanstandete Tathandlung bzw. der konkrete Rechtsverstoß muss so exakt angegeben sein, dass der Abgemahnte dann die gebotenen Folgerungen ziehen kann. Ist das nicht der Fall, kann der Abgemahnte auch keine wirksame Unterlassungserklärung abgeben. Wenn eine Abmahnkanzlei mehrere Rechteinhaber vertritt, muss klar sein, wer welchen Rechtsverstoß wegen welcher konkreter Rechtsverletzung gelten macht.

In dem streitgegenständlichen Fall waren nach Ansicht des Gerichts weder die Aktivlegitimation noch der Verstoß hinreichend dargelegt worden.

Außerdem finden sich in den Ausführungen interessante Aspekte zu der Frage, wie eine Unterlassungserklärung zu fassen ist: In dem streitgegenständlichen Fall war die Unterlassungserklärung zu weit formuliert, sie bezog sich auf das gesamte Musikrepertoire des Gläubigers. Dazu schreibt das Gericht in dem Beschluss:

"Der Gläubiger eines Unterlassungsanspruchs kann vom Schuldner als Unterlassungserklärung nicht mehr verlangen, als was er durch eine Titulierung erreichen könnte. Eine Unterlassungserklärung, die auf das gesamte, nicht durch eine beigefügte Liste konkretisierte Musikrepertoire des Gläubigers gerichtet ist, verlagert das Risiko, ob ein unbekanntes Musikstück zum Repertoire des Gläubigers gehört, vollständig auf den Schuldner und benachteiligt ihn daher gegenüber einer titulierten Unterlassungsverpflichtung unverhältnismäßig. Im Falle einer vom Gläubiger für eine Vielzahl von Fällen vorformulierten Unterlassungserklärung ist eine gleichwohl abgegebene Verpflichtung daher nach § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam. Vom Unterlassungsgläubiger vorformulierte Unterlassungs- und Vertragsstrafeverpflichtungserklärungen unterfallen den Regelungen des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen...".

Eine auf das gesamte Repertoire erstreckte Unterlassungsverpflichtung setzt nach den Ausführungen des OLG Düsseldorf jedenfalls die Beifügung einer entsprechenden Repertoireauflistung voraus. 

Bereits das OLG Köln hatte dazu in dem Beschluss vom 20.05.2011, Az. 6 W 30/11 in einem Fall entschieden, in dem der Abmahner eine vorformulierte Unterlassungserklärung beigefügt hatte, die alle Werke des Verlags betraf, obwohl es tatsächlich nur um den Anspruch wegen der Verbreitung eines konkret angebotenen Hörbuchs gegangen war. Ein Verbraucher, der eine Tauschbörsen-Abmahnung mit einer zu weit gefassten vorformulierten Unterlassungserklärung erhalten hatte, musste die Kosten einer sich daraus ergebenden einstweiligen Verfügung nicht tragen. Denn wenn  - jedenfalls ein gewerblich tätiger und rechtlich beratener - Gläubiger dem Schuldner Hinweise erteilen würde, die ihn von der Anerkennung des Anspruchs abhalten könnten, dann könne der Gläubiger nicht aus einer unterbliebenen Reaktion des Abgemahnten auf die Abmahnung auf die Erforderlichkeit gerichtlicher Inanspruchnahme schließen, befand das OLG Köln.

Weitere Rechtsprechung in Filesharing-Sachen finden Sie hier auf der Webseite der Anwaltskanzlei Wienen.

Fazit

Eine Abmahnung sollte innerhalb der darin gesetzten Frist anwaltlich individuell geprüft werden - denn nicht zwangsläufig besteht eine Zahlungspflicht, wie der Beschluss deutlich zeigt.

Gerne können Sie sich an Rechtsanwältin Wienen wenden, Telefon:

030 - 390 398 80.

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Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF  

Beschluss  
Aktenzeichen: I-20 W 132/11  
Verkündet am: 14.11.2011

Tenor

 Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird der Beschluss des Landgerichts Düsseldorf vom 26. Mai 2011 abgeändert.  

Der Beklagten wird für das Verfahren in erster Instanz rückwirkend ab dem 8. April 2011 Prozesskostenhilfe bewilligt. Zugleich wird ihr Rechtsanwalt A. zur vorläufigen unentgeltlichen Wahrnehmung der Rechte in dieser Instanz rückwirkend ab dem 8. April 2011 beigeordnet.  

Gründe

 Die sofortige Beschwerde der Beklagten vom 8. Juni 2011, mit der sie sich gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe für ihre Rechtsverteidigung in erster Instanz wendet, ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg. Das Landgericht hat eine hinreichende Erfolgsaussicht der Rechtsverteidigung zu Unrecht verneint.  

Gemäß § 114 ZPO erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.  

Die beabsichtigte Rechtsverteidigung der Beklagten bietet eine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Es steht nicht fest, dass die Beklagte die ihr vorgeworfenen Urheberrechtsverletzungen begangen oder zu vertreten hat. Das Landgericht hat die die Beklagte treffende Substantiierungslast verkannt. Die Beklagte ist nicht gehindert, die Aktivlegitimation der Klägerinnen, das Anbieten der streitgegenständlichen Musikdateien über die IP-Adresse . und die Zuordnung dieser IP-Adresse zu ihrem Anschluss mit Nichtwissen zu bestreiten. Die Beklagte hat keinen Einblick in den Geschäftsbetrieb der Klägerinnen, des "Onlineermittlers" und des Internetproviders. Die weitere Substantiierung des Klägervortrags ist für die Zulässigkeit des Bestreitens mit Nichtwissen irrelevant.  

Soweit sich die Beklagte gegen die Verpflichtung zur Erstattung der Abmahnkosten wendet, hat ihre Rechtsverteidigung unabhängig vom Ausgang der Beweisaufnahme hinreichende Aussicht auf Erfolg. Die Abmahnung der Klägerinnen genügte den an eine Abmahnung zu stellenden Mindestanforderungen nicht. Zur Abmahnung gehört, dass der Abmahnende seine Sachbefugnis darlegt, also kundtut, weshalb er sich für berechtigt hält, den zu beanstanden-den Verstoß zu verfolgen (Köhler/Bornkamm, UWG, 29. Aufl., § 12 Rn. 1.13; Ahrens/Deutsch, Der Wettbewerbsprozess, 6. Aufl. Kap. 1 Rn. 35). Die Abmahnung muss mit hinreichender Deutlichkeit zum Ausdruck bringen, welches konkrete Verhalten beanstandet wird. Auch wenn der Gläubiger Unterlassung nicht nur der konkreten Verletzungsform begehrt, muss er doch den Anlass der Beanstandung ganz konkret bezeichnen, damit der Schuldner weiß, was genau für den Gläubiger den Stein des Anstoßes bildet (Köhler/Bornkamm, UWG, 29. Aufl., § 12 Rn. 1.15; OLG Stuttgart, WRP 1996, 1229, 1230). Um ihren Zweck zu erfüllen, muss in der Abmahnung der Sachverhalt, der den Vorwurf rechtswidrigen Verhaltens begründen soll, also die begangene Handlung, genau angegeben und der darin erblickte Verstoß so klar und eindeutig bezeichnet sein, dass der Abgemahnte die gebotenen Folgerungen ziehen kann (OLG Köln WRP 1988, 56; Ahrens/Deutsch, a.a.O. Rn. 45).  

Vorliegend sind weder die Aktivlegitimation noch der Verstoß hinreichend dargelegt. Das Anbieten von 304 Audiodateien zum Herunterladen stellt alleine noch keinen Urheberrechtsverstoß da. Nicht jedes Angebot einer Audiodatei zum Herunterladen verletzt fremde Urheberrechte. Die Dateien können gemeinfrei oder mit einer allgemeinen Lizenz versehen sein. So ist es inzwischen nicht mehr ungewöhnlich, dass Interpreten ihre Stücke zur freien Verbreitung in das Internet einstellen. Zudem ist das Urheberrecht ein Ausschließlichkeitsrecht. Es ist jedem Inhaber von Urheberrechten selbst überlassen, ob er seine Rechte im konkreten Fall ausübt oder ob den Verletzer gewähren lässt. Ein Dritter kann diese Rechte nicht geltend machen. Von daher verfängt auch das Argument, eine Berechtigung der Beklagten an den Titeln sei jedenfalls nicht ersichtlich, nicht. Entscheidend ist allein, ob und an welchen Titeln den Klägerinnen Rechte zustehen. Ohne die Angabe der Titel, durch deren Angebot die Rechte gerade der Klägerinnen verletzt worden sind, konnte die Beklagte der Abmahnung daher nicht entnehmen, welches Verhalten sie in Zukunft unterlassen soll. Zur generellen Unterlassung des Anbietens von Audiodateien zum Herunterladen ist sie eben nicht verpflichtet, sondern nur zur Unterlassung des Angebots der Titel der Klägerinnen. Der zur Unterlassung verpflichtende Verstoß war folglich nicht das Anbieten von 304 Audiodateien zum Herunterladen, sondern - die Aktivlegitimation der Klägerinnen unterstellt - das Angebot der vier im Klageantrag genannten Musiktitel der Klägerinnen. Dieser Verstoß hätte in der Abmahnung dargelegt werden müssen, wobei zum notwendigen Vertrag der Aktivlegitimation zumindest auch die Zuordnung der Titel zu einzelnen Klägerinnen gehört hätte.  

Ohne eine solche Darlegung war der Beklagten die Abgabe einer wirksamen Unterlassungserklärung gar nicht möglich. Die Liste der zum Herunterladen angebotenen 304 Audiodateien besteht vorwiegend aus Stücken anderer Berechtigter und kann schon von daher nicht Gegenstand einer gegenüber den Klägerinnen erklärten Verpflichtung sein. Eine auf die darin enthaltenen Musiktitel der Klägerinnen oder gar - wie von ihnen in ihrer Abmahnung verlangt - auf ihr gesamtes Repertoire gerichtete Unterlassungserklärung konnten die Klägerinnen in Ermangelung einer Individualisierung dieser Stücke nicht verlangen. Es kann dahinstehen, ob die Verletzung der Rechte an einzelnen Musiktiteln einen Anspruch auf eine das ganze Repertoire der Gläubigerin umfassende Unterlassungsverpflichtung vermittelt. Die Klägerinnen selbst machen vorliegend mit ihrer Klage nur noch eine Unterlassungsverpflichtung bezüglich der vier nach ihrem Vortrag tatsächlich zum Herunterladen bereitgestellten Musiktitel geltend. Eine auf das gesamte Repertoire erstreckte Unterlassungsverpflichtung setzt jedenfalls die Beifügung einer Repertoireauflistung voraus.  

Ein entsprechender Unterlassungsantrag wäre ohne eine solche Repertoireliste nicht hinreichend bestimmt. Gemäß § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO muss die Klageschrift einen bestimmten Antrag enthalten. Ein Verbotsantrag darf nicht derart undeutlich gefasst sein, dass sich der Beklagte nicht erschöpfend verteidigen kann und es in der Zwangsvollstreckung, wenn dem im Erkenntnisverfahren gestellten Antrag Rechnung getragen würde, die Entscheidung darüber, was dem Beklagten verboten ist, dem Vollstreckungsgericht überlassen wäre (BGH, GRUR 1998, 489, 491 - Unbestimmter Unterlassungsantrag III). Allein die Klarstellung, dass der Antrag und die Verurteilung sich nur auf die zum Repertoire der Klägerinnen gehörenden Musiktitel bezieht, ermöglicht es dem mit einem Vollstreckungsverfahren befassten Gericht nicht, im Falle eines Streits der Parteien zu beurteilen, ob es sich bei dem Musiktitel, wegen dessen Verbreitung durch die Beklagte die Klägerinnen die Verurteilung zu einem Ordnungsgeld begehren, um einen zum Repertoire der Klägerinnen gehörenden Musiktitel handelt (vgl. BGH, GRUR 2008, 357 Tz. 23 - Planfreigabesystem). Steht nicht eindeutig fest, welche Musiktitel im Einzelnen gemeint sind, ist der auf die Verpflichtung zur Unterlassung der Verbreitung gerichtete Antrag nur dann hinreichend bestimmt, wenn diese individualisierend beschrieben werden, was durch eine Bezugnahme auf einen Ausdruck oder einen Datenträger erfolgen kann (vgl. BGH, GRUR 2008, 357 Tz. 24 - Planfreigabesystem).  

Der Gläubiger eines Unterlassungsanspruchs kann vom Schuldner als Unterlassungserklärung nicht mehr verlangen, als was er durch eine Titulierung erreichen könnte. Eine Unterlassungserklärung, die auf das gesamte, nicht durch eine beigefügte Liste konkretisierte Musikrepertoire des Gläubigers gerichtet ist, verlagert das Risiko, ob ein unbekanntes Musikstück zum Repertoire des Gläubigers gehört, vollständig auf den Schuldner und benachteiligt ihn daher gegenüber einer titulierten Unterlassungsverpflichtung unverhältnismäßig. Im Falle einer vom Gläubiger für eine Vielzahl von Fällen vorformulierten Unterlassungserklärung ist eine gleichwohl abgegebene Verpflichtung daher nach § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam. Vom Unterlassungsgläubiger vorformulierte Unterlassungs- und Vertragsstrafeverpflichtungserklärungen unterfallen den Regelungen des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (BGH, NJW 1993, 721, 722).  

Von daher kann eine Erstattung der Abmahnkosten auch nicht auf einen eventuellen Schadensersatzanspruch gestützt werden. Es ist bereits zweifelhaft, ob die Abmahnkosten als ein Schaden verstanden werden, der auf der in der Vergangenheit liegenden Verletzungshandlung beruht. Mit der Abmahnung wird nicht eine bereits geschehene Gesetzesverletzung außergerichtlich verfolgt; die Abmahnung richtet sich vielmehr gegen die Gefahren, die aus zukünftiger Handlung des Abgemahnten drohen. Solche zukünftigen Handlungen sollen verhindert werden (Ahrens/Scharen, Der Wettbewerbsprozess, 6. Aufl., Kap 11 Rn. 13). Die Abmahnung dient folglich der Verhinderung zukünftiger Verstöße, während der Schutzzweck des Schadensersatzanspruchs darauf gerichtet ist, Vermögenseinbußen auszugleichen, die aus der abgeschlossenen Verletzungshandlung herrühren. Allein die adäquate Verursachung der Abmahnkosten durch die Verletzungshandlung reicht für Schadenszurechnung nicht aus. Die Lehre vom Schutzzweck der Norm erschöpft sich nicht in einer Anwendung der Adäquanzlehre; sie begründet vielmehr ungeachtet der Kausalität eine normative Begrenzung der Schadenszurechnung (Bornkamm in Köhler/Born-kamm, UWG, 29. Aufl., § 12 Rn. 1.88).  

Dies kann jedoch vorliegend dahinstehen, da eine Abmahnung, die den Verstoß nicht erkennen lässt und auch den bereitwilligsten Schuldner nicht in die Lage versetzt, eine wirksame Unterlassungsverpflichtungserklärung abzugeben, eine völlig unbrauchbare anwaltliche Dienstleistung darstellt. Zwar befreien Mängel der Leistung den Dienstberechtigten noch nicht vom Vergütungsanspruch des Dienstverpflichteten. Dies gilt jedoch nicht für eine Leistung, die für den Dienstberechtigten völlig unbrauchbar ist. Eine derartige Leistung steht der Nichtleistung gleich. In einem solchen Fall kann der Dienstberechtigte die Zahlung des Honorars verweigern oder die Rückerstattung des bereits gezahlten Honorars verlangen (KG, NJOZ 2011, 905 m. w. Nw.). Ein Grund, warum dieser im Bereich ärztlicher und zahnärztlicher Leistungen seit langem anerkannte Grundsatz auf anwaltliche Dienstleistungen keine Anwendung finden sollte, ist nicht ersichtlich. Von daher fehlt jedenfalls insoweit an einem endgültigen Schaden der Klägerinnen.   Eine Kostenerstattung findet nicht statt, § 127 Abs. 4 ZPO.