Volle Erwerbsminderungsrente trotz nur teilweiser Erwerbsminderung bei Verschlossenheit des Arbeitsmarktes

Soziales und Sozialversicherung
09.04.20142603 Mal gelesen
In der gesetzlichen Rentenversicherung besteht bei einer Leistungsfähigkeit zwischen 3 und 6 Stunden in der Regel nur ein Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung. Ist jedoch der Arbeitsmarkt verschlossen, kann in bestimmten Fällen eine volle Erwerbsminderungsrente bewilligt werden.

Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, wenn sie wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI). Sie sind voll erwerbsgemindert, wenn sie wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI). Erwerbsgemindert ist nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI).

Dies entspricht der sog. abstrakten Betrachtungsweise. Für die Beantwortung der Frage, ob eine Erwerbsminderung vorliegt, kommt es nur auf die (abstrakte, vom Arbeitsmarkt unabhängige) medizinische Beurteilung des Restleistungsvermögens an. Es ist unerheblich, ob genügend Arbeitsplätze vorhanden sind.

In besonderen Fällen gilt aber die konkrete Betrachtungsweise. Soll heißen: Die teilweise Erwerbsminderung kann in eine volle Erwerbsminderung "durchschlagen", wenn der allgemeine Arbeitsmarkt nach der so genannten konkreten Betrachtungsweise verschlossen ist.

Solange der Versicherte noch in der Lage ist, wenigstens 6 Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt erwerbstätig zu sein, ist es unerheblich, ob der Versicherte einen Arbeitsplatz innehat; bei einem Leistungsvermögen oberhalb dieser Grenze gibt es keinen Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung. Bei einer Leistungsfähigkeit von mehr als 3 bis unter 6 Stunden sind an sich nur die Voraussetzungen für eine teilweise Erwerbsminderung erfüllt. Aus der gesetzlichen Regelung ergibt sich jedoch, dass bei einem täglichen Leistungsvermögen von weniger als 6 Stunden die jeweilige Arbeitsmarktlage zu berücksichtigen ist. Obwohl im medizinischen Sinne nur teilweise erwerbsgemindert, sind daher Versicherte mit einem Leistungsvermögen von 3 bis unter 6 Stunden täglich voll erwerbsgemindert, wenn von einem für sie verschlossenen Arbeitsmarkt auszugehen ist. Erheblich ist danach, ob zumutbare Arbeitsplätze vorhanden sind, die der Versicherte mit der ihm verbliebenen Leistungsfähigkeit noch ausfüllen kann. Als offen ist der Arbeitsmarkt anzusehen, wenn dem Versicherten ein geeigneter Arbeitsplatz angeboten wird. Dabei spielt es keine Rolle, ob der Versicherte das Angebot annimmt, sofern ihm nicht für die Ablehnung ein wichtiger Grund zur Seite steht.

Hat der teilweise Erwerbsgeminderte allerdings einen Arbeitsplatz tatsächlich inne, gilt der Teilzeitarbeitsmarkt selbst dann nicht als verschlossen, wenn der Versicherte durch die Schwere oder Dauer der Arbeit gesundheitlich überfordert wird. In diesen Fällen mutet sich der Versicherte selbst etwas zu, ohne vom Versicherungsträger dazu aufgefordert zu werden.

Vgl. z.B.: Bayerisches LSG - Urteil vom 12.02.2014 - L 13 R 158/11 (Fibromyalgie)

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