Volkswagen, Abgasskandal, Rückruf - Wie verhalten Sie sich als betroffener Halter

Zivilrecht, Prozess und Zwangsvollstreckung
29.02.2016367 Mal gelesen
Volkswagen hat den Rückruf von 2,4 Millionen Fahrzeugen gestartet und verspricht „Autos ohne Abstriche“. Je nachdem, wie Sie sich verhalten, erwarten Sie unterschiedliche Rechtsfolgen.

Die betroffenen Fahrzeuge werden zwar ab Januar in die Werkstätten gerufen - wann der Rückruf und die Nachbesserungen abgeschlossen seien, ist laut Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) jedoch noch offen.

Grundsätzlich gilt:

Schadensersatz oder Rücktritt vom Vertrag setzt voraus, daß das erworbene Fahrzeug einen Mangel hat oder eine zugesicherte Eigenschaft fehlt. Ein weiterer Gesichtspunkt, ob Ansprüche bestehen, ergibt sich daraus, ob sich  aufgrund der umstrittenen Software der Wert eines Fahrzeuges erheblich verschlechtert hat. Ein solcher Wertverlust ist möglich und wäre ein sog. merkantiler Minderwert. Der Gesetzgeber unterscheidet in § 434 BGB verschiedene Arten von Sachmängeln. Die Rechtsfolgen bei Sach- und Rechtsmängeln im Kaufrecht sind in § 437 BGB genannt: Nachbessserung, Rücktritt vom Vertrag, Minderung des Kaufpreises, Schadensersatz statt der Leistung, Ersatz vergeblicher Aufwendungen.

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, als Betroffener zu reagieren:

Sie wollen Ihr Fahrzeug zurückgeben: Dafür bestehen gute Erfolgsaussichten. Jedes weitere Zuwarten verschlechtert Ihre Rechte, da Fristen einzuhalten sind. Solange die Nachbesserung lediglich angekündigt und deren Ende nicht absehbar ist, können Käufer neuwertiger Fahrzeuge, solange die gesetzlichen Gewährleistungsrechte bestehen , u. U. sogar die Neulieferung eines Fahrzeugs verlangen, mitunter ohne Nutzungsersatz, oder vom Kaufvertrag zurücktreten. Die Fahrzeuge weisen nämlich einen schweren Mangel auf, da sie laut den Behörden nicht zulassungsfähig sind und nur mit Sondergenehmigung betrieben werden dürfen. Wie bei nachträglichen, nicht genehmigten Veränderungen erlischt mit Auslieferung und Zulassung eines Fahrzeugs mit Manipulationssoftware nach diesseitiger Ansicht die Typgenehmigung/Betriebserlaubnis. Eine Sondergenehmigung unter der Bedingung der Teilnahme an der Rückrufaktion ist insbesondere bei unsicheren technischen Folgen kein Vollrecht. Wenn Sie Ihr Fahrzeug zurückgeben wollen, dürfen Sie nicht an der Rückrufaktion teilnehmen, da dies die Ausübung des Wahlrechts im Gewährleistungsrecht in Richtung Nachbesserung darstellt. Darüber informiert Volkswagen Sie nicht.

Sie wollen Ihr Fahrzeug verkaufen: Sie müssen mit einem sog. merkantilen Minderwert rechnen, wenn das Fahrzeug nicht an der Rückrufaktion teilgenommen hat. Diesen Wertverlust vor Gericht zu beweisen ist problematisch, hängt von der konkreten Marktlage ab und bedarf i. d. R. des gutachterlichen Beweises. Das Prozessrisiko tragen Sie und nicht Volkswagen.

Sie wollen am Rückruf teilnehmen und Schadensersatz fordern: Hier gilt das gleiche - Das Prozessrisiko tragen Sie ebenso wie das Prognoserisiko des Sachverständigen. Im Übrigen ist ein durch Sie angefordertes Gutachten stets lediglich qualifizierter Parteivortrag. Ein gerichtlich angeordnetes Gutachten ist mit weiteren, hohen Kosten verbunden.

Sie wollen am Rückruf teilnehmen, aber haben Angst vor Leistungsverlust oder Mehrverbrauch: Es wird diskutiert, ob die betroffenen Fahrzeuge nach der Rückrufaktion weniger Leistung aufweisen und/oder mehr verbrauchen. Wenn dies so wäre, läge auch dann eine Abweichung von den vertraglich vereinbarten/zugesicherten Eigenschaften vor. Die Beweislast dafür tragen Sie. Volkswagen hat zwar auf die Einrede der Verjährung verzichtet. Dies gilt aber nur für Fahrzeuge, die ab Werk verkauft wurden. Gegenüber Vertrags- oder sonstigen Händlern gilt dieser Verzicht nicht. Hier zeigt sich insbesondere der Unterschied zwischen Garantie und Gewährleistung. Die Garantie übernimmt regelmäßig der Hersteller, die Gewährleistungsrechte gelten nur zwischen Verkäufer und Käufer. Sie benötigen also den Verzicht der Verjährungseinrede vom Autohändler. Bei einem Privatkauf wird die Gewährleistung so gut wie immer ausgeschlossen. Was dazu kommt: Der Hersteller bzw. Verkäufer hat mehrere Nachbesserungsversuche. Außerdem: Der Verzicht der Einrede der Verjährung gilt nicht unbedingt für sogenannte Folgemängel. War der Mangel ursprünglich bereits verjährt, ist die Geltendmachtung von Mehrverbrauch usw. problematisch. Auch hier ist mit hohen Gutachterkosten zu rechnen.

Sie wollen nicht am Rückruf teilnehmen: Das KBA hat nach Pressemitteilungen signalisiert, Autos notfalls stillzulegen, wenn sie nicht am Rückruf teilnehmen. Zu prüfen ist, ob die Ausnahmegenehmigung des KBA solange gilt, bis der Besitzer am Rückruf teilgenommen hat. Versucht er das Auto zu verkaufen, hat er die genannten Probleme. Wie immer ist es am schlechtesten, gar nicht zu reagieren.

Sie sollten sich generell nicht auf konzerngestützte Maßnahmen verlassen. Volkswagen stimmt sein Verhalten sorgfältig mit den Behörden ab. Das KBA ist außerdem keine unabhängige Einrichtung. Es ist eine sogenannte Bundesoberbehörde und dem Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) unterstellt.

Anwaltliche Beratung und Vertretung ist bei der gegebenen Sach- und Rechtslage angezeigt.

 

Rechtsanwalt Holger Hesterberg

Bundesweite Tätigkeit. Mitgliedschaft im Deutschen Anwaltverein.

Mail:kanzlei@anwalthesterberg.de