Trunkenheitsfahrt. Was bei der Verteidigung gegen den Vorwurf zu beachten ist

Trunkenheitsfahrt. Was bei der Verteidigung gegen den Vorwurf zu beachten ist
19.01.20146881 Mal gelesen
Der ertappte Fahrer, dessen Führerschein oft sofort sichergestellt wird, hat ein Interesse an einer milden Bestrafung und vor allem der möglichst schnellen Rückerlangung der Fahrerlaubnis. Verdächtige oder Beschuldigte einer Straftat wegen Trunkenheit im Verkehr nach § 316 StGB sollten gegenüber der Polizei keine Angaben machen, besonders nicht zur Alkohol-, Rauschmittel- oder Medikamentenaufnahme.

Ab einer vorwerfbaren Blutalkoholkonzentration (BAK) von 1,1 Promille liegt nach § 316 StGB eine strafbare Trunkenheitsfahrt vor. Ab diesem Promillewert spricht man von absoluter Fahruntüchtigkeit. Aber auch die sogenannte relative Fahruntüchtigkeit, die bei einer BAK von 0,2 bis unter 1,1 Promille oder bei Nachweis von Drogen oder Medikamenten im Blut kann zu einer Verurteilung wegen Trunkenheit im Verkehr nach § 316 StGB führen, sofern Umstände in der Person des Fahrers oder Mängel in seiner Fahrweise den Schluss zulassen, dass der Fahrer nicht mehr fähig war, sein Fahrzeug zu führen.

Die Folge einer Verurteilung wegen Trunkenheitsfahrt ist (bei Ersttätern) eine Geldstrafe in Höhe etwas eines Nettomonatseinkommens und in der Regel Entziehung der Fahrerlaubnis mit Sperrfrist von für die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis von ungefähr einem Jahr.

Für den ertappten Fahrer, dessen Führerschein häufig sofort sichergestellt wird, geht es daher neben dem Interesse an einer möglichst milden Bestrafung, vor allem um eine schnelle Rückerlangung der Fahrerlaubnis.

Bei relativer Fahruntüchtigkeit müssen zusätzlich zur Alkoholisierung für eine Strafbarkeit gemäß § 316 StGB typische Ausfallerscheinungen wie Schlangenlinien oder Kurvenschneiden hinzukommen. Nicht jeder Fahrfehler oder jede körperliche Auffälligkeit des Fahrers genügt hier. An dieser Stelle besteht für die Verteidigung oft Argumentationsspielraum.

Bei einem Verdacht auf absolute oder relative Fahruntüchtigkeit wird der Führerschein von der Polizei sichergestellt oder beschlagnahmt. Ab diesem Moment der der Beschuldigte kein Kfz mehr fahren. Gegen die Beschlagnahme des Führerscheins kann vor Ort Widerspruch eingelegt werden. Davon ist nach einer Trunkenheitsfahrt jedoch abzuraten bzw. sollte ein bereits eingelegter Widerspruch durch einen vom Beschuldigten eingeschalteten Anwalt gegenüber der Polizei oder der Staatsanwaltschaft wieder zurückgenommen werden. So lässt sich vermeiden, dass ein Richter nach § 111a Strafprozessordnung einen Beschluss über die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis erlässt und somit eine nachteilige gerichtliche Entscheidung, die wie ein Präjudiz wirken kann, in die Strafakte gelangt. Bei absoluter Fahruntüchtigkeit wird mit einem Widerspruch ohnehin nichts zu erreichen sein.

Bei relativer Fahruntüchtigkeit kommt es auf die Aufzeichnungen der Polizei oder die Beobachtungen sonstiger Zeugen an. Die Kenntnis solcher Aufzeichnungen ist für die sinnvolle Begründung eines Widerspruchs unerlässlich, so dass zunächst die Akteneinsicht durch den beauftragten Rechtsanwalt abgewartet werde sollte. Der eventuelle Widerspruch oder eine Beschwerde gegen den Beschluss über die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis kann auch zu einem späteren Zeitpunkt noch eingelegt werden. Sie ist nicht fristgebunden.

Die Anordnung einer Blutprobe unter Verstoß gegen den in § 81a StPO normierten Richtervorbehalt führt nur in ganz seltenen Fällen zu einer Unverwertbarkeit der Blutprobe und damit zu einer Verhinderung einer Bestrafung wegen Trunkenheit im Verkehr. Nämlich dann, wenn die (mögliche) Zustimmung des Richters objektiv willkürlich übergangen wurde und die Blutprobe nicht freiwillig erfolgt war.

Radfahrer machen sich erst ab einer BAK von 1,6 Promille wegen Trunkenheit im Verkehr strafbar. Aber auch bei darunter liegenden Promillewerten kann eine strafbare Trunkenheitsfahrt gegeben sein, wenn zusätzlich zu dem BAK-Wert weitere Beweisanzeichen wie erhebliche Fahrfehler oder Verhaltensauffälligkeiten auf eine Fahruntüchtigkeit des Radfahrers hinweisen. Eine Fahrerlaubnisentziehung durch die Strafjustiz gibt es in Radfahrer-Fällen nicht. Jedoch wird es bei Führerscheininhabern kann im Nachgang zum Strafverfahren mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer Überprüfung der Fahreignung durch die Fahrerlaubnisbehörde in Form einer MPU kommen.

Verdächtige oder Beschuldigte einer Straftat wegen Trunkenheit im Verkehr nach § 316 StGB sollten gegenüber der Polizei keine Angaben machen, besonders nicht zur Alkohol-, Rauschmittel- oder Medikamentenaufnahme. Ohne entsprechende Angaben des Beschuldigten kann nicht mit der notwendigen Sicherheit festgestellt werden, wann die Resorption des Alkohols abgeschlossen war, so dass sich eine Rückrechnung verbietet. Es darf dem Fahrer dann nur die Alkoholmenge zum Vorwurf gemacht werden, die zu der später im Blutalkoholgutachten festgestellten Promillekonzentration geführt hat. Nachtrunkbehauptungen könnten zwar mittels einer sog. Begleitstoffanalyse überprüft werden. Dazu ist allerdings die Kenntnis der angeblich nach der Fahrt konsumierten Getränke. Wer Angaben dazu macht, wie es zu der Trunkenheitsfahrt kommen konnte, riskiert eine verschärfte Strafe weil ggf. eine vorsätzliche Tatbegehung unterstellt werden kann.

Die relative oder absolute Fahruntüchtigkeit führt nach §§ 316, 69, 69a StGB dazu, dass der Täter in der Regel als Ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen anzusehen ist, weshalb es neben der Strafe wegen Trunkenheit im Verkehr zu der Nebenfolge der Entziehung der Fahrerlaubnis und der Festsetzung einer Sperrfrist für die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis kommt. Hierzu bedarf es keiner besonderen Feststellungen der Justiz, Im Juristendeutsch spricht man deshalb davon, dass die Ungeeignetheit "indiziert" sei.

Wenn sich der Beschuldigte bzw. der Angeklagte bereits während des Verfahrens mit seinen persönlichen Defiziten, die zu der Alkoholfahrt geführt haben, auseinandergesetzt und sie letztlich gelöst hat, widerlegt dies diese Tatsache Ungeeignetheit oder schränkt die Indizwirkung zumindest ein. Wer sich unter fachkundiger Anleitung eines Verkehrstherapeuten einer solchen Kursmaßnahme unterzieht kann daher eine deutliche Abkürzung oder Verkürzung der Sperrfrist erreichen. Geschieht dies bereits während des Ermittlungsverfahrens kann sich der Verteidiger in vielen Fällen mit der Staatsanwaltschaft von vorneherein auf den Erlass eines Strafbefehls mit einer verkürzten Sperrfrist verständigen. Eine öffentliche gerichtliche Hauptverhandlung wird vermieden.

Sofern, insbesondere nach einer Trunkenheitsfahrt mit einer hohen BAK von über 1,6 Promille oder bei Wiederholungstätern eher die Vermeidung einer medizinisch-psychologischen-Untersuchung (MPU) vor Neuerteilung einer Fahrerlaubnis als die möglichst schnelle Wiedererlangung der Fahrerlaubnis (mit MPU) im Vordergrund steht, kann es auch Ziel der Verteidigung sein, eine Gerichtsentscheidung ohne Fahrerlaubnisentziehung mit entsprechender Bindungswirkung für die Fahrerlaubnisbehörde zu erreichen. Diese Bindungswirkung der gerichtlichen Entscheidung verhindert die behördliche Anordnung einer MPU, die dem Betroffenen manchmal mehr Sorgen macht als seine Strafsache. Die Bindungswirkung des Urteils ist dann gegeben, wenn das Gericht das Urteil damit begründet, dass durch die Rehabilitationswirkung der Verkehrstherapie die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen wiederhergestellt ist. Es reicht nicht aus, dass auf den Entzug der Fahrerlaubnis nach dem Grundsatz in dubio pro reo verzichtet wird, denn in solchen Fällen wird die Fahrerlaubnisbehörde doch noch eingreifen und die Belassung der Fahrerlaubnis von einer positiven MPU abhängig machen. Es ist schon bei Alkoholfahrten mit nahezu 3 Promille gelungen, Betroffenen auf diese Weise eine behördlich angeordnete MPU zu ersparen.

 

Für Betroffene empfiehlt es sich, möglichst frühzeitige Kontakt zu einem versierten Strafverteidiger aufzunehmen. Nur so bleiben sämtliche Verteidigungsoptionen gewahrt. Angaben zur Sache gegenüber den Ermittlungsbehörden sollte unbedingt unterbleiben (Schweigen ist Gold).

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Der Verfasser, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht Christian Demuth, ist auf die Verteidigung von Menschen in Verkehrsstraf- und Bußgeldverfahren spezialisiert - bundesweit. Weitere Infos: www.cd-recht.de