Tipps für Webmaster wegen der vorgesehenen Änderung des Jugendmedienschutz-Staatsvertrages

Medien- und Presserecht
06.12.2010706 Mal gelesen
Wer als Anbieter einen Blog, eine Plattform für Online-Handel oder eine sonstige Homepage betreibt muss auch die Vorgaben für den Jugendschutz beachten. Auf was Sie als Webmaster aufgrund der geplanten Änderung des Jugendmedienschutz-Staatsvertrages besonders achten sollten.

Die geplante Änderung des Jugendmedienschutz-Staatsvertrages zum 01.01.2011 hat - auch aufgrund von reißerisch geschriebenen Beiträgen in der Presse und in Online-Publikationen - viele Webmaster in Angst und Schrecken versetzt. Es wird dort unter anderem behauptet, dass künftig jede Webpräsenz über eine Alterskennzeichnung verfügen muss. Das stimmt allerdings nicht. Normalerweise brauchen Sie als Betreiber eines Internetauftrittes auch zukünftig keine Alterskennzeichnung durchzuführen.

Anders ist das nur für diejenigen, die auf ihrer Homepage entwicklungsbeeinträchtigende oder sogar jugendgefährdende Inhalte bereit halten. Sie sind nach dem bisher gültigen Staatsvertrag zu der Einführung eines Altersverifikationssystems oder einer anderen wirksamen Sicherung verpflichtet. Nach der geplanten Änderung haben die Betroffenen die Wahl: Sie dürfen statt eines Altersverifikationssystems auch eine Alterskennzeichnung durchführen.

 

Jugendgefährdende Angebote

Jugendgefährdende Inhalte liegen nur in sehr schwerwiegenden Fällen vor, die in § 4 des Jugendmedienschutz-Staatsvertrages (JMStV) in Form eines Kataloges aufgeführt worden sind. Es handelt sich insbesondere um Angebote,

  • die zum Hass gegen Teile der Bevölkerung aufstacheln, die Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen wie etwa NAZI-Symbole verwenden,
  • grausame oder sonst unmenschliche Gewalttätigkeiten gegen Menschen in einer Art schildern, die eine Verherrlichung oder Verharmlosung solcher Gewalttätigkeiten ausdrückt oder die das Grausame oder Unmenschliche des Vorgangs in einer die Menschenwürde verletzenden Weise darstellt; dies gilt auch bei virtuellen Darstellungen,
  • als Anleitung zu schweren Straftaten stehen, die in dem Katalog des § 126 StGB aufgeführt sind
  • den Krieg verherrlichen,
  • gegen die Menschenwürde verstoßen, insbesondere durch die Darstellung von Menschen, die sterben oder schweren körperlichen oder seelischen Leiden ausgesetzt sind oder waren, wobei ein tatsächliches Geschehen wiedergegeben wird, ohne dass ein berechtigtes Interesse gerade für diese Form der Darstellung oder Berichterstattung vorliegt; eine Einwilligung ist unbeachtlich,
  • Kinder oder Jugendliche in unnatürlich geschlechtsbetonter Körperhaltung darstellen; dies gilt auch bei virtuellen Darstellungen,
  • pornografisch sind und Gewalttätigkeiten, den sexuellen Missbrauch von Kindern oder Jugendlichen oder sexuelle Handlungen von Menschen mit Tieren zum Gegenstand haben; dies gilt auch bei virtuellen Darstellungen,
  • in sonstiger Weise pornografisch sind,
  • offensichtlich geeignet sind, die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen oder ihre Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit unter Berücksichtigung der besonderen Wirkungsform des Verbreitungsmediums schwer zu gefährden.

Die in den letzten beiden Gruppen genannten Angebote können jedoch zulässig sein, soweit der Anbieter etwa durch ein Altersverifikationssystem sicherstellt, dass sie nur Erwachsenen zugänglich gemacht werden.

 

Entwicklungsbeeinträchtigende Angebote

Unter entwicklungsbeeinträchtigenden Angeboten sind nach § 5 des JMStV solche zu verstehen,

"die geeignet sind, die Entwicklung von Kindern oder Jugendlichen zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit zu beeinträchtigen". Hierzu müssen sie sich entweder sexualethisch oder sozialethisch desorientierend auswirken.

 

Sexualethisch desorientierende Angebote

Sexualethisch desorientierend ist normalerweise:

  • Jede Darstellung von Sexualität, die den Zielen gefühlsbejahender und normenkritischer Sexualerziehung - zu denen auch die Annahme von Sexualität als positive Lebensäußerung gehört - massiv zuwider läuft, insbesondere die Darstellung von Menschen, die diese auf entwürdigende Art zu sexuell willfährigen Objekten degradiert.
  • Die Darstellung sadistischer Vorgehensweisen als luststeigernd.

Die Rechtsprechung hat das unter anderem in den folgenden Fällen bejaht:

  • Standbilder sexueller Handlungen von fast vollständig unbekleideten Frauen als Werbung für einen Swingerclub (VG Minden, Urteil vom 18.08.2010, Az. 7 K 721/10).
  • Werbung für sexuelle Mehrwertdienste durch eine aufreizende Präsentation von Standbildern nackter Körper. Das Ganze wird auch noch durch Musik untermalt (VG Münster, Urteil vom 12.02.2010, Az. 1 K 1608/09).
  • Zwei nahezu unbekleidete Frauen vollführen sexuelle Handlungen teilweise mit einem Dildo. Dabei kann man vor allem PO und den nackten Intimbereich gut sehen. Die Geschlechtsteile sind auch noch als solche erkennbar. Neben den Bildern stehen diskriminierende und ordinäre Bemerkungen angegeben (VG Osnabrück, Urteil vom 29.01.2010, Az. 4 A 62/09).
 

Sozialethisch desorientierende Angebote

Angebote sind insbesondere dann sozialethisch desorientierend, wenn:

  • NS-Ideologie propagiert wird, für die Idee des Nationalsozialismus, seine Rassenlehre, sein autoritäres Führerprinzip, sein Volkserziehungsprogramm, seine Kriegsbereitschaft und seine Kriegsführung geworben wird, sowie wenn das NS-Regime durch verfälschte oder unvollständige Informationen aufgewertet und rehabilitiert werden soll und wenn Adolf Hitler und seine Parteigenossen als Vorbilder oder tragische Helden hingestellt werden,
  • Angebote kritiklos Vorurteile oder Gewalttaten gegenüber Andersdenkenden präsentieren,
  • reales Gewaltgeschehen (z.B. Krieg) unzureichend erläutert dargestellt wird,
  • Kriegsgeschehen anonymisiert präsentiert wird,
  • extrem einseitige oder extrem rückwärtsgewandte Rollenklischees befürwortet werden.

Hieran wird deutlich, dass ein Angebot nicht so schnell als entwicklungsbeeinträchtigend oder sogar jugendgefährdend eingestuft werden darf. Hierzu reichen weder unliebsame Äußerungen zu gesellschaftlichen Themen, noch die Darstellung von einem nackten Menschen aus. So etwas ist die durch die in der Verfassung verankerte Meinungsfreiheit gedeckt. Vielmehr geht es vor allem darum, dass Kinder und Jugendliche neben Pornografie vor Texten und Darstellungen bewahrt werden sollen, in denen Menschen bewusst zum sexuellen Objekt degradiert werden oder Gewalt verherrlicht wird.

Wer unsicher ist, ob seine Homepage bereits als entwicklungsbeeinträchtigend oder sogar jugendgefährdend anzusehen ist, kann sich zunächst einmal an die offiziellen Stellen wenden. Hierzu gehören vor allem die Kommission für Jugendmedienschutz bei den Landesmedienanstalten, die Freiwillige Selbstkontrolle Multimedia-Dienstleister oder Jugendschutz.net. Am besten lassen Sie sich darüber hinaus von einem auf Medienrecht spezialisierten Rechtsanwalt beraten.

 

Nähere Informationen:

Infos zum jetzigen und künftigen JMStV und zur Begründung des Gesetzgebers http://www.kjm-online.de/de/pub/recht/gesetze_und_staatsvertraege/jugendmedienschutz-staatsvertr.cfm

Beispiele von entwicklungsbeeinträchtigenden Angeboten https://www.fsm.de/de/5_JMStV

Gegenüberstellung der heutigen und der geplanten Fassung des JMSTV http://www.fsm.de/inhalt.doc/Synopse_JMStV_final.pdf

Beiträge im Internetangebot der Kanzlei:

http://www.wbs-law.de/news/allgemein/2060/sendung-tatort-internet-auf-rtl-2-und-jugendschutz

http://www.wbs-law.de/news/e-commerce/655/der-jugendschutz-im-online-handel-aufgepasst-bei-buechern-dvds-co