Sie ist mir einfach vors Auto gelaufen!

Sie ist mir einfach vors Auto gelaufen!
28.03.20134168 Mal gelesen
Im immer dichter und hektischer werdenden Großstadtverkehr scheint immer weniger Zeit zu sein, einen Fußgängerüberweg aufzusuchen, der vielleicht in einiger Entfernung sichtbar ist, oder dort auf „grün“ zu warten.

Auch schwere Einkaufstaschen oder ein nahender Bus mögen Anlass sein, in einer vermeintlich ausreichend großen Verkehrslücke die Straße zu queren.

In jedem Fall sind die Verletzungen der Fußgänger aus solchen Unfällen oft sehr schwer. Es geht ums Zivilrechtliche.

Während früher die Rechtsprechung  noch selbst bei betrunken im Dunkeln in schwarz gekleideten Personen, die spontan die Straße überquerten, zivilrechtlich quasi stets  eine Teilschuld beim PKW-Fahrer sah, sind die Maßstäbe inzwischen deutlich schärfer geworden.

Dieser Artikel richtet sich v.a. an verunfallte Fußgänger, da v.a. die zivilrechtliche Beurteilung der Unfallumstände angesprochen wird.

Es kommt nun doch sehr auf die Umstände des Einzelfalls an. Hierbei ist großes Augenmerk auf die Unfallörtlichkeit zu lenken.

Fast am Wichtigsten: Wie weit war der Fußgänger auf der Straße, als er erfasst wurde?

Häufig reicht das alleinige Studium der polizeilichen Ermittlungsakte nicht aus. Es sind "alternative Querungsstellen" wie etwa in der Nähe liegende ampelgeregelte Fußgängerüberwege oder Zebrastreifen und ihr genauer Abstand zur Unfallstelle zu prüfen.

Grundsätzlich wäre auch ein Fußgänger gehalten, seine volle Aufmerksamkeit dem Straßenverkehr zu widmen und nicht etwa über einen MP3-Player laut Musik zu hören. Gibt es Anhaltspunkte für eine solche Ablenkung? (Es ist mir ein Fall erinnerlich, wo in den Aussagen immer wieder auf Kopfhörer am Unfallort hingewiesen wurde, obwohl die Verunfallte gar keine Kopfhörer besessen hatte.)

Auch das fröhliche-in-einer-Gruppe-diskutierend-die-Straße-ohne-Blick-in-Fahrrichtung-Betreten ist von Bedeutung (und spricht mindestens für eine Mitschuld des Fußgängers).

Hindernisse wie Baustellen, welche es dem PKW-Fahrer erschweren, das Unfallopfer rechtzeitig zu sehen, sind insofern relevant, als dass sie auch vom Fußgänger hätten bemerkt werden können.

Auch das Verhalten des PKW-Fahrers kurz vor dem Unfall ist relevant. Zankte die Fahrerin gerade mit ihren Kindern? Studierte der Fahrer den Stadtplan oder programmierte er sein Navi? Telefonierte er (etwa) gerade mit dem Handy? Oder wechselte  die Fahrerin gerade die CD?

Es ist ganz erstaunlich, wie detailliert die Aussagen neutraler Zeugen bisweilen sind. Dabei sind sie meist widersprüchlich, so dass es wichtig ist Akteneinsicht zu nehmen, bevor man sich selbst zur Sache äußert.

Machte der PKW-Fahrer missverständliche Gesten, welche den Eindruck vermittelten, dass die Straße überquert werden könne?

 

Wichtig ist an dieser Stelle, dass tatsächlich einen Fahrer die Schuld trifft, wenn er ein späteres Opfer über die Straße winkt, das dann von einem anderen Fahrer umgefahren wird. Dies wird aus menschlich- moralischen Gründen jedoch von den Opfern in der Regel nicht weiter verfolgt.

In der Summe heißt dies, dass die "Schuldverteilung" und damit die Haftung je nach Konstellation quasi zwischen 100% : 0% und 0% : 100% beträgt, meist jedoch mit einer Quote erfolgt.

Außergerichtlich versuchen Versicherungen immer aggressiver die zivilrechtlichen Ansprüche abzuwimmeln, indem sie den Geschädigten die ganz überwiegende Schuld zuschreiben und dabei auch die Verhältnisse am Unfallort sowie die in der den Verunfallten nicht zugängigen Ermittlungsakte enthaltenen Zeugenaussagen sehr bruchstückhaft zitieren. Häufig werden Ofer dadurch verwirrt.

Als Unfallbeteiligter steht man noch unter Schock und weiß kaum, was man sagt. Erste Äußerungen werden später gegen einen verwendet und erschweren auch die anwaltliche Durchsetzung der Ansprüche.

Außerdem drohen die eigenen Forderungen des PKW-Fahrers hinsichtlich der Schäden am PKW.

Während der PKW-Fahrer in der Regel seine Haftpflichtversicherung im Hintergrund hat, ist man als Fußgänger auf sich gestellt und kann sich nur freuen, wenn man bei Zeiten eine private Haftpflichtversicherung abgeschlossen hatte, die für einen einspringt.

Was ist zu tun?

*             Es ist  ganz essentiell, dass man als verunfallter Fußgänger schon vor der ersten Äußerung gegenüber der Polizei  einen Fachanwalt für Verkehrsrecht benennt.

*             Man sollte Zeugen um Adressen ersuchen. Wenn es Besonderheiten gibt (Baustelle, Hindernis, gesperrte Ampel, in zweiter Reihe parkendes Auto usw.), sollten diese fotografiert werden. Wenn man es selbst nicht tun kann, bittet man Bekannte oder Verwandte.

*             Niemals sollte man auf das Hinzuziehen der Polizei verzichten.

*             Bei Auftreten von Beschwerden nach dem Unfall sollte zeitnah (unverzüglich) ein Arzt aufgesucht werden. Beschwerden sollten notiert werden.

*             Alles Weitere ist mit Ihrem Fachanwalt für Verkehrsrecht zu besprechen.