Sie haben Mängel? Dann müssen Sie abnehmen!

Sie haben Mängel? Dann müssen Sie abnehmen!
22.02.2017199 Mal gelesen
Der Bausenat des BGH entscheidet über Mängelansprüche vor Abnahme

Sie haben Mängel? Dann müssen Sie abnehmen! - So könnte demnächst der Rat des "Baudoktors" an den Bauherrn lauten, wenn der Häuslebauer verzweifelt in die (Anwalts-) praxis kommt.

In seiner Entscheidung vom 19.01.2017 hat der Bundesgerichtshof Stellung genommen zu der Frage, ob die Mängelrechte aus § 634 BGB vom Besteller schon vor Abnahme geltend gemacht werden können - also, ob Nachbesserung, Ersatzvornahme, Rücktritt, Minderung oder Schadensersatz schon verlangt werden können, auch wenn die Werkleistung (z.B. ein Rohbau) noch nicht vom Besteller bzw. Auftraggeber abgenommen wurden.

Der BGH hatte diese Frage bislang ausdrücklich offengelassen, weshalb verschiedentlich die Auffassung vertreten worden war, dass die Mängelrechte des Werkvertragsrechts gänzlich unabhängig von einer Abnahme geltend gemacht werden könnten, bzw. diese Rechte nur von der Fälligkeit der Werkleistung oder dessen Fertigstellung abhängen sollen.

Nun hat der für das Baurecht zuständige Senat beim BGH deutlich gemacht, dass nach seiner Rechtsprechung im Grundsatz die Abnahme des Werks den maßgebenden Zeitpunkt markiere, ab dem die Mängelrechte des Bestellers aus § 634 BGB eingreifen. Aus diesem Grund kann nach der Entscheidung des BGH der Besteller Mängelrechte nach § 634 BGB grundsätzlich erst nach Abnahme des Werks mit Erfolg geltend machen. Da die Frage der Mangelfreiheit des Werks grundsätzlich [erst] im Zeitpunkt der Abnahme zu beurteilen sei, müsse der Unternehmer bis dahin grundsätzlich frei wählen können, wie er den Anspruch des Bestellers auf mangelfreie Herstellung aus § 631 Abs. 1 BGB erfülle. Könnte der Besteller bereits während der Herstellungsphase Mängelrechte aus § 634 BGB geltend machen, könne dies mit einem Eingriff in dieses Recht des Unternehmers verbunden sein, so der BGH.

Dass sich der Besteller mit der Ausübung der Mängelrechte des Werkvertragsrechts bis zur Abnahme gedulden müsse, ist nach Auffassung des BGH auch interessengerecht. Insoweit wird darauf verwiesen, dass dem Auftraggeber bis zur Abnahme der sog. Herstellungsanspruch zustehe, der ebenso wie der (spätere) Nacherfüllungsanspruch aus § 634 Nr. 1 BGB die mangelfreie Herstellung des Werks zum Ziel habe. Dieser Anspruch des Bestellers sei einklagbar und falls notwendig auch vollstreckbar.

Diese Klarstellung ist durchaus wichtig, weil damit geklärt wird, welche Rechte dem Besteller oder Bauherrn im Einzelnen vor einer Abnahme der Werkleistung zustehen. Insbesondere die Rechte aus dem sog. Allgemeinen Leistungsstörungsrecht (z.B. Schadensersatz nach § 280 Abs. 1 BGB) - die also nicht nur für Bau- bzw. Werkverträge gelten - knüpfen oft an weitere Bedingungen, insbesondere das Verschulden des Werkunternehmers. Es kann deshalb ratsam sein, bei der Geltendmachung von Mängelrechten genau zu überlegen, ob die Werkleistung zunächst abzunehmen ist.

(BGH, Urteil vom 19.01.2017, Az. VII ZR 301/13)

Sollten Sie Fragen zu Mängeln, der Mängelbeseitigung oder deren Durchsetzung haben, stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.


RA M. Kurtztisch, Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht