Scheinselbstständigkeit von Ich-AG’s: Eine große Falle

Soziales und Sozialversicherung
09.11.2014617 Mal gelesen
Selbstständige Einzelpersonen sind im Visier der Sozialkassen. Ob man sie Ich-AG’s, Solo-Selbstständige, freie Mitarbeiter, Honorarkräfte oder wie auch immer nennen will. Selbstständige Einzelunternehmer und vor allem ihre Auftraggeber bewegen sich auf dünnem Eis.

Wer Solo-Selbstständige beauftragt, muss damit rechnen, dass die Sozialkassen eine abhängige und damit beitragspflichtige Beschäftigung feststellen und Beiträge nachfordern. Denn das gesamte Sozialsystem ist auf dem Modell der abhängigen und damit beitragspflichtigen Beschäftigung aufgebaut. Die Versicherungspflicht trifft in erster Linie die gegen Arbeitsentgelt beschäftigten (Einzel-)Personen. Aus diesem Grund kontrollieren die Prüfdienste der Rentenversicherungsträger die Beauftragung von Einzelpersonen als Subunternehmer oder freie Mitarbeiter etc. zunehmend kritisch und untersuchen immer genauer, ob eine Tätigkeit wirklich selbstständig oder nicht doch abhängige Beschäftigung ist. Dabei werden sie von den Zollbehörden unterstützt (Finanzkontrolle Schwarzarbeit, FKS). Und im Zweifel werden die Behörden immer Scheinselbstständigkeit, dh. abhängige Beschäftigung und Beitragspflicht feststellen. Die Folge sind hohe Nachforderungen.

Die Kontrollen werden verschärft

Nicht nur in Betriebsprüfungen werden Auftragsverhältnisse zunehmend genauer untersucht. Vor allem die Zollbehörden sind zunehmend in der Bekämpfung von Scheinselbstständigkeit aktiv. Die besondere Gefahr dieser Kontrollen liegt in der Einleitung von Strafverfahren. Hinzukommt, dass der Vertrauensschutz eingeschränkt ist. Selbst wenn in vergangenen Prüfzeiträumen keine Beanstandungen erfolgt sein sollten, bietet dies keinen Vertrauensschutz. Jeder Unternehmer sollte also gewarnt sein. Wenn bereits der Zoll mit einem Durchsuchungsbeschluss vor der Tür steht und den Verdacht auf Scheinselbstständigkeit äußert, ist es oft zu spät. Das ist keinesfalls Panikmache, sondern tägliche Realität.

Was genau ist Selbstständigkeit?

Diese Frage zählt zu den schwierigsten Fragen des Sozialversicherungsrechts. Sie lässt sich nicht allgemeinverbindlich beantworten. Eine exakte gesetzliche Definition gibt es nicht. Deshalb ist die Zahl der Gerichtsentscheidungen inzwischen unübersehbar geworden. Jeder Unternehmer, der Einzelpersonen als Subunternehmer beauftragt, sollte aber zumindest ein Problembewusstsein dafür entwickeln, welche Tätigkeiten er an Subunternehmer vergeben darf und für welche Arbeiten er jemanden fest anstellen muss. Selbstständigkeit im sozialversicherungsrechtlichen Sinne ist nämlich kein Zustand oder Status einer Person, sondern bezieht sich auf die konkreten Umstände einer Tätigkeit. Deshalb reicht es auch nicht aus, ein Gewerbe anzumelden. Der Nachweis der Gewerbeanmeldung schützt überhaupt nicht vor der Sozialversicherung. Die Selbstständigkeit von Einzelunternehmern kann also nicht einmal und für alle Zeiten gültig festgelegt, sondern muss im Grunde für jedes Auftragsverhältnis neu geklärt werden. Die Prüfer der Sozialkassen untersuchen daher auch nicht Personen, sondern betrachten jedes einzelne Auftragsverhältnis konkret unter der Fragestellung, ob es in Form der Selbstständigkeit oder in Form der abhängigen Beschäftigung ausgeführt wird. Pauschal lässt sich nur soviel sagen: Selbstständig kann eine Tätigkeit nur ausgeübt werden, wenn der Auftragnehmer im Rahmen dieser Tätigkeit ein eigenes Unternehmerrisiko hat.

Beispiel: Selbstständiger Transportfahrer

Ein Bauunternehmer benötigt wegen krankheitsbedingten Ausfalls seiner angestellten Fahrer für den Transport einer Ladung Sand auf eine Baustelle kurzfristig einen Aushilfsfahrer. Der Einsatz dauert nicht länger als sechs Stunden. Selbstständige Transportfahrer gibt es in großer Zahl. Wenn der beauftragte Fahrer für den Einsatz nicht ein eigenes Fahrzeug einsetzt, sondern den LKW gestellt bekommt und auch sonst keine eigenen Aufwendungen hat, sondern lediglich seinen Zeitaufwand abrechnet, spricht vieles für eine abhängige Beschäftigung und damit Melde- und Beitragspflicht. Denn er trägt bei diesem Auftrag kein Unternehmerrisiko (z.B. Beschädigung seines eigenen Fahrzeugs). Diese Einschätzung ist nicht übertrieben, sondern ein Fall aus der Praxis.

Wie lässt sich Rechtssicherheit gewinnen?

Für die Klärung des sozialversicherungsrechtlichen Status kommen mehrere Verfahren in Betracht:

  • Das Anfrageverfahren bei der Clearingstelle der Deutschen Rentenversicherung Bund in Berlin (§ 7a SGB IV),
  • die Betriebsprüfung der Rentenversicherungsträger (§ 28p SGB IV),
  • das Verfahren der Einzugsstellen bei den Krankenkassen.

Welches Verfahren zu welchem Zeitpunkt zu wählen ist, muss im Einzelfall bestimmt werden. Nähere Informationen und Tipps hierzu finden Sie auf unserer Website unter dem Stichwort "Statusklärung."

Es ist auf jeden Fall dringend anzuraten, vor der Beauftragung von Einzelunternehmern den sozialversicherungsrechtlichen Status zu klären. Nur so kann man sich vor überraschenden Beitragsforderungen schützen.

Dieser Beitrag dient zur allgemeinen Information und entspricht dem Kenntnisstand zum Zeitpunkt der Veröffentlichung. Eine individuelle Beratung wird dadurch nicht ersetzt. Jeder einzelne Fall erfordert fachbezogenen Rat unter Berücksichtigung seiner konkreten Umstände. Ohne detaillierte Beratung kann keine Haftung für die Richtigkeit übernommen werden. Vervielfältigung und Verbreitung nur mit schriftlicher Genehmigung des Verfassers.

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