Scheinselbstständigkeit im Gesundheitswesen

Soziales und Sozialversicherung
05.11.20162035 Mal gelesen
Das Gesundheitssystem zählte beim Thema Scheinselbstständigkeit bis vor kurzem nicht gerade zu den „Hauptverdächtigen.“ Das ändert sich gerade.

Im Katalog des sog. "Schwarzarbeitsgesetzes" wird der Gesundheitssektor noch nicht erwähnt. Dort werden typische Branchen genannt, die einer verschärften Kontrolle unterliegen, nämlich Baugewerbe, Gaststätten- und Beherbergungsgewerbe, Personenbeförderung, Spedition, Transport- und Logistik, das Schaustellergewerbe, Forstwirtschaft, Gebäudereinigung, Messebau und die Fleischwirtschaft (§ 2a Abs. 1 SchwarzarbG). Gesundheitsberufe findet man dort nicht.

Die zuständigen Behörden sind jedoch einen Schritt weiter. Sie verstärken seit längerem die Ermittlungen gegen Krankenhäuser, Honorarärzte, OP-Schwestern, notärztliche Rettungsdienste, Heilmittelerbringer (z.B. Physiotherapeuten), Pflegedienste etc. Bereits im Jahr 2012 haben die Spitzenverbände der Sozialversicherungsträger ihre Rechtsauffassung in einem Besprechungsergebnis veröffentlicht. Darin heißt es u.a.: "Pflegepersonen, die zeitlich begrenzt in Krankenhäusern, Alten- oder Pflegeheimen tätig sind (z. B. Anästhesieschwestern/-pfleger, OP-Fachkräfte, Stationsschwestern/-pfleger, Alten-pflegerinnen/-pfleger), um dort Krankheits- bzw. Urlaubsvertretungen zu übernehmen oder sonstige außergewöhnliche Arbeitsbelastungen zu kompensieren, stehen - wie das von ihnen vertretene Stammpflegepersonal - mithin in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis im Sinne des § 7 Abs. 1 SGB IV."

vgl. das Besprechungsergebnis "Versicherungsrechtliche Beurteilung von zeitlich begrenzt eingesetzten Pflegepersonen in Krankenhäusern, Alten- oder Pflegeheimen vom 08./09.05.2012"

Und das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen hat im Dezember 2013 festgestellt, dass der in den Betrieb des Beauftragen für den Rettungsdienst für die Schichtdauer eingegliederte Notarzt abhängig beschäftigt wird und damit grundsätzlich der Sozialversicherungspflicht unterliegt. Diese Urteil hat im Bereich der Notarztversorgung große Unruhe aufgelöst.

LSG Niedersachsen-Bremen - Urteil vom 18.12.2013 - L 2 R 64/10

Andere Gericht haben bereits ähnlich entschieden. Die Gefahr der Scheinselbstständigkeit ist also groß. Wer im Gesundheitswesen mit freiberuflichen Honorarkräften arbeitet, läuft Gefahr, zur Kasse gebeten zu werden. Dabei mag es für den Einsatz von Selbstständigen ernst zu nehmende und nachvollziehbare Gründe geben: Besonders der ländliche Raum leidet unter Fachkräftemangel, sodass die Patientenversorgung mitunter gar nicht anders als durch den befristeten Einsatz von Freelancern gesichert werden kann. Hinzukommt, dass viele Ärzte die Selbstständigkeit sogar ausdrücklich bevorzugen, weil sie dabei deutlich höhere Honorarsätze pro Stunde erzielen können, als in einer Festanstellung.

Solche Zwänge haben jedoch keinen Einfluss auf die rechtliche Beurteilung. Im Übrigen geht es nicht allein um Sozialversicherungsbeiträge. Scheinselbstständigkeit kann auch strafbar sein. Dabei droht die Gefahr, in die Mühlen solcher Ermittlungen zu geraten, aus mehreren Richtungen:

  • Die Zollbehörden haben den gesetzlichen Auftrag, Scheinselbstständigkeit und Schwarzarbeit zu bekämpfen und strafrechtlich zu ermitteln,
  • die Prüfdienste der Deutschen Rentenversicherung kontrollieren alle vier Jahre, ob die Beitragspflichten ordnungsgemäß erfüllt werden.
  • Auftragnehmer und Auftraggeber haben das Recht, eine sog. Statusklärung zu betreiben. Zuständig ist die Clearingstelle der Deutschen Rentenversicherung Bund in Berlin. In diesem Zusammenhang ist auf die Gefahr hinzuweisen, die von unzufrieden ausscheidenden Mitarbeitern ausgehen kann. Nicht bringen ehemalige Honorarkräfte, die - aus welchen Gründen auch immer im Unfrieden ausgeschieden sind, durch eine Statusklärung oder sogar durch eine Strafanzeige den Stein überhaupt erst ins Rollen.

Der Einsatz von Einzelpersonen auf selbstständiger Basis ist immer gefährlich (s. auch "Der Solo-Selbstständige ist der natürliche Feind der Sozialversicherung"). Wer vorbeugen möchte, dem ist daher grundsätzlich zu raten, sich durch eine Statusklärung abzusichern.


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