Reiserecht: Minderung bei massivem Baulärm

Reise und Verbraucherschutz
05.07.20083382 Mal gelesen

Sommerzeit ist Reisezeit. Und wenn einer eine Reise tut, dann kann er was erzählen. Diesen Satz kennen wir wohl alle. Aber manchmal erzählen Reiseberichte mehr, als vorher im Prospekt gestanden hat. Denn nicht immer nehmen es die Reiseveranstalter mit der Beschreibung des Urlaubszieles so genau, wie sie eigentlich sollten.

 

Das musste auch ein Urlauber feststellen, der die vermeintlich schönsten Tage im Jahr auf einer fernen Palmeninsel zubringen wollte, und sich auf viele ruhige Stunden der Entspannung freute. Daraus wurde nämlich nichts.

 

An der Palmeninsel wurde durchgehend 24 Stunden Tag und Nacht gebaut. Die Bauarbeiten waren keine 100 Meter von dem gebuchten Hotelzimmer entfernt und rund um die Uhr war unser Urlauber Baulärm durch Kranbewegungen, Presslufthammergeräusche, Verfüllarbeiten ausgesetzt.

 
Doch damit nicht genug:
 

In einer Entfernung von ca. 300 m vom hoteleigenen Strand entfernt wurde ein Hotelbau als Großprojekt errichtet. Dort herrschte entsprechender Baustellenverkehr mit schweren LKW, Raupen und Baggern.

 

Zu guter Letzt wurde auch auf der gegenüberliegenden Seite des Strandes in der Nähe des Tennisplatzes ein 12 bis 15-geschossiges Hochhaus errichtet. Natürlich wurde auch dort durchgehend 24 Stunden Tag und Nacht gearbeitet. Es wurden Arbeiten zur Einrüstung des Rohbaus durch Metallgerüste, Verfüllarbeiten u.a. durchgeführt, wobei Kran, Presslufthammer und ca. 50 Arbeiter eingesetzt wurden.

 

Der durch die Bauarbeiten verursachten Geräuschkulisse konnte der geplagte Urlauber nur in seinen Zimmern und in den klimatisierten Innenräumen des Hotels entgehen. Der Baulärm war ansonsten in der gesamten Hotelanlage im Außenbereich sowie am hoteleigenen Strand überall zu hören.

 

In solchen Fällen helfen die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches zum Reiserecht. Denn der Reiseveranstalter ist danach verpflichtet, "die Reise so zu erbringen, dass sie die zugesicherten Eigenschaften hat und nicht mit Fehlern behaftet ist, die den Wert oder die Tauglichkeit zu dem gewöhnlichen oder nach dem Vertrag vorausgesetzten Nutzen aufheben oder mindern" (§ 651c Abs. 2 BGB) Ist die Reise demnach mangelhaft, kann der Reisende Abhilfe verlangen und für die Dauer der Mangelhaftigkeit den Reisepreis mindern, vorausgesetzt, dass er vorher dem Veranstalter angezeigt hat, damit dieser Abhilfe schaffen kann (§ 651d Abs. 2 BGB).

 

Baulärm stellt unzweifelhaft einen Reisemangel dar. Im vorliegenden Fall konnte der Reiseveranstalter aber keine Abhilfe schaffen, und etwa den Urlauber in einem anderen Hotel unterbringen, weil der Baulärm auch in allen anderen Hotelanlagen zu hören war.

 

Nach dem misslungenen Urlaub berief sich der Urlauber gegenüber dem Reiseveranstalter daher auf sein Minderungsrecht nach § 651d Abs. 1 BGB und machte einen Rückzahlungsanspruch über den zuviel gezahlten Reisepreis geltend.

 

Der Reiseveranstalter weigerte sich und berief sich darauf, er habe sich durch Hinweise auf mögliche Baustellen im Zielgebiet im maßgeblichen Reiseprospekt von einer Haftung für Reisemängel in Bezug auf Baustellen/Baulärm freigezeichnet.

 

Der Urlauber zog daraufhin vor Gericht und bekam Recht.

 

Der Reiseveranstalter hatte zwar im Reiseprospekt an zwei Stellen Hinweise auf mögliche Bautätigkeiten im Zielgebiet erteilt, allerdings nicht bei der Hotelbeschreibung selbst.

 

Nach Auffassung des in zweiter Instanz entscheidenden Landgericht Frankfurt a.M. (Urteil vom 31.01.2008 - 2-24 S 243/06) hätte es aber eines solchen ausdrücklichen und gut sichtbaren Hinweises auf mögliche Bautätigkeiten bzw. wenigstens eines ausdrücklich und gut sichtbaren Verweis auf die maßgeblichen Prospektseiten bedurft, um den Reisenden auf mögliche Bautätigkeiten im Zielgebiet adäquat hinzuweisen.

 

Denn nach der Rechtsprechung des Gerichtes habe der Reiseveranstalter seine Prospektbeschreibung so zu gestalten, dass die für den Reiseinteressenten wichtigen Informationen an solchen Stellen im Prospekt abgedruckt sind, an denen der Reiseinteressent nach Treu und Glauben eine entsprechende Information erwarten darf.

 

Im vorliegenden Fall sei die Information über mögliche (massive) Bautätigkeiten von einer derartigen Relevanz, dass diese Information bei der Hotelbeschreibung hätte erwartet werden dürfen. Nicht jeder Reisende lese sich nämlich den kompletten Reiseprospekt durch.

 
 

Das Landgericht hat eine Minderungsquote von 45% für berechtigt erachtet, da die Reise des Klägers ganz erheblich beeinträchtigt gewesen sei. Das Gericht berücksichtigte dabei, dass es sich bei dem Bauvorhaben um eine der größten Baustellen der Welt gehandelt habe und sich gleich drei lärmintensive Großbaustellen in unmittelbarer Nähe zu dem Hotel des Klägers befunden hätten, auf denen durchgehend 24 Stunden Tag und Nacht gearbeitet worden sei.

Aufgrund des Baulärms habe sich der Kläger auch nicht am hoteleigenen Strand oder in den Freizeiteinrichtungen ausreichend erholen können. Es sei ihm aber nicht zuzumuten gewesen, sich während seines kompletten Urlaubs im lärmfreien Inneren des Hotels aufzuhalten.

 
Fazit:
 

Baulärm stellt eine der erheblichsten Urlaubsbeeinträchtigungen überhaupt dar. Der Urlauber muss eine solche Beeinträchtigung seiner Reise aber nicht klaglos hinnehmen. Schafft der Veranstalter keine Abhilfe, kommt eine nachträgliche Reisepreisminderung in Betracht. Die Höhe der Minderung kann dabei aber nicht schematisch festgestellt werden, sondern hängt immer vom Einzelfall ab. Die Spruchpraxis der Gerichte, insbesondere die "Frankfurter Tabelle", kann dabei lediglich als Richtschnur verwendet werden.

 

Hat der Reiseveranstalter den Mangel sogar verschuldet, kommt neben der Reisepreisminderung auch Schadensersatz und im Falle erheblicher Beeinträchtigung oder vollständiger Vereitelung der Reise sogar eine angemessene Entschädigung für nutzlos aufgewendete Urlaubszeit in Betracht (§ 651f Abs. 2 BGB).

 

Vorsicht:

 

Nach der Reise sollte sich der Urlauber nicht zu lange Zeit lassen. Minderungs- und Schadensersatzansprüche nach den §§ 651c bis 651f BGB sind nämlich innerhalb eines Monats nach der vertraglich vorgesehenen Beendigung der Reise gegenüber dem Reiseveranstalter geltend zu machen. Wer diese Frist nicht unverschuldet versäumt, geht leer aus.

 

Wer unsicher ist, ob ihm Ansprüche zustehen, sollte den Weg zum Anwalt nicht scheuen und sich beraten lassen.

 
 
 
 
 

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