Pro und Kontra Mindestlohn

Pro und Kontra Mindestlohn
21.10.2013526 Mal gelesen
Zur aktuellen Diskussion: Was gilt in Deutschland? Wozu eine konkrete Regelung zum Mindestlohn? Gesetzlicher Mindestlohn / Branchen-Mindestlohn

In den aktuellen Koalitionsverhandlungen ist die Auseinandersetzung um einen flächendeckenden branchenunabhängigen Mindestlohn das Kernthema überhaupt. 

Dabei kann keine Rede davon sein, dass Deutschland hier eine Vorreiterrolle zukommt: In 20 von 27 EU-Ländern besteht ein flächendeckender branchenunabhäniger Mindestlohn, wobei dieser in der Höhe natürlich stark schwankt. 

Was gilt in Deutschland?

Mindestlohn bedeutet die niedrigste rechtlich zulässige Vergütung. Der Mindestlohn soll verhindern, dass Menschen trotz Beschäftigung ihre Existenz nicht finanzieren können.

Diese unterste Grenze ist in Deutschland durch das Verbot des Lohndumpings festgelegt. Nach § 138 BGB dürfen keine sittenwidrigen Löhne vereinbart werden. 

Was ist sittenwidrig?

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist der Lohn sittenwidrig, wenn ein auffälliges Missverhältnis im Sinne von § 138 Abs. 1 BGBzwischen Leistung und Gegenleistung vorliegt. Das Bundesarbeitsgericht hat u. a. mit einer Entscheidung vom 18.04.2012 (5 AZR 630/10) ein solches auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung angenommen, wenn die Arbeitsvergütung nicht einmal zwei Drittel eines im betreffenden Wirtschaftszweig üblicherweise gezahlten Tariflohnes erreicht. Also kann man in der Regel von einem sittenwidrigen Lohn ausgehen, wenn das Entgelt ca. 30% niedriger als das branchenübliche Entgelt ist. 

Wozu dann also noch ein konkrete Regelung zum Mindestlohn? 

Die Auseinandersetzung um die Sittenwidrigkeit eines Lohnes ist - zumindest immer dann, wenn keine Tarifverträge bestehen - schwer für den Arbeitnehmer zu führen und die Verzerrungen im Wettbewerb durch Lohndumping werden durch diese Einzelfallregelungen ebenso wenig gelöst. 

Tarifvertraglicher Mindestlohn

In Deutschland bestehen tarifvertragliche Mindestlöhne in einer Vielzahl von Branchen. Hier sind die Mindestlöhne durch die Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände für bestimmte Branchen und Regionen festgelegt worden. Dies ist sicherlich die optimale Form der Regelung von Mindestarbeitsbedingungen. Die Tarifparteien können diese Tarifverträge durch das Bundesministerium für Arbeit für allgemeinverbindlich erklären lassen. 

Von rund 68.000 bekannten Tarifverträgen sind zur Zeit 506 allgemeinverbindlich. 

Eine Liste der allgemeinverbindlichen Tarifverträge findet sich unter folgendem Link: 

http://www.bmas.de/SharedDocs/Downloads/DE/PDF-Publikationen-DinA4/arbeitsrecht-verzeichnis-allgemeinverbindlicher-tarifvertraege.html;jsessionid=E4121558FE8B153FE110CA200AF99364 

(Stand: 1.10.2013)

In den Fällen, in denen der Tarifvertrag allerdings nicht allgemeinverbindlich ist, gilt er nur

  • wenn der Arbeitgeber tarifgebunden ist, also Mitglied im Arbeitgeberverband
  • und wenn der Arbeitnehmer Mitglied in der zuständigen Gewerkschaft ist
  • oder die Anwendbarkeit des Tarifvertrages im Arbeitsvertrag vereinbart ist. 

Gerade in den Branchen, in denen die Mehrzahl der zu einem Niedriglohn Beschäftigten tätig sind, besteht aber weder eine Allgemeinverbindlichkeit noch eine Tarifbindung, so dass diese tarifvertraglichen Mindestlöhne hier keine Hilfe bieten. 

Gesetzlicher Mindestlohn in Deutschland

Durch die Einführung des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes wurde in Deutschland die Durchsetzung von Mindestarbeitsbedingungen von staatlicher Seite für bestimmte Branchen ermöglicht. Hierdurch sollte verhindert werden, dass Arbeitnehmer aus anderen Ländern in Deutschland zu den in ihren Heimatländern üblichen Konditionen arbeiten und damit das Lohnniveau in Deutschland drücken. Dazu müssen die Tarifvertragsparteien einen entsprechenden Antrag auf tarifvertragliche Mindestlöhne stellen und diese aushandeln. Gegenwärtig (Stand 1. August 2012) gibt es zwingende Arbeitsbedingungen in den Bereichen:

  • Abfallwirtschaft einschließlich Straßenreinigung und Winterdienst
  • Aus- und Weiterbildungsdienstleistungen nach dem Zweiten und Dritten Buch Sozialgesetzbuch
  • Bauhauptgewerbe
  • Bergbauspezialarbeiten auf Steinkohlebergwerken
  • Dachdeckerhandwerk
  • Elektrohandwerk
  • Gebäudereinigung
  • Maler- und Lackiererhandwerk
  • Pflegebranche (Altenpflege und häusliche Krankenpflege)
  • Sicherheitsdienstleistungen
  • Wäschereidienstleistungen im Objektkundengeschäft

Ein Branchen-Mindestlohn ist verbindlich für:

  • alle Arbeitgeber mit Sitz in Deutschland und ihre im Geltungsbereich des Tarifvertrags beschäftigten Arbeitnehmer,
  • alle Arbeitgeber mit Sitz im Ausland und ihre in Deutschland im Geltungsbereich des Tarifvertrags beschäftigen Arbeitnehmer
  • alle Verleih-Arbeitgeber und Leiharbeitnehmer, wenn der Entleiher den Leiharbeitnehmer mit Tätigkeiten beschäftigt, die in den Geltungsbereich des Tarifvertrags fallen.

Mindestlohn: Das Für und Wider

Wie die politische Diskussion momentan zeigt, gibt es eine Vielzahl von Argumenten für den Mindestlohn als auch dagegen. 

Für den Mindestlohn spricht zunächst, dass Arbeitnehmer von ihrer Arbeit leben können sollten. Hier scheinen 8,50 für deutsche Lebensbedingungen angemessen. Hierdurch könnte eine Aufstockung durch Hartz IV für die Beschäftigten vermieden werden. Zudem wäre bei ausreichender Bezahlung ein Beschäftigter wohl auch motivierter und damit effizienter.

Ein zweiter wichtiger Grund ist die Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen. Durch einen Mindestlohn werden Wettbewerbsverzerrungen durch in- und ausländischen Unternehmen, die Niedriglöhne zahlen, verhindert.

Gegen den Mindestlohn spricht als erstes, dass in manchen Branchen und manchen Regionen ein Mindestlohn von 8,50 für unqualifizierte Tätigkeiten nicht finanzierbar ist und somit Arbeitsplätze gefährdet. So sind für Kleinbetriebe in strukturschwachen Gegenden 8,50 so hoch, dass sie ihre Arbeitnehmer nicht weiter beschäftigen könnten.

Ob ein Mindestlohn tatsächlich die Armut bekämpfen würde, ist zudem nicht gewährleistet. Alleinerziehende oder Familien müssten unter Umständen trotzdem weiter staatliche Hilfen in Anspruch nehmen. 

Das stärkste Argument ist wohl, dass die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohnes die Tarifautonomie stark beschneiden würde und zu einem Bedeutungsverlust der Gewerkschaften führen kann. 

Allerdings geht wohl - solange eine größere Anwendbarkeit der Tarifverträge nicht vorliegt - der Weg an einem Mindestlohn nicht vorbei. 

Entweder die Tarifparteien wirken dem aktiv entgegen, oder die Nachtteile des Mindestlohnes müssen z.B. durch Öffnungsklauseln, Aufstockungen, Förderungen für Arbeitgeber oder Arbeitnehmer ausgeglichen werden. 

Lorenz Mayr, Mayr Kanzlei für Arbeitsrecht, Berlin - Potsdam - Cottbus - Wildau

www.mayr-arbeitsrecht.de