Mietrecht: Räumungsprozess mit Urteil oder Vergleich mit Verzicht auf Räumungsschutz und Vollstreckungsschutz

Miete und Wohnungseigentum
17.06.20114159 Mal gelesen
Der Verzicht auf Vollstreckungsschutz nach § 765a ZPO in einem Vergleich kann weitreichende Konsequenzen haben.

Die Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 ZPO ist hier vorliegend nicht anwendbar, da es nicht um Einwendungen gegen die Zwangsvollstreckung geht.

Für den Antrag nach § 765a ZPO  benötigt man zunächst den Räumungstitel nebst Ankündigungsschreiben des Gerichtsvollziehers, aus welchem sich der Räumungstermin ergibt bzw. der Umstand, dass dieser unmittelbar bevorsteht. Ferner benötigen man den neuen Mietvertrag oder zumindest einen Nachweis darüber, daß die neue Wohnung bereits zugesagt wurde. Dafür reicht eine informelle Mitteilung einer Hausverwaltung über demnächst zur Verfügung stehenden Wohnraum nicht aus. Es muß sich ernsthaft und mit Nachweisen um eine neue Wohnung bemüht worden sein.

Ein Räumungsschutzantrag muß gemäß § 765a, Abs. 3 ZPO spätestens innerhalb einer Frist von zwei Wochen vor dem durch den Gerichtsvollzieher festgesetzten Räumungstermin beim Vollstreckungsgericht eingereicht werden.

Dem Antrag auf Vollstreckungsschutz nach § 765a ZPO fehlt jedoch bei Verzicht in einem Vergleich auch für den Ehepartner gemäß § 1365 BGB regelmäßig  das Rechtschutzbedürfnis, insbesondere wenn auch der Vergleich nicht erfüllt wurde, sodaß die  Räumungsvoraussetzungen gegeben sind.

Auch bei gegebenen Voraussetzungen wird nur in ganz besonderen Härtefällen Vollstreckungsschutz gewährt wird. Die Hürden sind hier sehr hoch.

Gesetzestext:

§ 765a Vollstreckungsschutz

(1) Auf Antrag des Schuldners kann das Vollstreckungsgericht eine Maßnahme der Zwangsvollstreckung ganz oder teilweise aufheben, untersagen oder einstweilen einstellen, wenn die Maßnahme unter voller Würdigung des Schutzbedürfnisses des Gläubigers wegen ganz besonderer Umstände eine Härte bedeutet, die mit den guten Sitten nicht vereinbar ist. Es ist befugt, die in § 732 Abs. 2 bezeichneten Anordnungen zu erlassen. Betrifft die Maßnahme ein Tier, so hat das Vollstreckungsgericht bei der von ihm vorzunehmenden Abwägung die Verantwortung des Menschen für das Tier zu berücksichtigen.

(2) Eine Maßnahme zur Erwirkung der Herausgabe von Sachen kann der Gerichtsvollzieher bis zur Entscheidung des Vollstreckungsgerichts, jedoch nicht länger als eine Woche, aufschieben, wenn ihm die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 glaubhaft gemacht werden und dem Schuldner die rechtzeitige Anrufung des Vollstreckungsgerichts nicht möglich war.

(3) In Räumungssachen ist der Antrag nach Absatz 1 spätestens zwei Wochen vor dem festgesetzten Räumungstermin zu stellen, es sei denn, dass die Gründe, auf denen der Antrag beruht, erst nach diesem Zeitpunkt entstanden sind oder der Schuldner ohne sein Verschulden an einer rechtzeitigen Antragstellung gehindert war.

(4) Das Vollstreckungsgericht hebt seinen Beschluss auf Antrag auf oder ändert ihn, wenn dies mit Rücksicht auf eine Änderung der Sachlage geboten ist.

(5) Die Aufhebung von Vollstreckungsmaßregeln erfolgt in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 und des Absatzes 4 erst nach Rechtskraft des Beschlusses.

 

Eine unbillige Härte liegt i.d.R. vor, wenn bereits definitiv eine neue Wohnung  gefunden wurde und ein Zwischenumzug für einen verbleibenden, relativ kurzen Zeitraum nicht zumutbar wäre. Insbesondere kann durch einen entsprechenden Aufschub der Räumung eine zumindest zeitweilig drohende Obdachlosigkeit oder zwischenzeitliche Unterbringung in ein Obdachlosenheim ohne Weiteres vermieden werden.

Man sollte wegen der Unterbringung in eine Obdachlosenunterkunft auf jedem Fall mit dem zuständigen Ordnungsamt Kontakt aufnehmen. Nicht selten besteht aus Mangel an Verfügbarkeit geeigneter anderweitiger Unterbringung die Möglichkeit oder Notwendigkeit einer Wiedereinweisung in die alte Wohnung durch das zuständige Ordnungsamt wegen drohender Obdachlosigkeit.

Sofern auf Räumungsschutz auch für den Ehepartner verzichtet wurde, ergibt sich    Mitbesitz an der Wohnung aus den Umständen klar und eindeutig und es ist kein gesonderter Titel gegen den Ehepartner notwendig - anders beim sog. Lebensgefährten, der ebenfalls in der betroffenen Wohnung lebt, in dessen Fall ein gesonderter Titel erforderlich ist.

Minderjährige Kinder, die mit ihren Eltern zusammenleben, haben grundsätzlich keinen Mitbesitz an der gemeinsam genutzten Wohnung. Die Besitzverhältnisse an der Wohnung ändern sich im Regelfall nicht, wenn die Kinder nach Erreichen der Volljährigkeit mit ihren Eltern weiter zusammenleben. Haben Kinder keinen Mitbesitz an der Wohnung erlangt, reicht für eine Räumungsvollstreckung ein Vollstreckungstitel gegen die Eltern aus (BGH, 19.3.2008 - Aktenzeichen: I ZB 56/07).

Die Einweisung eines Obdachlosen in eine private Wohnung begründet zwischen der Einweisungsbehörde und dem Eigentümer im Übrigen keine solche Rechtsbeziehung, daß die Behörde das Verschulden des Eingewiesenen als dessen Erfüllungsgehilfen zu vertreten hätte, wenn dieser durch unsachgemäßen Gebrauch der Wohnung oder mutwillig Schäden anrichtet (BGH Beschluß vom 21.12.2005, Aktenzeichen: III ZR 148/05) .

Im zugrunde liegenden Fall hatte der Vermieter seine Wohnung an eine Familie vermietet und diese wegen Zahlungsrückständen fristlos gekündigt. Zur Vermeidung der Obdachlosigkeit wies das Ordnungsamt die Mieter allerdings wieder in die Wohnung ein. Rechtsgrundlage für derartige Einweisungen sind die Ordnungsbehördengesetze der einzelnen Bundesländer. Der Bundesgerichtshof hatte sich mit der Frage zu befassen, ob neben den landesrechtlichen Vorschriften andere Anspruchsgrundlagen erkennbar sind, aus denen heraus Schadensersatzansprüche geltend gemacht werden können.

Aufgrund der zwangsweisen Heranziehung des Eigentümers entsteht eine polizeirechtliche Sonderbeziehung zwischen Einweisungsbehörde und Eigentümer, ein so genanntes verwaltungsrechtliches Schuldverhältnis. Dies führt dazu, dass die Einweisungsbehörde gegenüber dem Eigentümer verpflichtet ist, die Wohnung freizumachen, wenn der Obdachlose nach Ablauf der Einweisungsfrist nicht räumt.

Die Behörde erhält bei der Inanspruchnahme der Wohnung jedoch nicht das Recht der Verfügung über die Wohnung gleich einem Nutzungsberechtigten. Die Nutzung der Wohnung durch die von der Behörde eingewiesene Person ist auch nicht eine Nutzung der Räume durch die Behörde. Das verwaltungsrechtliche Schuldverhältnis beinhaltet nicht die allgemeine Verpflichtung der Ordnungsbehörde zu einer ordnungsgemäßen Nutzung, vergleichbar der Pflicht zum vertragsgemäßen Gebrauch, wie sie den Mieter beim Mietvertrag trifft.

Wird zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung durch die Einweisung eines Obdachlosen in eine private Wohnung ein Nichtstörer (der Vermieter)  durch die Ordnungsbehörde in Anspruch genommen, so kann der in Anspruch Genommene Entschädigung für den ihm hierdurch entstandenen Schaden verlangen. Für entgangenen Gewinn, der über den Ausfall des gewöhnlichen Verdienstes oder Nutzungsentgelts hinausgeht, und für Vermögensnachteile, die nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit der zu entschädigenden Maßnahme stehen, ist jedoch eine Entschädigung nur zu leisten, wenn und soweit dies zur Abwendung unbilliger Härten geboten erscheint.

Der Begriff der "Unmittelbarkeit" hat diesbezüglich bei der Bemessung des Umfangs der geschuldeten Entschädigung eine ähnliche Abgrenzungsfunktion für die Zurechnung wie das Erfordernis der Unmittelbarkeit der behördlichen Einwirkungen auf eine Rechtsposition des Betroffenen, wenn es um die Haftung aus enteignendem oder aus enteignungsgleichem Eingriff oder wegen einer rechtswidrigen ordnungsbehördlichen Maßnahme geht. In diesem Zusammenhang wird das Kriterium der Unmittelbarkeit nicht in einem formalen Sinne verstanden, sondern es betrifft die Zurechenbarkeit der hoheitlichen Maßnahme; nötig ist ein innerer Zusammenhang mit dieser Maßnahme, d.h. es muss sich eine besondere Gefahr verwirklichen, die bereits in der hoheitlichen Maßnahme selbst angelegt ist.

Um solche ordnungsrechtlichen Weiterungen zu vermeiden, ist anzuraten sich bei Kündigungs- und Räumungsverfahren anwaltlich vertreten zu lassen.

Lesen Sie dazu bitte auch meinen Ratgeberartikel "Unpünktliche Mietzahlung durch ARGE bzw. Jobcenter und Kündigung durch Vermieter".

 

Rechtsanwalt Holger Hesterberg

Bundesweite Tätigkeit. Mitgliedschaft im DAV.

e-mail:kanzlei@rechtsanwalthesterberg.de