Mietminderung auf Bruttomiete und das Problem der Minderfläche

Miete und Wohnungseigentum
09.01.20076986 Mal gelesen

Die Auswirkungen auf Betriebskosten
Aufsatz von Harald Kinne, Grundeigentum 2005, 1160

zu dem im Betreff genannten Aufsatz von Herrn Kinne möchte wir  Stellung nehmen, da die hierin enthaltenen Ausführungen weder zu überzeugen vermögen noch im Einklang mit den zitierten Entscheidungen des BGH vom 06.04.2005 - XII ZR 225/03 - (GE 2005, 666) und 20.07.2005 - VIII ZR 347/04 - (GE 2005, 1120) stehen.

Herr Kinne führt aus, dass bei einer Abrechnung über die gezahlten Be-triebskostenvorschüsse zunächst einmal sämtliche tatsächlich gezahlten Vorschüsse in die Abrechnung einzustellen seien. Seien die Betriebs-kostenvorschüsse berechtigterweise gemindert worden, sei in der Abrechnung den tatsächlich gezahlten Vorschüssen auch der Betrag hinzu-zurechnen, der dem zu Recht geminderten Betrag der Betriebskostenvor-schüsse entspreche. Diese Berechnungsmethode führt jedoch zu erkennbar falschen Ergebnissen:

Die Unrichtigkeit der hier gewählten Berechnungsmethode lässt sich bereits relativ einfach an dem Beispiel erkennen, dass für eine Wohnung für das gesamte Abrechnungsjahr eine Mietminderungsquote von 100 % an-zusetzen ist. Nach der von Herrn Kinne vorgeschlagenen Berechnungsme-thode könnte dies zum einen dazu führen, dass der Mieter im Rahmen der zu erstellenden Abrechnung mit Betriebskosten belastet wird, wenn näm-lich die tatsächlich angefallenen Betriebskosten die nach dem Mietver-trag geschuldeten, nicht geminderten Sollvorauszahlungen übersteigen. Es ist jedoch unstreitig in Literatur und Rechtsprechung, dass für den Fall, dass die Wohnung gänzlich unbenutzbar ist und eine Mietminde-rungsquote von 100 % anzusetzen ist, der Mieter auch nicht verpflich-tet werden kann, anteilige Betriebskosten zu zahlen. Dies hat der BGH im Urteil vom 06.04.2005 auch noch einmal ausdrücklich klargestellt. Noch unverständlicher wird die von Herrn Kinne vorgeschlagene Berech-nungsmethode, wenn im selben Fall, also einer ganzjährig 100 %igen Mietminderung, die tatsächlich angefallenen Betriebskosten, die nach dem Mietvertrag geschuldeten Sollvorauszahlungen unterschreiten. Würde man hier im Rahmen einer Abrechnung die zu Recht geminderten Voraus-zahlungen so behandeln, als seien sie geleistet worden, würde dies da-zu führen, dass sich für den Mieter ein Guthaben errechnet. Der Mieter könnte also Rückzahlungsansprüche geltend machen, obwohl er gar keine Zahlungen geleistet hat.

Nun mag man sich auf den Standpunkt stellen, dass für den Fall der 100 %igen Mietminderung "andere Regeln" gelten sollen und Nachforderungen ebenso ausgeschlossen seien, wie Guthaben. Hier würde sich allerdings die Frage stellen, bei welcher prozentualen Mietminderung dann die Regeln geändert werden. Es ist nicht ersichtlich, weshalb bei einer 95 oder 90 %igen Mietminderung eine andere Berechnung richtiger sein sollte. Der BGH hat überdies im Urteil vom 06.04.2005 hierzu auch aus-drücklich klargestellt, dass die Fälle der 100 %igen Mietminderung ge-nauso zu behandeln sind, wie die Fälle einer geringeren Mietminderung, da es sich hier nur um einen graduellen Unterschied handele.

Der BGH hat in der zitierten Entscheidung weiter ausgeführt, dass die vom Mieter geschuldete Miete als Gesamtäquivalenz für die seitens des Vermieters zu erbringenden Leistungen anzusehen sei, weshalb insofern auch eine Gesamtminderung vorzunehmen wäre. Die Berücksichtigung der Minderungsquote bei den Nebenkostenvorschüssen kann daher auch immer nur vorläufig sein, da es sich zunächst einmal nur um Vorauszahlungen handelt. Insoweit hat der BGH in der Entscheidung vom 20.07.2005 auch ausgeführt, dass in die Abrechnung nur die geminderten, tatsächlich gezahlten Vorschüsse einzustellen seien.

Man wird daher nur zu richtigen Ergebnissen gelangen können, wenn im Rahmen der zu erstellenden Abrechnung die Minderungsquote dadurch be-rücksichtigt wird, dass die anteilig auf den Mieter entfallenden Be-triebskosten im Umfang berechtigter Mietminderungen reduziert werden. Berücksichtigt werden nur die tatsächlich geleisteten Vorauszahlungen. Hierzu folgendes Berechnungsbeispiel, in welchem - wie im Beispiel von Herrn Kinne - aus Vereinfachungsgründen angenommen wird, dass eine Mietminderung in Höhe von 10 % für das gesamte Abrechnungsjahr vorzu-nehmen ist:

Grundmiete 500,00 €
Vorauszahlungen 300,00 €
Miete 800,00 €
Minderung der Bruttomiete um 10 %
daher Mietzahlung 720,00 e
Verrechnung:
Grundmiete 720,00 €
Vorauszahlungen 270,00 €
Abrechnung der Vorauszahlung:
Betriebskostenanteil
des Mieters 4.000,00 €
reduziert um 10% 3.600,00 €
Vorauszahlungen 270 € x 12 = 3.240,00 €
Betriebskostennachforderung des Vermieters 360,00 €

Wie dem Vergleich mit dem Berechnungsbeispiel von Herrn Kinne zu ent-nehmen ist, beträgt die Nachforderung in diesem Falle nicht 400,00 €, sondern umfasst nur den um 10 % reduzierten Nachforderungsbetrag, also 360,00 €.

Es ist daher auch nicht eine grundsätzlich andere Behandlung gerecht-fertigt, als in den Fällen, in welchen die Minderung sich aufgrund einer abweichenden Fläche ergibt. In den Fällen einer Flächenabweichung besteht lediglich die Besonderheit, dass die anteilige Mietminderung sich im Rahmen der Betriebskostenabrechnung schon daraus ergibt, dass beim Umlagemaßstab die zutreffende, reduzierte Fläche angesetzt wird, so dass eine zusätzliche Minderung der Betriebskosten nicht mehr er-folgen muss und erfolgen darf.

Diese Verfahrensweise schließt auch aus, dass allein abhängig von den Verrechnungsbestimmungen des Mieters weder rechtlich noch wirtschaftlich zu begründende Unterschiede auftreten. Auch insoweit können näm-lich die Ausführungen von Herrn Kinne nicht überzeugen.

Es wäre nicht verständlich, wenn der Mieter von der Minderung der Ge-samtmiete nur deswegen nicht profitieren könnte, weil er aufgrund ei-ner Verrechnungsbestimmung die Vorauszahlungen tatsächlich in voller Höhe geleistet hat. Die Minderung der Miete tritt von Gesetz wegen ein. Der Mieter braucht sich hierauf grundsätzlich nicht zu berufen und muss auch kein "Mietminderungsrecht ausüben". Erst recht wäre es nicht verständlich, wenn ihm im Falle anzusetzender Mietminderungen der anteilig auf die Nebenkosten entfallende Mietminderungsbetrag nur deswegen verloren ginge, weil nach seiner Verrechnungsbestimmung die Vorschüsse voll getilgt wurden. Es handelt sich nämlich insoweit nur um Vorauszahlungen, über welche vom Vermieter abzurechnen ist. Der Mieter profitiert daher auch in diesen Fällen von dem anzusetzenden Mietminderungsbetrag, indem die tatsächlich angefallenen Betriebskos-ten um die anzusetzenden Mietminderungsbeträge reduziert werden. Be-rechnungsbeispiel:

Grundmiete 500,00 €
Vorauszahlungen 300,00 €
Miete 800,00 €
Minderung der Nettomiete um 10 %
daher Mietzahlung 750,00 €
Verrechnung vorrangig auf Vorauszahlungen:
Grundmiete 450,00 €
Vorauszahlungen 300,00 €
Abrechnung der Vorauszahlung:
Betriebskostenanteil
des Mieters 4.000,00 €
reduziert um 10% 3.600,00 €
Vorauszahlungen 300,00 € x 12 = 3.600,00 €
Betriebskostennachforderung des Vermieters 0,00 €

Im Berechnungsbeispiel von Herrn Kinne müsste der Mieter in diesen Fällen noch eine Nachzahlung auf die Betriebskosten in Höhe von 400,00 € leisten.

Hat der Mieter zwar die Mietminderung nach der Bruttomiete berechnet, sollen aber nach seiner Verrechnungsbestimmung vorrangig die Nebenkos-tenvorauszahlungen getilgt werden, kann natürlich die dann offene Nachforderung auf die Nettokaltmiete vom Vermieter noch geltend ge-macht werden. Berechnungsbeispiel:

Grundmiete 500,00 €
Vorauszahlungen 300,00 €
Miete 800,00 €
Minderung der Bruttomiete um 10 %
daher Mietzahlung 720,00 €
Verrechnung vorrangig auf Vorauszahlungen:
Grundmiete 420,00 €
Vorauszahlungen 300,00 €
Abrechnung der Vorauszahlung:
Betriebskostenanteil
des Mieters 4.000,00 €
reduziert um 10% 3.600,00 €
Vorauszahlungen 300,00 € x 12 = 3.600,00 €
Betriebskostennachforderung des Vermieters 0,00 €
Nachforderung des Vermieters auf
Nettomiete (5.400,00 € - 5.040,00 € =) 360,00 €


Probleme hinsichtlich der Verrechnungsbestimmung ergeben sich allen-falls dann, wenn der Mieter die Mietminderungsquote nach der Brutto-miete berechnet und ausdrücklich bestimmt, dass die von ihm geleiste-ten Zahlungen vorrangig auf die Nettokaltmiete zu verrechnen sind. Auch in diesen Fällen sind gleichermaßen der Nettokaltmietanteil und im Rahmen der zu erstellenden Betriebskostenabrechnung auch der Be-triebskostenanteil um die anzusetzenden Mietminderungsbeträge zu redu-zieren. In diesen Fällen hat der Mieter dann allerdings auf die Netto-kaltmiete Überzahlungen geleistet, die er grundsätzlich nach §§ 812 ff. BGB zurückverlangen kann. Eine Rückforderung dieser Beträge dürfte allerdings regelmäßig an § 814 BGB scheitern. Dies ist aber auch ge-rechtfertigt, da es sich bei der Nettokaltmiete nicht um eine Voraus-zahlung handelt. Wenn der Mieter hierauf zu hohe Zahlungen leistet, richtet sich die Rückforderung nach den Vorschriften der ungerechtfer-tigten Bereicherung. Die entsprechende Rechtsfolge bei den Betriebs-kosten würde eintreten, wenn der Mieter auf eine unzutreffend erstell-te Betriebskostenabrechnung in Kenntnis der Unrichtigkeit bzw. eines anzusetzenden Minderungsbetrages Zahlungen leistet. Auch diese Zahlun-gen kann er nur nach den Bestimmungen der §§ 812 ff. BGB zurückverlan-gen. Überzahlungen auf die Vorschüsse können jedoch nicht dazu führen, dass der Mieter endgültig mit Forderungen ausgeschlossen ist, da über die Vorschüsse, auch wenn diese in zu großer Höhe geleistet worden sein sollten, vom Vermieter abzurechnen ist.

Die oben dargestellte Berechnungsmethode hat weiter den Vorteil, dass nicht verständliche Unterschiede bei Nettokalt- und Bruttokaltmietver-einbarung vermieden würden.

Ich verkenne nicht, dass die oben dargelegte Berechnungsmethode in der Praxis die Erstellung einer Nebenkostenabrechnung nicht unerheblich erschweren kann, da jeder Mangel in der Wohnung eine Reduzierung der Betriebskosten im Rahmen der Abrechnung erfordert. Praktikabler mag sicher die von Herrn Kinne vorgeschlagene Berechnungsmethode sein. Sie führt jedoch - wie dargelegt - zu unzutreffenden Ergebnissen und setzt die Rechtsprechung des BGH nicht konsequent um.