Lebensversicherungen: Nach BGH-Urteilen zum Widerspruch ist Rechtslage für Versicherte kompliziert

Lebensversicherungen: Nach BGH-Urteilen zum Widerspruch ist Rechtslage für Versicherte kompliziert
05.08.2014346 Mal gelesen
Der Bundesgerichtshof traf in den vergangenen Wochen zwei unterschiedliche Entscheidungen zum Widerspruch nach einer Kündigung eines Lebens- oder Rentenversicherungsvertrags. Da recht ähnliche Fälle unterschiedlich beurteilt wurden, ist die Rechtlage für Versicherte kompliziert.

Lebensversicherung beschäftigten in den vergangenen Wochen nicht nur in die Politik, die über die Zukunft dieser Versicherungen debattiert. Auch Entscheidungen des Bundesgerichtshofs zu dieser Thematik sorgten für Gesprächsstoff. Der Bundesgerichtshof hatte in zwei Urteilen über die Widerspruchsmöglichkeiten bei gekündigten Renten- und Lebensversicherungsverträgen entschieden. Denn so mancher Renten- oder Lebensversicherten hatte nach einer enttäuschenden Kündigung den Rechtsweg beschritten, um mehr Geld als den Rückkaufwert von der Versicherung zu fordern.

 

Wenn sich Renten- oder Lebensversicherte gegen den Rückkaufswert zu wehren möchten, ist der Widerspruch ein Ansatzpunkt. Denn Rückkaufswert wird in den Versicherungsverträgen für den Fall einer Kündigung vereinbart. Widerspricht ein Versicherter wirksam dem Abschluss des Versicherungsvertrags, dann entfällt der Vertragsschluss nachträglich, sodass es auch keine vertragliche Basis für den Rückkaufswert mehr gibt. Jedoch stellte sich bei Versicherungsverträgen, die zwischen 1994 und 2007 abgeschlossen wurden, die Frage, ob ein Widerspruch überhaupt noch möglich ist.

 

Zwei aufgrund von Details unterschiedlich beurteilte Fälle sorgen für eine komplizierte Rechtslage

 

Denn in diesem Zeitraum war die damalige Fassung des § 5a Versicherungsvertragsgesetz (VVG) gültig. Dort war geregelt, dass der Widerspruch gegen ein Renten- oder Lebensversicherungsvertrag nur binnen eines Jahres nach dem Bezahlen der ersten Prämie erklärt werden kann. Da die Versicherten die Gültigkeit dieser Regelung anzweifelten, wurden die bereits oben angesprochenen Rechtsstreite geführt, die sogar den BGH und europäische Gericht beschäftigten. Im Mai und im Juli 2014 entschied der Bundesgerichthof über grundlegende Frage bezüglich des Widerspruchsrechts.

 

Von besonderer Tragweite ist die am 16.07.2014 getroffene BGH-Entscheidung. Die Richter mussten beurteilen, ob das Policenmodell ein Ansatzpunkt für einen nachträglichen Widerspruch ist. In dem Rechtsstreit war das damals gültige Modell des Vertragsschlusses - das Policenmodell - angegriffen worden. In diesem Modell wurde der Versicherungsvertrag erst dann als abgeschlossen behandelt, wenn der Versicherte nicht binnen 14 Tage nach Erhalt der Unterlagen widersprach. Der Kläger dieses Rechtsstreits griff das Policenmodell als nicht mit europarechtlichen Vorgaben vereinbar an, sodass schon deswegen ein nachträgliches Abstandnehmen von dem Versicherungsvertrag möglich sei. Der Bundesgerichtshof entschied jedoch, dass keine Verstoß gegen Europarecht zu erblicken sei, sodass ein Widerspruch nicht schon deshalb möglich ist, weil die Lebensversicherung im damals gesetzlich vorgeschriebenen Policenmodell abgeschlossen wurde (Urteil vom 16.07.2014 - IV ZR 73/13).

 

Es kommt auf die Widerspruchsbelehrung an

 

Auch den zweiten Ansatzpunkt des Klägers ließ der Bundesgerichtshof nicht durchdringen. Der Kläger hatte dem 2004 gekündigten Lebensversicherungsvertrag auch widersprochen. Der Bundesgerichtshof stufte den Widerspruch jedoch als verspätet ein, da die einjährige Widerspruchsfrist abgelaufen sei. Denn der Kläger sei beim Vertragsschluss im Jahr 1998 ordnungsgemäß auf sein Widerspruchsrecht hingewiesen, sodass die einjährige Widerspruchsfrist an zu laufen begonnen habe (§ 5a des Versicherungsvertrags, alte Fassung bis 2007). Daher war der Widerspruch des Klägers im Jahr 2011 nicht wirksam.

 

Dass jedoch nach wie vor wirksam gegen gekündigte Renten- und Lebensversicherungsverträge widersprochen werden kann, zeigt ein anders BGH-Urteil. Im Mai 2014 hatte der BGH den Widerspruch bei einer gekündigten Rentenversicherung gebilligt. Auch in diesem Fall wurde erst nach dem Ablauf der Jahresfrist  des alten § 5a VVG widersprochen. In einem entscheidenden Detail unterschied sich dieser Fall jedoch vom im Juli entschiedenen Fall: Der Kläger war beim Vertragsabschluss nicht ordnungsgemäß auf sein Widerspruchsrecht hingewiesen. Dies führte, dazu, dass die Rechtslage anders beurteilt wurde: Die Ausschlussregelung des § 5a Versicherungsvertragsgesetz (alte Fassung) ist dann nicht mit europarechtlichen Vorgaben vereinbar, wenn es an einer ordnungsgemäßen Widerspruchsbelehrung mangelt (Urteil vom 07.05.2014, Aktenzeichen: IV ZR 76/11). Der Kläger konnte daher wirksam widersprechen und Geld fordern.

 

 Ob ein wirksamer Widerspruch möglich kann nur anhand des Einzelfalls rechtlich geprüft werden

 

Der Bundesgerichtshof kam in zwei Fällen, die sich auf den ersten Blick sehr ähnlich sind, zu zwei unterschiedlichen Urteilen. Dies zeigt zum einen, dass Renten- und Lebensversicherte sich nach wie vor gegen unbefriedigende Kündigungen wehren können. Zum anderen wird deutlich, dass die Rechtslage komplex ist und dass die Einzelheiten große Bedeutung haben. Wenn Lebens- oder Rentenversicherte sich nicht mit dem Ergebnis einer Kündigung abfinden möchten und sich angesichts dieser verzweigten Rechtslage fragen, wie ihr konkreter Fall zu bewerten ist, sollten sie sich Rechtsrat einholen.

 

Mehr Informationen zum den beiden Urteilen des Bundesgerichtshofs befinden hier sich auf der Homepage der Kanzlei Dr. Stoll & Kollegen.

 

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