Krankengeld: Wann darf die Krankenkasse die Leistung einstellen?

Soziales und Sozialversicherung
01.03.201525750 Mal gelesen
„Wenn die Kasse entscheidet, wann Sie gesund sind“ Mit dieser Schlagzeile berichtet die Zeitung „Die Welt“ darüber, dass Krankenkassen willkürlich Krankengeld einstellen, weil Versicherte angeblich wieder arbeitsfähig sind. Die Versicherten wurden einem Gutachter jedoch gar nicht vorgestellt.

"Die Welt" am 23.02.2015

Die dort beschriebenen Fälle klingen extrem. Sie sind aber nicht selten. Versicherte haben Anspruch auf Krankengeld, wenn die Krankheit sie arbeitsunfähig macht (§ 44 Abs. 1 SGB V). Die Kassen sind (selbstverständlich) berechtigt und in bestimmten Fällen sogar verpflichtet zu prüfen, ob diese Voraussetzung noch erfüllt ist, d.h. ob noch Arbeitsunfähigkeit besteht. Bei Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit dürfen sie eine gutachtliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) einholen (§ 275 SGB V). Wenn der MDK die Arbeitsfähigkeit als wiederhergestellt ansieht, kann die Krankenkasse die Zahlung des Krankengeldes einstellen.

Die Frage ist allerdings, wie genau die Überprüfung durch den MDK zu erfolgen hat und wie seine Stellungnahmen zustande kommen. In der Praxis fällt immer wieder auf, dass von Seiten des MDK nur kurze Vermerke nach Aktenlage anstelle echter Gutachten gefertigt werden, ohne dass der MDK-Gutachter den Patienten überhaupt zu Gesicht bekommen hat. So geht es nicht! Ein kurzer Vermerk ist keine gutachtliche Stellungnahme im Sinne des Gesetzes und deshalb auch nicht geeignet, die Einstellung des Krankengeldes zu rechtfertigen. Eine gutachtliche Stellungnahme im Sinne des Gesetzes verlangt zumindest, dass der begutachtende Arzt sich mit den ihm bekannten Befunden und Diagnosen der behandelnden Ärzte auseinandersetzt, einen Bezug zum Leistungsvermögen des Versicherten herstellt und eine eigenständige Beurteilung abgibt. Die Richtigkeit der ärztlichen Äußerung muss überprüfbar sein. Eine Stellungnahme per Formular ist kein ärztliches Gutachten. Das hat das Bundessozialgericht schon vor Jahrzehnten entschieden (Bundessozialgericht U. v. 07.08.1991 - 1/3 RK 26/90).

In solchen Fällen lohnt sich unbedingt ein Widerspruch gegen den Einstellungsbescheid der Krankenkasse. Ein solcher Widerspruch hat aber keine aufschiebende Wirkung. D.h. die Krankenkasse ist nicht verpflichtet, während eines laufenden Widerspruchsverfahrens das Krankengeld vorläufig weiterzuzahlen. In der Widerspruchsbegründung muss dargelegt werden, dass die Arbeitsunfähigkeit tatsächlich noch besteht.

Sofern ein Versicherter aufgrund der Einstellung des Krankengeldes bedürftig wird, kann u.U. ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beim Sozialgericht gestellt werden. Dieser Antrag hat Aussicht auf Erfolg, wenn die Beurteilung durch den MDK offenkundig fehlerhaft ist. Die Krankenkasse ist nicht berechtigt, den Versicherten auf den Bezug von Arbeitslosengeld II (Hartz IV) zu verweisen. Dies hat das Bayerische Landessozialgericht in einem Beschluss vom 11.08.2011 entschieden.

Bayerisches Landessozialgericht - 11.08.2011 - L 5 KR 271/11 B ER

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