Keine Pflicht zur Abnahme bei geringfügigen Mängeln

Keine Pflicht zur Abnahme bei geringfügigen Mängeln
14.11.2016590 Mal gelesen
Ein Käufer eines PKW kann die Abnahme und die Zahlung des (gesamten) Kaufpreises verweigern, sofern ein Mangel vorliegt und zwar auch dann, wenn es sich um einen geringfügigen behebbaren Mangel (Delle in der Tür) handelt.

Der Beklagte bestellte im Jahr 2013 bei der Klägerin ein Neufahrzeug der Marke Fiat. Das Fahrzeug sollte kostenfrei am Wohnsitz des Käufers angeliefert werden. Bei der Auslieferung durch eine von der Klägerin beauftragte Spedition wies das Fahrzeug einen Lackschaden an der Fahrertür auf. Der Spediteur vermerkte im Lieferschein: "Kleine Delle Fahrertür, Kosten für Ausbesserung werden von der Verkäufern übernommen."

Noch am gleichen Tag erklärte der Beklagte, dass er das Fahrzeug "zurückweise" und den Kaufpreis nicht zahle. Die Klägerin hingegen verlangte Überweisung des vollständigen Kaufpreises, da es sich bloß um einen "Bagatellschaden" handele. Der Beklagte übersandte ihr daraufhin den Kostenvoranschlag eines Autolackierbetriebes, wonach Lackierkosten i.H.v. rd. 530 € entstünden. Die Klägerin erklärte daraufhin, sie werde bei Vorlage des Originals der Reparaturrechnung ohne Anerkennung einer Rechtspflicht maximal 300 € übernehmen.

Da die Parteien sich nicht einigten, holte die Klägerin das Fahrzeug im August 2013 beim Beklagten ab. Sie ließ den Lackschaden beheben und lieferte das Fahrzeug im Oktober 2013 wieder an den Beklagten aus, der daraufhin den gesamten Kaufpreis zahlte.

Die Klage auf Ersatz von Transportkosten für die Rückholung und Wiederauslieferung des Fahrzeugs, "Standgeld" sowie Verzugszinsen auf den Kaufpreis, in Höhe von 1.140 € wurde in allen Instanzen mit folgender Begründung abgewiesen:

Verweigerungsrecht (auch) bei geringfügigen Mängeln

Der Käufer muss auch bei geringfügigen (behebbaren) Mängeln - wie dem hier vorliegenden Lackschaden - grundsätzlich weder den Kaufpreis zahlen noch das Fahrzeug abnehmen, bevor der Mangel beseitigt ist.

Nach § 433 Abs. 1 S. 2 BGB hat der Verkäufer dem Käufer die Sache frei von Sach- und Rechtsmängeln zu verschaffen. Hieraus folgt das Recht des Käufers, vom Verkäufer die Beseitigung von Mängeln der Sache zu verlangen und bis dahin die Zahlung des (gesamten) Kaufpreises nach § 320 Abs. 1 S. 1 BGB und die Abnahme des Fahrzeugs nach § 273 Abs. 1 BGB zu verweigern. Diese Rechte stehen dem Käufer bei einem behebbaren Mangel auch dann zu, wenn er - wie der hier vorliegende Lackschaden - geringfügig ist.

Verkäufer selbst und nicht der Käufer schuldet die Mangelbeseitigung

Zwar können der Ausübung des Zurückbehaltungsrechts bei besonderen Umständen des Einzelfalls (ausnahmsweise) mit Rücksicht auf Treu und Glauben Schranken gesetzt sein. Derartige besondere Umstände lagen hier indes nicht vor. Im Gegenteil hatte die Klägerin dem Beklagten zunächst nicht einmal angeboten, selbst für eine ordnungsgemäße Behebung des Lackschadens zu sorgen und so ihrer Erfüllungspflicht als Verkäuferin nachzukommen. Sie hatte sich nämlich lediglich zu einer Übernahme der Reparaturkosten bereit erklärt. Es oblag jedoch nicht dem beklagten Käufer, einen Reparaturauftrag zu erteilen, sondern die Klägerin hatte die Reparatur im Rahmen der Erfüllung ihrer Verkäuferpflichten in eigener Verantwortung und auf eigenes Risiko zu veranlassen.

 

Zudem hat die Klägerin selbst an der (unzureichenden) Bereitschaft zur Übernahme der Kosten nicht uneingeschränkt festgehalten, sondern eine Obergrenze von 300 € gesetzt, so dass den Beklagten das Risiko der Werkstattkosten, einschließlich eines etwaigen unwirtschaftlichen oder unsachgemäßen Arbeitens des Werkstattbetriebes, getroffen hätte. Bei den von der Klägerin geltend gemachten Aufwendungen (Transportkosten, "Standgeld") handelte es sich im Übrigen um Kosten, die zur ordnungsgemäßen Erfüllung des Kaufvertrages erforderlich waren und die deshalb ohnehin von ihr als Verkäuferin zu tragen waren.

Fazit: Ein Käufer eines (Neu-)Fahrzeugs sollte dieses bei Auslieferung gründlich auf Mängel hin untersuchen. Zwar stehen ihm die Rechte aus der Garantie oder die Gewährleistungsrechte nach Übergabe uneingeschränkt zu, aber die Zurückbehaltung des Kaufpreises stellt ein nicht unerhebliches Druckmittel dar, das Recht auf Lieferung eines mangelfreien Fahrzeuges effektiv durchzusetzen.