Keine generelle Haftung des Internetanschlussinhabers für Urheberrechtsverletzungen durch Ehegatten: OLG Köln, Urteil vom 16. Mai 2012 - 6 U 239/11

Abmahnung Filesharing
22.05.2012873 Mal gelesen
Prinzip der Eigenverantwortlichkeit der Ehegatten: OLG Köln verneint mit Urteil vom 16.05.2012 (6 U 239 / 11generelle Prüfungspflichten des Anschlussinhabers in Bezug auf seinen Ehegatten. Keine Haftung für Filesharing des Ehegatten - Anmerkung zu den Prüfungspflichten des Anschlussinhabers.

Keine generelle Haftung des Internetanschlussinhabers für Urheberrechtsverletzungen durch den Ehepartner: OLG Köln, Urteil vom 16. Mai 2012 - 6 U 239/11

 In einem aktuellen Urteil des OLG Köln vom 16.05.2012 nimmt der 6. Zivilsenat Stellung zu der Frage, ob ein Internetanschlussinhaber für Rechtsverletzungen seines verstorbenen Ehegatten verantwortlich gemacht werden kann.

 In dem Urteil des OLG Köln hatte der Senat über folgenden Sachverhalt zu entscheiden:

 Über den Internetanschluss der beklagten Ehefrau wurde an zwei Tagen jeweils ein Computerspiel zum Download in einer Internettauschbörse angeboten.

 Der Inhaber der Lizenzrechte an dem Computerspiel ließ die Beklagte durch eine Anwaltskanzlei im Wege einer Abmahnung verbunden mit der Aufforderung zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung und Bezahlung von Abmahnkosten und Schadensersatz abmahnen. Die Beklagte wollte die Abmahnung jedoch nicht auf sich sitzen lassen und ließ die Abmahnung als unberechtigt durch einen Anwalt zurückweisen. Der Rechteinhaber leitete daraufhin gerichtliche Schritte ein. Im  Rechtsstreit vor dem Landgericht Köln verteidigte sich die Beklagte damit, das Spiel sei nicht von ihr selbst angeboten worden. Der Anschluss sei auch und sogar hauptsächlich von ihrem - zwischenzeitlich verstorbenen - Ehemann genutzt worden. Das Landgericht hatte der Klage stattgegeben und die Ehefrau zu Unterlassung und Schadensersatz einschließlich Erstattung der Abmahnkosten verurteilt. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht dieses Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen.

 Im Prozess war zum einen die Frage streitig, wer darzulegen und zu beweisen hat, ob eine Urheberrechtsverletzung vom Anschlussinhaber selbst oder einem Dritten begangen worden ist. Hier hat der Senat die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes fortgeführt (BGH vom 12.05.2010,  I ZR 121 / 08 -Sommer unseres Lebens), dass zwar eine Vermutung dafür spreche, dass der Anschlussinhaber selbst der Täter gewesen sei. Lege der Inhaber jedoch - wie hier - die ernsthafte Möglichkeit eines anderen Geschehensablaufes dar, müsse der Inhaber des Urheberrechts den Beweis für die Täterschaft führen. Da die Klägerin im vorliegenden Fall keinen Beweis für die Urheberrechtsverletzung durch die beklagte Ehefrau angeboten hatte, war davon auszugehen, dass das Computerspiel von dem Ehemann zum Download angeboten worden war.

 Somit kam es auf die zweite Frage an, nämlich ob der Anschlussinhaber auch für Urheberrechtsverletzungen haftet, die nicht von ihm selbst, sondern von einem Dritten begangen wurde. Das OLG Köln war in der Berufungsinstanz der Meinung, dass die bloße Überlassung der Mitnutzungsmöglichkeit an den Ehegatten für sich alleine noch keine Störerhaftung auslöst. Eine solche kommt nach Auffassung des Senats allenfalls dann in Betracht, wenn entweder der Anschlussinhaber Kenntnis davon hat, dass der Ehepartner den Anschluss für illegale Aktivitäten nutzt (was hier nicht der Fall war), oder wenn eine Aufsichtspflicht bestünde. Eine Prüf- und Kontrollpflicht wird angenommen, wenn Eltern ihren Anschluss durch ihre (minderjährigen) Kinder mitnutzen lassen und diese im Internet Urheberrechtsverletzungen begehen. Eine solche Überwachungspflicht bestehe aber nicht im Verhältnis zwischen Ehepartnern.

 Der Senat hat die Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen, da die Frage der Verantwortlichkeit von Internetanschlussinhabern für eine Verletzung von Urheberrechten durch ihre Ehepartner bisher nicht höchstrichterlich geklärt ist.

 Quelle: Pressemitteilung des OLG Köln:

 http://www.olg-koeln.nrw.de/presse/l_presse/index.php

 Kommentar:

Zwar liegen die Entscheidungsgründe noch nicht vor. Der Entscheidung ist im Ergebnis jedoch zuzustimmen.

 Wenn der Anschlussinhaber, wie im vorliegenden Fall geschehen, darlegen kann, den Download nicht bewirkt zu haben, weil er z.B. keine Tauschbörsensoftware genutzt hat, scheidet eine Haftung als Täter oder Teilnehmer stets aus. Die dann noch verbleibende Möglichkeit einer Haftung als Störer für Rechtsverletzungen, die ein Dritter über den Internetanschluss begangen hat, hängt davon ab, ob der Anschlussinhaber zumutbare Prüfungspflichten  verletzt hat. Dies hängt von den Umständen des Einzelfalls ab.

Das OLG Köln vertritt hier die Auffassung, dass eine Prüf- und Überwachungspflicht der Ehegatten untereinander generell und grundsätzlich nicht besteht. Diese Auffassung  steht zwar auf den ersten Blick nicht mit der Entscheidung des BGH vom 12.05.2010 -Sommer unseres Lebens- im Einklang. Denn der BGH hat in der Entscheidung Sommer unseres Lebens ausgeführt:

"Die dem privaten WLAN-Anschlussinhaber obliegende Prüfungspflicht besteht nicht erst, nachdem es durch die unbefugte Nutzung seines Anschlusses zu einer ersten Rechtsverletzung Dritter gekommen und diese ihm bekannt geworden ist. Sie besteht vielmehr bereits ab Inbetriebnahme des Anschlusses."

Hieraus könnte man den Schluss ziehen, dass der BGH ab Inbetriebnahme des Anschlusses generelle Prüfungspflichten vorsieht, die dann möglicherweise auch Ehegatten untereinander obliegen.

Der BGH hat jedoch in einer Entscheidung vom 17.12.2010, die auf die Entscheidung vom 12.05.2010 -Sommer unseres Lebens- Bezug nimmt, klargestellt, dass eine Prüfungspflicht "im Einzelfall" schon bei der Inbetriebnahme einer technischen Einrichtung" entstehen kann. Allerdings ist der BGH der Auffassung, dass nur dann eine Prüfungspflicht ab Inbetriebnahme einer technischen Einrichtung besteht, wenn bereits durch die Inbetriebnahme der technischen Einrichtung (hier WLAN Router) die Gefahr einer Rechtsgutsverletzung (Urheberrechtsverletzung) besteht: Dies ist nur der Fall, wenn die technische Einrichtung dem öffentlichen Verkehr geöffnet wird:

" Zwar kann sich eine solche Prüfpflicht im Einzelfall schon bei der Inbetriebnahme einer technischen Einrichtung und unabhängig davon entstehen, ob es durch die unbefugte Nutzung der Einrichtung zu einer ersten Rechtsverletzung gekommen ist und ob diese dem Betreiber der Einrichtung bekannt geworden ist. Voraussetzung ist aber  dass die technische Einrichtung ohne die gebotenen Sicherungen dem öffentlichen Verkehr geöffnet wird und schon dadurch absolute Rechtsgüter Dritter gefährdet werden (BGH, Urteil vom 17.12.2010, C & R 2011, 325 ff.): -Anforderungen an die Haftung eines Plattformbetreibers für Rechtsverletzungen durch Fotografien auf seiner Plattform- unter Bezugnahme auf BGH, Urteil vom 12.05.2010 -Sommer unseres Lebens-)."

Ist der Internetanschluss nicht für den öffentlichen Verkehr geöffnet, weil der WLAN Router ordnungsgemäß verschlüsselt ist und eine Rechtsverletzung durch außenstehende Dritte damit verhindert werden kann, entstehen damit Prüfungspflichten nicht bereits deswegen, weil der Internetanschluss dem anderen Ehegatten zur Nutzung  überlassen wird.

 Im übrigen müssen die Prüfungspflichten auch zumutbar sein.  Ob der Anschlussinhaber daher z.B.  durch technische Sicherungsvorkehrungen im Router selbst verpflichtet ist, etwa Ports zu sperren, die etwa auf dem Computer des Ehegatten installierte Tauschbörsenprogramme blockieren, in dem kein upload oder Download über diese Ports ermöglicht wird, kann bezweifelt werden.

Denn zum einen, wird es kaum einen Internetanschlussinhaber geben, der in der Lage wäre, solche vorsorglichen Maßnahmen durch Portsperrung zu ergreifen, weil hierzu das technische Know How und die Kenntnis der Funktionsweise von Tauschbörsenprogrammen fehlt. Als Konsequenz wäre es daher notwendig, dass eine Fachfirma mit der Portsperrung beauftragt wird, was erhebliche Kosten verursachen würde. Das wäre sicherlich eine unzumutbare Maßnahme, zumal viele Anschlussinhaber über keine oder nur unzureichende finanziellen Mittel verfügen.

Eine Kontrollpflicht des Anschlussinhabers dahingehend anzunehmen, dass er den anderen Ehegatten bei der Nutzung des Internets generell überwacht oder gar technische Sicherungseinrichtungen auf dem Computer des Ehegatten einzurichten, stellt eine unzumutbare Prüfungspflicht dar. So sind etwa die teilweise in der Rechtsprechung verschiedener Landgerichte und Oberlandesgerichte lapidar und ohne nähere Begründung angenommenen Sicherungsmaßnahmen zur Verhinderung von Filesharing, wie z.B. die Einrichtung einer Firewall auf dem Computer, die Einrichtung von Benutzerkonten mit beschränkten Nutzungsbefugnissen zwar geeignete Maßnahmen zur Verhinderung von Filesharing. Dies jedoch nur dann, wenn es sich bei dem in Frage kommenden Computer um denjenigen des Anschlussinhabers selbst handelt. Denn nur auf seinem eigenen Computer hat er die tatsächliche Verfügungsgewalt. Werden jedoch von den Ehegatten jeweils eigene Computer benutzt, ist es grundsätzlich dem anderen Ehegatten, der Anschlussinhaber ist, nicht möglich und auch nicht zumutbar, auf dem Computer des anderen Ehegatten Sicherungsmaßnahmen mit Firewall und Benutzerkonten einzurichten. Abgesehen davon, dass dies lebensfremd wäre, wären derartige Kontrollbefugnisse mit dem Wesen der ehelichen Lebensgemeinschaft unvereinbar. In den meisten Fällen begrenzt sich das Wissen des Anschlussinhabers in dem Ein- und Ausschalten eines Computers. In vielen Fällen ist er gar nicht in der Lage, irgendwelche technischen Sicherungsvorkehrungen zu treffen, zumal nicht wenige das Wort Tauschbörse zum ersten Mal im Leben gehört haben.

Wie soll also jemand, der nicht weiss, was eine Internettauschbörse ist, geeignete Maßnahmen zur Verhinderung von Filesharing ergreifen?

Im Ergebnis ist daher der Entscheidung des OLG Köln auch dann beizupflichten, wenn man grundsätzlich Prüfungspflichten annimmt, sobald der Internetanschluss auch anderen Personen, also auch Ehegatten, zur Verfügung gestellt wird. Die zumutbaren Prüfungspflichten beschränken sich aber dann auf den eigenen Computer des Anschlussinhabers. Benutzt der andere Ehegatte seinen eigenen Computer, scheiden technische Prüfungspflichten in Bezug auf den anderen Computer aus.


Christian Weiner, LL.M. (Medienrecht)*
Rechtsanwalt
* Master of Laws für Medienrecht 

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