Insiderhandel und Marktbissbrauch: Geplante Generalamnestie?

Strafrecht und Justizvollzug
06.10.2016323 Mal gelesen
Möglichweise gehen Beschuldigte, deren Tat vor dem 2. Juli 2016 begangen wurde, straffrei aus, da die neuen Regeln zum verbotenen Insiderhandel noch nicht und die alten nicht mehr gegolten haben.

Zum Sachverhalt:
Im Prozess vor der Großen Wirtschaftsstrafkammer Mannheim sind drei Männer angeklagt, die mit Hilfe von internen Informationen aus der Pharmaindustrie durch Aktiengeschäfte Verluste in sechsstelliger Höhe vermieden und dann Millionen-Gewinne eingestrichen haben sollen. Aufgrund einer ungeschickten Gesetzestechnik waren der Insiderhandel und die Marktmanipulation am 2. Juli 2016 straffrei. Ob das auch für Straftaten vor diesem Stichtag gilt bleibt abzuwarten und wird vermutlich erst durch den Bundesgerichtshof geklärt werden.
Mit Inkraftreten der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 über Marktmissbrauch (Gemäß Artikel 39 Abs. 2) werden die Regeln zum Verbot des Insiderhandels und zum Marktmissbrauch seit 3. Juli 2016 nunmehr in allen Mitgliedsstaaten einheitlich geahndet. Die zuvor im Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) einschlägigen Vorschriften (§§ 13, 14, 15, 15a, 15b und 20a) sind infolge des Ersten Gesetzes zur Novellierung von Finanzmarktvorschriften auf Grund europäischer Rechtsankte (1. FiMaNoG) bereits einen Tag früher, nämlich zum 2. Juli 2016 aufgehoben worden.
Damit kann niemand bestraft werden, der am 2. Juli 2016 verbotenen Insiderhandel oder eine Marktmanipulation begangen hat.
Ob dies auch für alle Kapitalmarktstraftaten gilt, welche vor diesem Stichtag begangen wurden, bleibt abzuwarten. Gemäß § 2 Abs. 3 StGB ist das "mildeste Gesetz" anzuwenden, sofern es zwischen Begehung der Tat und Verurteilung geändert wurde. Das kann bedeuten, dass die Straffreiheit des 2. Juli 2016 für alle Straftaten gilt, die vor diesem Datum begangen wurden.
Die Ansichten der Beteiligten im Strafverfahren vor der großen Strafkammer Mannheim gehen naturgemäß auseinander. Hauptangeklagter in diesem Fall ist ein Anteilseigner des Pharmakonzerns Boehringer Ingelheim. Er soll im Jahr 2008 Kursverluste in Höhe von rund
660 000 Euro vermieden haben, indem er Medigene Aktien verkaufte bevor bekannt wurde, dass im Zulassungsverfahren eines Medikaments ein Proband gestorben war. Boehringer hatte nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft entsprechende interne Informationen erhalten.
Zudem soll er zusammen mit einem ebenfalls angeklagten Geschäftspartner im Jahr 2011 Aktien des Pharmaunternehmens Micromet gekauft haben. Kurz nach dem Kauf wurde öffentlich bekannt, dass Micronet übernommen werden sollte. Dis soll den Angeklagten einen Kursgewinn in Höhe von knapp 6,2 Millionen Euro eingebracht haben.
Die Verteidiger in dem Verfahren vor dem Landgericht Mannheim haben ein Gutachten des Staatsrechtlers Professor Wolfram Höfling zitiert. Dieser komme zu dem Schluss, "dass Insiderhandel, der vor dem 3. Juli 2016 begangen wurde, nicht bestraft werden kann".
Fazit: Ob sich die Mannheimer Richter dieser Auffassung anschließen können bleibt abzuwarten. Nach Ansicht des Großen Senat für Strafsachen hat die rückwirkende Anwendung zu unterbleiben, wenn der Tatvorwurf im Wesentlichen derselbe geblieben ist. Die EU Verordnung (EU) Nr. 596/2014 über Marktmissbrauch hat zweifelsohne zu einer Verschärfung des Insiderhandelsverbots und Marktmissbrauchsregimes geführt. Ob man deshalb von einem anderen Tatvorwurf ausgehen muss, kann bezweifelt werden. Womöglich wird sich hiermit noch das Bundesverfassungsgericht befassen müssen. Beschuldigte in ähnlich oder gleich gelagerten Fällen sollten sich in jedem Fall auf Straffreiheit berufen und zwar solange, bis die Rechtsfragen vor dem Landgericht Mannheim entschieden sind.