Hohes Alter der Antragsteller und lange Verfahrensdauer rechtfertigen allein keine Beweiserleichterung im Erbscheinsverfahren

Hohes Alter der Antragsteller und lange Verfahrensdauer rechtfertigen allein keine Beweiserleichterung im Erbscheinsverfahren
10.03.2013564 Mal gelesen
Es ist nicht immer leicht, das Bestehen des Erbrechts im Erbscheinverfahren nachzuweisen. Die Vorlage öffentlicher Urkunden kann schwierig sein, wenn der Erblasser in Kriegswirren seine Heimat verlassen musste. Trotzdem beharrte auch das OLG Schleswig auf erheblichen Nachweisen.

Das Erbrecht wird durch Erbschein nachgewiesen. Der Antragsteller hat die Richtigkeit der erforderlichen Angaben durch öffentliche Urkunden nachzuweisen und vorhandene Testamente vorzulegen. Sind diese Urkunden nicht oder nur mit unverhältnismäßigen Schwierigkeiten zu beschaffen, so genügt nach § 2356 BGB die Angabe anderer Beweismittel. Wann aber liegen unverhältnismäßige Schwierigkeiten vor?

Andreas Keßler, Rechtsanwalt, Steuerberater und Fachanwalt für Steuerrecht aus Bad Vilbel bei Frankfurt am Main, www.Kanzlei-Andreas-Kessler.de weist in diesem Zusammenhang auf das Urteil des OLG Schleswig vom 15. Februar 2013, Az. 3Wx 113/12, hin:

  • Die Schwestern der Erblasserin beantragten einen gemeinschaftlichen Erbschein, der sie je zur Hälfte als Erben ausweisen sollte. Als einzige Urkunden waren die Geburtsurkunde der 1897 geborenen Mutter nebst unbeglaubigter Kopie von deren Sterbeurkunde sowie die Sterbeurkunde der Erblasserin vorhanden. Weitere Nachweise waren angabegemäß wegen der Kriegswirren nicht mehr vorhanden.
  • Die Antragsteller beantragten weitere Urkunden beim Standesamt in Berlin, erhielten dort aber den Zwischenbescheid, das die Bearbeitung der Anfrage mindestens zwanzig Monate dauern wird.
  • Die 88-jährige Antragstellerin wies darauf hin, dass sie bei der Vorgehensweise des Gerichtes und bei weiterem Zuwarten die Auszahlung des Erbes vielleicht nicht mehr erleben werde.
  • Das Amtsgericht lehnte den Antrag ab, das Beschwerdegericht folgte dem Amtsgericht. Der Antrag war zurückzuweisen, da die Beweismittel nicht ausgeschöpft waren. Dass die Bearbeitung beim Standesamt lange dauert heißt nicht, dass hier kein geeigneter Nachweis für die Erbenstellung zu erhalten sei. Allerdings sei die Ausnahmeregelung vorliegend diskutabel, da die Antragsteller hochbetagt seien und der Nachlasswert nicht allzu hoch sei.
  • Dieser Weg war aber nicht beschreitbar, da die Antragsteller sich nicht um weitere Nachweise bemüht hatten, zum Beispiel sonstige Urkunden vorlegten oder Zeugenbeweis über das verwandtschaftliche Verhältnis zur Erblasserin führten.

Hier zeigt sich, dass ohne kompetente Unterstützung im Erbscheinverfahren das Ziel der Erteilung des Erbscheins verfehlt wurde. Mit Unterstützung eines versierten Fachmanns wäre den Hinweisen des Gerichtes, die gegeben worden waren, die gebührende Beachtung geschenkt worden. So muss das Verfahren von Vorne begonnen werden. Diese Möglichkeit steht den Schwestern immerhin noch offen.

Rechtsanwalt und Steuerberater Andreas Keßler, Kasseler Str. 30., 61118 Bad Vilbel, Tel.: 06101-800660

http://www.Kanzlei-Andreas-Kessler.de