Haftung des Auftraggebers für die Zahlung des Mindestlohnes durch den Auftragnehmer an dessen Arbeitnehmer
Das "Gesetz zur Regelung eines allgemeinen Mindestlohnes (Mindestlohngesetz-MiLoG)" ist am 16.8.2014 in Kraft getreten; ab dem 1.1.2015 gilt ein Mindestlohn von € 8,50 "pro Zeitstunde", § 1 Abs. 2 MiLoG. Der Arbeitgeber hat diesen Mindestlohn zu den im Gesetz genannten Fälligkeiten an den Arbeitnehmer zu bezahlen,§ 20 MiLoG.
1. § 13 des MiLoG verweist auf § 14 des AEntG (Arbeitnehmersendegesetz i.d.F. vom April 2009) und schreibt wie dieses vor, dass ein Unternehmer, der einen anderen Unternehmer mit Werk- und Dienstleistungen beauftragt, dessen Arbeitnehmer für die rechtzeitige Zahlung des gesetzlichen Mindestlohnes und/oder der Beiträge zu einer gemeinsamen Einrichtung der Tarifparteien nach § 8 des MiLoG wie ein Bürge haftet, der auf die Vorausklage verzichtet hat. Die Frage der Verfassungsgemäßheit dieser nach wie vor ungewöhnlichen - Haftungserstreckung stellt sich nach der Entscheidung des BVerfG vom 20.3.2007 zu § 1 AEntG nicht mehr; zwar schränke diese Haftungsregelung die Betätigungsfreiheit der Unternehmer ein, doch sei dies durch überragend wichtige Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt und entspreche dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, so das Bundesverfassungsgericht. Damals war allerdings die Haftung des auftragserteilenden Unternehmen als Bürge auf die Bauhauptunternehmer (Generalunternehmer) beschränkt, die Subunternehmer eingesetzt hatten. Diese Beschränkung ist bei der Neufassung des AEntG weggefallen. Im Mindestlohngesetz findet sie sich auch nicht. Maßgeblich ist allein, dass ein Unternehmer einen anderen Unternehmer mit Werk- und Dienstleistungen beauftragt. Dies wird auch durch § 21 Abs. 2 Ziff. 1 und 2 MiLoG unterstrichen, der klarstellt, dass nicht nur Auftragsverhältnisse zwischen Hauptunternehmer und Nachunternehmer gemeint sind, sondern generell Auftragsverhältnisse zwischen Unternehmern. - "Unternehmer" ist nach der Legaldefinition des § 14 BGB jede natürliche oder juristische Person oder rechtsfähige Personengesellschaften (oHG, KG, GmbH, BGB-Gesellschaft), die bei Abschluss solcher Rechtsgeschäfte in Ausübung ihrer gewerblichen oder selbstständigen Tätigkeit handelt. In seiner jüngsten Entscheidung hat der EuGH allerdings entschieden, dass die Verpflichtungen aus dem Mindestlohngesetz nur ausländische Unternehmer trifft, die in der Bundesrepublik Deutschland Leistungen erbringen; erbringen ausländische Unternehmer im Ausland Werk- oder Dienstleistungen auftrags eines deutschen Unternehmers, so greifen die Bestimmungen des MiLoG nicht.-
Der beauftragende Unternehmer haftet wie ein "Bürger", der auf die Vorausklage verzichtet hat. Das heißt, auch im Verhältnis zu ihm ist auf die Vertragslage abzustellen, wie sie zwischen dem beauftragten Unternehmer und dessen Arbeitnehmer existiert.
Da § 13 MiLoG auf § 14 AEntG verweist, gilt, dass die Haftung des beauftragenden Unternehmers auf das Nettoentgelt beschränkt ist. Strittig war, ob pauschale Zahlungen des Auftragnehmers (zum Beispiel Einmalzahlung, vermögenswirksame Leistungen) an seine Arbeitnehmer auf den Nettomindestlohn anzurechnen sind; dies hat der EuGH in der Rechtssache C 522/12 für den Fall verneint, dass diese Leistungen nicht Bestandteil des konkreten Mindestlohns sind
2. § 21 Abs. 2 MiLoG geht über die vorstehend wiedergegebene Rechtslage hinaus und schafft zu Lasten des Unternehmers, der einen Auftrag erteilt / erteilen will, einen selbstständigen Unrechtstatbestand, der als Ordnungswidrigkeit mit einer Geldbuße von/bis zu € 500.000,00 geahndet werden kann: Die Beauftragung eines Unternehmers oder Nachunternehmers mit Werk- oder Dienstleistungen in in erheblichem Umfang, von dem der Auftraggeber "weiß oder fahrlässig nicht weiß, dass dieser bei Erfüllung des Auftrags seinen Arbeitnehmern den Mindestlohn nicht oder nicht rechtzeitig zahlt". Das heißt, dass bereits durch die Beauftragung eines solchen "unzuverlässigen" Unternehmers der Tatbestand des § 21 Abs. 2 MiLoG erfüllt wird. Ob Voraussetzung für die Ahndung nach dieser Beauftragung ist, dass der beauftragte Unternehmer tatsächlich später den Mindestlohn nicht oder nicht rechtzeitig gezahlt hat, folgt aus dem Gesetz nicht; da mit dieser Bestimmung der Praxis entgegen gewirkt werden soll, dass man zur Erfüllung eigener Verpflichtungen Dritte einschaltet, die an bestimme gesetzliche Vorgaben nicht gebunden sind bzw. sich an diese nicht halten, spricht vieles dafür, dass es auf die spätere Nichteinhaltung der Zahlungsverpflichtungen nicht ankommen soll. Ich meine aber, dass es mit zu den Tatbestandsvoraussetzungen dieser Bestimmung gehört, dass später ein Mindestlohn nicht bzw. nicht rechtzeitig bezahlt wurde. Was unter "erheblichem Umfang" zu verstehen ist, wird anhand der Umstände des Einzelfalles zu beantworten sein. Eine Werk- oder Dienstleistung, die sich einem einmaligen, kurzen Tun erschöpft, scheidet hier wohl aus, auch dann, wenn die Vergütung im Einzelfall wesentlich ist.Auch der Auftrag an einen Unternehmer, ein bestimmtes Teil zu liefern, sollte nicht unter diese Bestimmung fallen,selbst wenn das Entgelt substantiell ist. Wer aber bestimmte Tätigkeiten z.B. in wesentlichem Umfang outsourct, fällt unter diese Bestimmung.
Die Frage ist dann aber, woher sich der Auftraggeber die nötigen Kenntnisse über seinen potentiellen Auftragnehmer verschaffen kann. Das Einfachste wäre regelmäßig wohl eine Überprüfung der Kalkulationsgrundlagen des potentiellen Auftragnehmers; diese werden aber im Allgemeinen nicht zu erlangen sein. Andererseits darf man unterstellen, dass ein Unternehmer, der einen Auftrag für Werk- und Dienstleistungen vergibt, Kenntnis über die Marktgegebenheiten hat und anhand dieser Marktgegebenheiten beurteilen kann, ob das Angebot aus dem Rahmen fällt oder nicht. Ein knapp kalkuliertes Angebot muss aber nicht für eine Unterschreitung des Mindestlohns sprechen. Das Gesetz normiert die Verpflichtung eines Unternehmers nicht, seinem potentiellen Auftraggeber die zur Beurteilung seiner Zuverlässigkeit im Sinne der Bestimmung des § 10 Abs.2 MiLoG geeigneten Kenntnisse zu verschaffen. Damit kommt der Frage, wie sich der Auftraggeber absichert, erhebliche Bedeutung zu. Ich meine, dass die Sorgfalt, zu der er im Hinblick auf dieses Mindestlohngesetz dann verpflichtet ist,wenn er hinsichtlich der Praxis seines möglichen Auftragnehmers keine genauen Kenntnisse hat, fordert, dass
- er zunächst einmal das konkrete Angebot auf seine Marktüblichkeit hin überprüft, gegebenenfalls mit anderen Angeboten vergleicht,
- er,wenn sich hier keine Auffälligkeiten ergeben, dem Auftragnehmer die Verpflichtung auferlegt, den fraglichen Auftrag mit eigenen Leuten selbst zu erledigen und " eigene Leute" dahingehend definiert, dass es sich um dauerhaft beim Auftragnehmer beschäftigte Personen handeln muss,nicht solche, die auf der Grundlage von Werkverträgen tätig werden,
- dem Auftragnehmer des weiteren die Verpflichtung auferlegt wird, bei der Erfüllung der ihm übertragenden Werk- oder Dienstleistung die einschlägigen gesetzlichen Bestimmung, auch solche hinsichtlich des Mindestlohns zu beachten,
- von dem Auftragnehmer verlangt wird, dass er eine Bescheinigung seines Steuerberaters vorlegt, in der bestätigt wird, dass der Auftragnehmer in der Vergangenheit seiner Verpflichtung der pünktlichen Zahlung des Mindestlohns nachgekommen ist,
- der Auftragnehmer sich das Recht vorbehält, gegebenenfalls durch einen zur Verschwiegenheit verpflichteten Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer die Personal- und Gehaltsunterlagen des Auftragnehmers im Hinblick auf die Einhaltung des Mindestlohngebotes zu überprüfen (mit der Folge, dass dort, wo eine Verletzung festgestellt wird, die Kosten der Überprüfung zu Lasten des Auftragnehmers gehen),
- schließlich die Bonität des in Aussicht genommenen Unternehmer-Auftragnehmer überprüft wird und man aufgrund der Ergebnisse unterstellen darf, dass er auch in Zukunft seine Zahlungsverpflichtungen ordnungsgemäß erfüllen wird.
Auch wird man sich für den Fall, dass man von der Verwaltung oder dem Arbeitnehmer eines Auftragnehmers in Anspruch genommen wird, einen Anspruch auf Vorlage der Vertragsunterlagen dieses Arbeitnehmers vorbehalten müssen.
Damit bleibt aber immer noch die Gefahr, dass der auftraggebende Unternehmer für Verpflichtungen seines Auftragnehmers haftet; hiergegen kann er sich nur in üblicher Weise absichern; z.B. dadurch, dass sich der beauftragte Unternehmer, dessen Geschäftsführer oder Vorstände persönlich verpflichten, den Auftraggeber von etwaigen Ansprüchen aus dem Mindestlohngesetz freizustellen und hierfür sogar eine Sicherheit begeben. Mir scheint, dass der Gesetzgeber diese Problematik überhaupt nicht bedacht hat; jedenfalls bleibt abzuwarten, wie sich die Wirtschaft auf diese Problematik einstellen wird.
Dem Vorstehenden bleibt noch nachzutragen, dass natürlich die Regelungen des Mindestlohngesetzes auch für ausländische Unternehmer gelten, die in der Bundesrepublik Deutschland Werk- und Dienstleistungen für dritte, in Deutschland ansässige Unternehmer erbringen oder erbringen lassen.