Gemeinschaftliche Marktmanipulation

Strafrecht und Justizvollzug
28.09.2015806 Mal gelesen
Ein pauschaler Hinweis im „Disclaimer“, dass Herausgeber und Mitarbeiter eines Börsennewsletters womöglich Aktien der beworbenen Gesellschaft halten können, reicht nicht aus. Ein Vollbeweis des Einwirkens auf den Börsenpreis ist für eine Verurteilung nicht erforderlich. Der BGH (1 StR 106/13- Beschluss vom 04.12.2013) bestätigt im Wesentlichen eine Verurteilung durch das Landgericht Stuttgart vom 12.10.2012 wegen gemeinschaftlicher Marktmanipulation.

Zum Sachverhalt:
Ein Angeklagter brachte sich in den fast vollständigen Besitz der Freihandelsaktien einer Gesellschaft zur Entdeckung und Förderung von Rohstoffen. Tatsächlich betrieb diese Gesellschaft keinerlei operatives Geschäft. Mit einer zweiten Person (gesondert Verfolgter) vereinbarte er, den Börsenpreis der Aktie dieser Gesellschaft durch massive Empfehlungen zu steigern, um danach die Aktien mit Gewinn weiterverkaufen zu können. Eigene Aktienbestände beider Angeklagter und damit verbundene mögliche Interessenskonflikte wurden bewusst nicht mitgeteilt. Der zweite Angeklagte verfügte über ein Netz von Börsenjournalisten und band in die einmonatige Vermarktungskampagne zwei weitere Angeklagte mit ein. Hiervon hatte der erste Angeklagte Kenntnis. In keiner der Veröffentlichungen wurde mitgeteilt, dass zwei der Angeklagten im Besitz der beworbenen Aktien waren. Die Disclaimer enthielten lediglich pauschale Hinweise auf mögliche Interessenskonflikte. In der einmonatigen "Werbephase" steigerte die Aktie ihren Wert um mehr als das Achtfache. Die Angeklagten nutzten die Kurssteigerungen, um ihre gehaltenen Aktien zu verkaufen. Hierbei generierte ein Angeklagter einen zweistelligen Millionenbetrag. Die beiden anderen Angeklagten einen einstelligen Millionen- bzw. einen sechsstelligen Betrag.
Alle drei Angeklagten wurden vom Landgericht Stuttgart wegen gemeinschaftlicher begangener Marktmanipulation in Form des sogenannten "scalping" nach §§ 38 Abs. 2, 39 Abs. 1 Nr. 2, 20 a Abs. 1 S 1 Nr. 3 WphG, § 4 Abs. 3 Nr. 2 MaKonV verurteilt.
Der BGH hat diese Verurteilung im Wesentlichen bestätigt.

Urteilsgründe:
Der erste Senat hat im Urteil des Ausgangsgerichts in Bezug auf die Verurteilung keine wesentlichen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten gesehen.
Nach der Urteilsbegründung des BGH besteht nach § 20 a WphG immer dann eine Pflicht zur Offenlegung von bestehenden Interessenskonflikten, wenn Kaufempfehlungen abgegeben werden. Ein entsprechender Interessenskonflikt besteht immer dann, wenn der Empfehlende selbst Aktienbesitzer der empfohlenen Gesellschaft ist. Nach BGH besteht jedoch auch dann ein Interessenskonflikt, wenn Empfehlende und Aktienbesitzer personenverschieden sind und gemeinschaftlich zusammenwirken. Eine anderweitige Handhabung -nur der Aktienbesitzer hat auf Interessenskonflikte hinzuweisen- würde den Schutzzweck der Regelung weitestgehend ins Leere laufen lassen.
Somit finden diesbezüglich die Regeln von Täterschaft und Teilnahme Anwendung. Wenn mehrere Personen gemeinschaftlich handeln, in dem Sinne, dass eine Person Aktien einer Gesellschaft besitzt, und eine andere Person diese bewirbt, ohne diesen entsprechenden Interessenskonflikt offenzulegen, werden beiden Personen die jeweiligen Handlungen zugerechnet.
Gemäß §§ 20 a Abs. 1 S. 1 Nr. 3, 38 Abs. 2 WphG liegt in Fällen solcher fehlender Offenlegung von Interessenskonflikten regelmäßig eine sonstige Täuschungshandlung i.S.d. § 20 a WphG vor.
Laut BGH reicht es diesbezüglich nicht aus, wenn die handelnden Personen in Disclaimern oder Risikohinweisen pauschal darauf hinweisen, dass Herausgeber und Mitarbeiter potentiell Aktienhalter der beworbenen Gesellschaften sein können. In diesem Zusammenhang ist entscheidend, dass konkret darauf hinzuweisen ist, wer über Aktien der beworbenen Gesellschaft verfügt bzw. wer in sonstigen Interessenskonflikten zu der entsprechenden Gesellschaft steht.
Ferner muss die marktmanipulative Handlung auf den Börsenpreis einwirken. Hierfür stellt der BGH keine erhöhten Anforderungen. Er lässt es ausreichen, dass der bisherigen Kursverlauf und Umsatz mit der Kurs- und Umsatzentwicklung verglichen wird. Eine eventuelle Befragung von Marktteilnehmern sieht der BGH nicht als notwendig an.
Was bedeutet das für die Praxis:
Bei jeglichen Bewerbungen ist auf mögliche Interessenskonflikte konkret hinzuweisen. Allgemeine potentielle Warnhinweise sind nicht ausreichend. Jeder Empfehlende einer Aktie muss im Falle eines möglichen Interessenskonflikts, der insbesondere dann besteht, wenn er zugleich beworbene Aktien besitzt, hierauf ausdrücklich hinweisen. Auch können mehrere Beteiligte die Verantwortung nicht untereinander verschieben, da die einzelnen Tatbeiträge in aller Regel den jeweiligen Beteiligten zugerechnet werden.
Auch bezüglich des Tatbestandsmerkmals "Einwirkung auf den Börsenpreis" geht der BGH von einer weiten Auslegung aus. Es wird diesbezüglich schon als ausreichend angesehen, dass Kurs und Umsatz vor und nach der vorgenommenen Werbemaßnahme verglichen werden. Eine entsprechende Veränderung des Kursverlaufes ist schon ausreichend, um dieses Tatbestandsmerkmal zu bejahen.