Fristlose Kündigung wegen Beleidigung des Chefs auf Facebook (Überblick)

Arbeit Betrieb
11.12.20132674 Mal gelesen
Es kommt immer häufiger vor, dass Arbeitnehmer ihren Arbeitgeber auf Facebook beleidigen. Die Frage ist, ob dies eine fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigt. Lesen Sie anhand von 3 wichtigen Urteilen, was die aktuelle Rechtsprechung der Arbeits- und Landesarbeitsgerichte dazu sagt

1. Was sind die Grundsätze einer fristlosen Kündigung?

Bevor ich Ihnen weiter unten die fristlose Kündigung im Zusammenhang mit Beleidigungen auf Facebook erläutere, möchte ich Ihnen zunächst die Grundsätze einer fristlosen Kündigung vorstellen. Sie ist nach § 626 Abs. 1 BGB nur dann zulässig, wenn ein wichtiger Grund vorliegt, der die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar macht. Dabei spielen die Umstände des Einzelfalls eine große Rolle. Außerdem ist eine so genannte Interessenabwägung durchzuführen. Nach § 626 Abs. 2 BGB muss die Kündigung innerhalb von zwei Wochen erfolgen.

Die fristlose Kündigung wird auch außerordentliche Kündigung genannt. Daran sieht man, dass eine solche Kündigung nur im Ausnahmefall erfolgen kann, nämlich dann, wenn das (schuldhafte) Verhalten des Arbeitnehmers einen wichtigen Grund darstellt. Zudem ist hier grundsätzlich nur dienstliches Verhalten relevant. Selbst wenn ein wichtiger Grund tatsächlich anzunehmen ist, muss noch geprüft werden, ob nicht ein milderes Mittel zur Verfügung steht, insbesondere eine Abmahnung. Im nächsten Schritt erfolgen dann die oben genannte Einzelfallbetrachtung und die Interessenabwägung.

2. Fristlose Kündigung wegen Ehrverletzung (Beleidigung)

Nach der Rechtsprechung ist jede Ehrverletzung, beispielsweise eine Beleidigung oder Verleumdung, grundsätzlich geeignet, einen wichtigen Grund darzustellen. Die Ehrverletzung muss jedoch grob, also von gesteigerter Schwere sein. Bei Verleumdungen ist wichtig, dass ein Arbeitnehmer grundsätzlich auch betriebsbezogene Äußerungen tätigen darf, die den Arbeitgeber heftig kritisieren. Das gilt jedenfalls dann, wenn er dies in einem vertraulichen Rahmen macht - etwa unter Kollegen - und er nicht damit rechnen muss, dass die Äußerungen dem Arbeitgeber zugetragen werden.

3. Sonderfall "Facebook"?

Es stellt sich die Frage, ob Beleidigungen bei Sozialen Netzwerken gleich zu behandeln sind. Schließlich geht es bei Facebook ja gerade darum, Meinungen und Werturteile zu verbreiten anstatt vertraulich zu behandeln. Der Umgangston auf Facebook ist zudem direkter und oft rauer als im realen Leben. Im Folgenden skizziere ich Ihnen anhand von drei Urteilen, wie die Rechtsprechung dies beurteilt.

a) "asozial"

Das Landesarbeitsgericht (LAG) Hessen (28.1.2013, Az. 21 Sa 715/12) hatte Anfang 2013 in zweiter Instanz über folgenden Sachverhalt zu entscheiden: Ein Mediengestalter, der seit 28 Jahren bei dem Arbeitgeber beschäftigt und schwerbehindert war, schrieb auf seinem Facebook-Profil "ich kotze gleich...so asoziale Gesellschafter gibts wohl kaum ein 2tes Mal: Wieviele Lügen, sowie Gehälter bei Neulingen, welche vor dem Gesetz als "Sittenwidrig" gelten, soll es noch geben". Der Arbeitgeber erfuhr davon und kündigte dem Arbeitnehmer fristlos, hilfsweise ordentlich.

Das Arbeitsgericht Kassel gab der Klage des Arbeitnehmers statt. Das LAG Hessen bestätigte die Entscheidung des Arbeitsgerichts. Zwar stellte das LAG Hessen klar, dass der Facebook-Beitrag eine grobe Beleidigung des Arbeitgebers und diese auch grundsätzlich einen wichtigen Grund für eine fristlose Kündigung darstellt. Auf der 2. Stufe der Interessenabwägung fiel die fristlose Kündigung dann aber durch. Denn für den Arbeitnehmer sprach der Erhalt seines Arbeitsplatzes, die 28-jährige Betriebszugehörigkeit und die Schwerbehinderung.

b) "menschenschinder & ausbeuter"

In einer Entscheidung des LAG Hamm (10.10.2012, Az. 3 Sa 644/12) ging es um eine fristlose Kündigung eines Azubis. Der Azubi hatte seinen Arbeitgeber (AG) in seinem Facebook-Profil als "menschenschinder & ausbeuter" bezeichnet und sich selber als "Leibeigener" hingestellt. Seine Tätigkeit war seiner Ansicht nach eine "dämliche scheisse fuer mindestlohn - 20 %". Das Arbeitsgericht Bochum, an das sich der Azubi zunächst wandte, sah darin zwar einen wichtigen Grund, nahm jedoch die Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Ausbildungsverhältnisses nicht an. Eine Abmahnung wäre als milderes Mittel ausreichend gewesen.

Dem folgte das LAG Hamm nicht. Vielmehr stellte es klar, dass auch Ehrverletzungen in sozialen Netzwerken generell eine Kündigung rechtfertigen können, wenn die Ehrverletzung geeignet ist, sich auf das Vertragsverhältnis auszuwirken. Zudem ist nach Ansicht des LAG Hamm unerheblich, ob der Arbeitgeber mit Namen genannt wird oder nicht. Es reicht aus, wenn Freunde und Bekannte eines Arbeitnehmers den Arbeitgeber identifizieren können. Das LAG Hamm stellte fest, dass die Äußerungen des Azubi massiv ehrverletzend für den Arbeitgeber waren und somit einen wichtigen Grund darstellten. Aufgrund der Öffentlichkeit des Facebookeintrags sah das Gericht eine Steigerung der Ehrverletzung im Vergleich zu einer Äußerung unter Anwesenden. Da sich die Äußerung des Azubi mehrere Monate lang auf dem Profil befand, bejahte das Gericht einen irreparablen Vertrauensbruch und bestätigte die fristlose Kündigung.

c) "Speckrollen"

Das Arbeitsgericht Duisburg (26.9.2012, Az. 5 Ca 949/12) musste sich im Herbst 2012 mit einem Eintrag auf Facebook befassen, der dieses Mal nicht den Arbeitgeber sondern die Arbeitskollegen betraf. Ein fristlos gekündigter Arbeitnehmer bezeichnete seine Kollegen auf Facebook als "Speckrollen", die "in den Arsch kriechen" und "auf ein klug scheißer tun". Weitere Äußerungen lauteten "hattet ihr schlechten Sex" und "hat euch jemand ins Gehirn geschissen". Zur Vorgeschichte: Die Arbeitskollegen hatten sich beschwert, dass der Arbeitnehmer auf seinem Facebook-Profil Fotos veröffentlicht hatte, auf denen er während einer Arbeitsunfähigkeit in einem Café zu sehen war. Die fristlose Kündigung scheiterte hier zwar an der Nichteinhaltung der 2-Wochen-Frist. Jedoch machte das ArbG Duisburg deutlich, dass auch grobe Beleidigungen von Arbeitskollegen grundsätzlich eine fristlose Kündigung rechtfertigen können. Und zwar auch dann, wenn die Facebook-Einträge nur für Facebook-Freunde und Freundes-Freunde sichtbar sind! Denn Einträge auf Facebook-Seiten sind nach Ansicht des Gerichts sogar schwerwiegender als mündliche Äußerungen, da diese bis zum Löschen immer wieder nachlesbar sind.

4. Fazit: Worauf Sie in Zukunft achten sollten

Ganz eindeutig: Grobe Ehrverletzungen stellen auch bzw. insbesondere auf Facebook stets einen wichtigen Grund für eine fristlose Kündigung dar. Der Daumen für die Wirksamkeit der fristlosen Kündigung hebt bzw. senkt sich jedoch regelmäßig auf der 2. Stufe, der Interessenabwägung. Nur so ist auch das erste Urteil des LAG Hessen zu verstehen. Die Gerichte belassen es bisher - Ausnahmen bestätigen die Regel, siehe ArbG Duisburg - bei den Grundsätzen, die auch für "Offline"-Beleidigungen gelten.

Dies ist meines Erachtens auch korrekt, da es nicht mit den Bestimmungen zur fristlosen Kündigung nach § 626 BGB vereinbar wäre, für Beleidigungen auf Facebook andere Maßstäbe anzusetzen. Entscheidend ist im Rahmen von § 626 BGB alleine der irreparable Vertrauensbruch, der eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar macht. Ein Vertrauensbruch ist aber nicht alleine deshalb irreparabel, weil eine Äußerung auf Facebook und nicht etwa in einem Gespräch getätigt wird. Dass die Äußerung auf Facebook möglicherweise mehr "Publikum" erreicht und länger einsehbar ist, kann bei der Einzelfallbetrachtung und der darauf beruhenden Interessenabwägung ausreichend berücksichtigt werden. So wird dies grundsätzlich auch durch die bisherige Rechtsprechung gehandhabt. Eine Klärung durch das Bundesarbeitsgericht steht noch aus.

Mein nächster Fachartikel erscheint voraussichtlich im Januar 2014. Ich wünsche allen Leserinnen und Lesern gesegnete Weihnachten und einen guten Start ins neue Jahr!

Stefan Pannek Rechtsanwalt mit Tätigkeitsschwerpunkt im Arbeitsrecht