Fristlose Kündigung des Versorgungsvertrages einer Pflegeeinrichtung

Gesundheit Arzthaftung
28.02.20093605 Mal gelesen

Um ihre Qualitätsmaßstäbe durchzusetzen, drohen die Landesverbände der Pflegekassen immer häufiger mit einer fristlosen Kündigung des Versorgungsvertrages. Solche Drohungen sind ernst zu nehmen, denn wenn die Pflegekassen eine Einrichtung besonders im Visier haben, droht ihr meist das Schlimmste. Hinzu kommt, dass die Landesverbände der Pflegekassen nicht selten schon bei geringstem Anfangsverdacht ein Strafverfahren einleiten, damit noch von anderer Seite ermittelt wird. 
 

Ziehen Pflegeeinrichtungen vor Gericht, haben sie oft gute Karten. Pflegekassen sprechen nicht selten eine fristlose Kündigung vorschnell aus; ihr oft fehlender Blick ins Gesetz kommt den Pflegeeinrichtungen zugute.      

In § 74 Abs. 2 SGB XI heißt es:
?Der Versorgungsvertrag kann von den Pflegekassen nur dann fristlos gekündigt werden, wenn die Einrichtung ihre Verpflichtungen gegenüber den Pflegebedürftigen oder den Kostenträgern gröblich verletzt. Dies gilt insbesondere, wenn Pflegebedürftige infolge der Pflichtverletzung zu Schaden kommen oder die Einrichtung nicht erbrachte Leistungen gegenüber den Kostenträgern abrechnet. Das gleiche gilt, wenn dem Träger eines Pflegeheimes nach dem Heimgesetz die Betriebserlaubnis entzogen oder der Betrieb des Heimes untersagt wird ..."
 

Das Sozialgericht Karlsruhe hatte zu entscheiden, ob einem Senioren- und Pflegeheim der Vertrag gekündigt werden kann, weil nach mehreren Beschwerden der MDK im Rahmen einer Qualitätsprüfung bei einigen Heimbewohnern Dekubiti, Mängel im pflegerischen und baulichen Bereich und Dokumentationsmängel vorfand. Als der MDK nach einem halben Jahr in einer zweiten Prüfung nochmals solche Mängel fand, kündigten die Pflegekassen den Versorgungsvertrag fristlos. Die Klage des Heimbetreibers hatte Erfolg. Nach Auffassung der Richter seien die Mängel nicht so bedeutend gewesen, dass sie für eine fristlose Kündigung genügen. (SG Karlsruhe, Urteil vom 3. 12. 1998, Az.: S 11 P 4379/98)
 

Für den Fall der Feststellung von Qualitätsmängeln dürfen die Landesverbände erst nach Anhörung entscheiden, welche Maßnahmen zu treffen sind. Erst wenn die Mängel nach erfolgter Fristsetzung nicht beseitigt sind, kann die fristlose Kündigung ausgesprochen werden.
 

So unterlagen die Landesverbände der Pflegekassen z.B. vor dem Landessozialgericht Baden-Württemberg  aus rein formellen Gründen, obwohl der MDK bei einer Kontrolle schwere Mängel in vielen Bereichen vorfand. Die (nicht amtlichen) Leitsätze des Urteils lauten:
"Auch die fristlose Kündigung eines Versorgungsvertrages mit einer stationären Pflegeeinrichtung ist gem. § 74 Abs. 2 SGB XI für die Landesverbände der Pflegekassen erst dann zulässig, wenn sie zuvor durch Bescheid eine angemessene Frist zur Beseitigung festgestellter Qualitätsmängel gesetzt haben. Nur wenn von vornherein deutlich erkennbar ist, dass der Träger der Einrichtung nicht willens oder nicht fähig ist, festgestellte Mängel innerhalb einer gesetzten Frist zu beseitigen, ist die Frist vor Ausspruch der außerordentlichen Kündigung entbehrlich. Eine außerordentliche Kündigung des Versorgungsvertrages kann gem. § 74 Abs. 2 Satz 3 SGB XI nur dann auf die erfolgte Betriebsuntersagung durch die Heimaufsichtsbehörde gestützt werden, wenn die Untersagungsverfügung bestandskräftig ist." (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 18.08.2000, Az.: L 4 P 705/00)
 

Die Kündigung verstößt gegen formelle Vorschriften, wenn sie nicht auf einem Beschluss aller Landesverbände beruht. Der Beschluss oder das Sitzungsprotokoll muss der Kündigung beigefügt werden. Wirkt auch nur ein Landesverband nicht mit, ist die Kündigung rechtswidrig.
 

Gleiches gilt, wenn das Einvernehmen mit dem Sozialhilfeträger nicht hergestellt wurde (§ 74 Abs. 1 Satz 2 SGB XI). Das Einvernehmen ist in Form einer Einwilligung herzustellen.
Stützen sich die Landesverbände der Pflegekassen in ihrer Kündigung auf eine unwirtschaftliche Betriebsführung, ist sie nur rechtmäßig, wenn die Pflichtverletzung wiederholt festgestellt worden und nicht mehr behebbar ist. (BSG, Urteil vom 12.06.2008, Az.: B 3 P 2/07 R)
 

Fazit:
 

In jedem Fall lohnt es sich die fristlose Kündigung des Versorgungsvertrages anwaltlich überprüfen zu lassen.
 

Nachlässigkeit hat unangenehme Folgen. 
Ich empfehle Schreiben der Pflegekassen immer gleich zu beantworten und Qualitätsmängel so schnell wie möglich abzustellen.

 

Hannover, im Februar 2009

 

Rechtsanwältin Jana Staudte
Fachanwältin für Medizinrecht
Web: www.ra-staudte.de
E-Mail: info@ra-staudte.de