Forderungsbefriedigung nach Insolvenzantragstellung unterliegt der Insolvenzanfechtung

Forderungsbefriedigung nach Insolvenzantragstellung unterliegt der Insolvenzanfechtung
07.08.2013476 Mal gelesen
Erlangt ein Gläubiger Monate nach einem von ihm gestellten Insolvenzantrag durch den Schuldner Befriedigung seiner Forderung und nimmt er sodann den Antrag zurück, kann nach Ansicht des Bundesgerichtshofes die Vorsatzanfechtung unter dem Gesichtspunkt einer inkongruenten Deckung durchgreifen.

Eine Krankenkasse hatte gegen einen Gastwirt am 7. November 2005 wegen offener Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von 2.884,60 € einen Insolvenzantrag gestellt. Am 7. Juni 2006 entrichtete der Gastwirt unter Einbeziehung der zwischenzeitlich aufgelaufenen weiteren Rückstände insgesamt 9.378,83 € an die Krankenkasse, die daraufhin ihren Insolvenzantrag am 8. Juni 2006 für erledigt erklärte. Außerdem erbrachte der Gastwirt in der Zeit vom 19. Januar 2007 bis 19. Dezember 2008 Beitragszahlungen in Höhe von insgesamt 12.793,61 € an die Krankenkasse. Dabei handelt es sich um 21 Einzelzahlungen in der Größenordnung zwischen 151,84 € und 1.050 €, die er jeweils in bar gegenüber einem Vollzugsbeamten der Krankenkasse vornahm.

Am 12. November 2009 wurde auf den Eigenantrag des Gastwirts das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Insolvenzverwalter verlangt die von der Krankenkasse beim Gastwirt insgesamt eingetriebenen 22.172,44 € wegen vorsätzlicher Gläubigerbenachteiligung zurück.

Landgericht und Oberlandesgericht haben die Klage des Insolvenzverwalters abgewiesen.

Erst der Bundesgerichtshof gab der Klage statt.

Die vom Schuldner am 7. Juni 2006 zugunsten der Krankenkasse erbrachte Zahlung unterliegt als inkongruente Deckung der Anfechtung, weil sie die Rücknahme des von der Beklagten am 7. November 2005 gegen den Schuldner gestellten Insolvenzantrags bezweckte.

Die aufgrund eines Insolvenzantrags erzielte Deckung ist auch außerhalb der gesetzlichen Krise stets inkongruent. Der Insolvenzantrag ist niemals ein geeignetes Mittel, um Ansprüche außerhalb eines Insolvenzverfahrens durchzusetzen. Die dadurch bewirkten Leistungen sind inkongruent, weil sie weder dem Inhalt des Schuldverhältnisses entsprechen noch mit Zwangsmitteln erlangt worden sind, die dem einzelnen Gläubiger zur Durchsetzung seiner Ansprüche vom Gesetz zur Verfügung gestellt werden. So verhält es sich auch im Streitfall.

Die Zahlung des Schuldners zielte ersichtlich darauf, die Krankenkasse zur Rücknahme des von ihr gestellten Insolvenzantrags zu veranlassen. Dabei nahm er in Kauf, infolge der zugunsten der Beklagten bewirkten Zahlung künftige Gläubiger nicht befriedigen zu können.

Aus diesem Grunde sei die Zahlung von einem Benachteiligungsvorsatz des Schuldners getragen gewesen. Diesen Benachteiligungsvorsatz hat die Krankenkasse auch gekannt.

Die Anfechtungsvoraussetzungen seien auch für die von dem Schuldner in der Zeit vom 19. Januar 2007 bis 19. Dezember 2008 an die Krankenkasse bewirkten Zahlungen in Höhe von 12.793,61 € gegeben.

Die Zahlungen an den Vollstreckungsbeamten der Krankenkasse seien als Rechtshandlungen des Schuldners zu bewerten.

Grundsätzlich fehle es an einer Schuldnerhandlung, wenn ein Gläubiger eine Befriedigung im Wege der Zwangsvollstreckung erlangt. Anfechtbar ist eine im Rahmen oder aus Anlass einer Zwangsvollstreckung erfolgte Vermögensverlagerung aber dann, wenn dazu zumindest auch eine Rechtshandlung des Schuldners beigetragen hat, mag diese auch unter dem Druck oder zur Abwendung der Zwangsvollstreckung erfolgt sein.

Übergibt ein Schuldner dem Vollstreckungsbeamten Bargeld, auf das dieser andernfalls sogleich zugreifen könnte, liegt kein freier Willensentschluss zur Leistung; vielmehr kommt der Schuldner in einer solchen Situation nur dem sonst unabwendbaren Zugriff des Vollstreckungsbeamten zuvor. Anders verhalte es sich aber, wenn dessen Zugriff tatsächlichen Hindernissen wie die Verwahrung in einem Versteck entgegengestanden hätte.

So habe der Fall hier gelegen, denn der Schuldner hat die Zahlungen mit Geldern bewirkt, die er vor dem Zugriff des Vollstreckungsbeamten verborgen hatte. Somit lag hier eine anfechtbare Handlung des Schuldners vor.

Die in Rede stehenden Zahlungen nahm der Schuldner mit einem von der Krankenkasse erkannten Benachteiligungsvorsatz vor.

Nach alledem stehen der Insolvenzmasse die vom Schuldner an die Krankenkasse gezahlten Beträge zu.

 

(Quelle: Bundesgerichtshof, Urteil vom 25.10.2012; IX ZR 117/11

Vorinstanz: Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 12.07.2011; 16 U 37/11

Amtsgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 07.02.2011; 2-4 O 172/10 )

 

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